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Die schwebenden Prozesse gegen den argentinischen Staat

Von Juan E. Alemann

Loretta Preska
Richterin Loretta Preska. (Foto: Alchetron)

Die Klagen von Gläubigern des argentinischen Staates nehmen kein Ende. Laut offiziellen Daten geht es dabei um insgesamt ca. u$s 10 Mrd. Aber diese Zahl ist unbestimmt. Es kann viel weniger sein, wenn gut verhandelt und auch ein Teil sofort gezahlt wird, und es kann viel mehr sein, wenn nur versucht wird, die Prozesse in die Länge zu schieben, wobei dann zusätzliche Zinsen, plus Anwalts- und Gerichtskosten entstehen. Das Problem wird von den argentinischen Regierungen schlampig behandelt, wie wenn es sich schließlich von selbst lösen würde. Es ist höchste Zeit, dass man es ernst nimmt. Es handelt sich nicht nur darum, dass sonst die Schulden zunehmen und neue hinzukommen, sondern darum, dass dies dem Ansehen des Landes schadet und auch in der hohen Landesrisikorate zum Ausdruck kommt.

Argentinien ist traditionell ein fauler Zahler, was zu mehreren Defaults geführt hat. Aber die meisten Regierungen haben sich dennoch bemüht, die Konflikte in Grenzen zu halten und Verständigungen mit den Gläubigern zu erreichen. Diese Tradition hat Néstor Kirchner gebrochen, wobei Cristina dann in die gleiche Kerbe gehauen hat. Die Kirchners gingen davon aus, dass die große Welt Argentinien nur ausbeuten wollte und die Schulden eine zweifelhafte Grundlage hätten. Sie meinten, dass man mit einer harten, unnachgiebigen Haltung, erreichen werde, dass die Gläubiger nachgeben und schließlich viel weniger gezahlt würde. Diese Einstellung ist deutlich in der Regelung der Staatsschuld zum Ausdruck gekommen, die Ende 2001 im Defaultzustand erklärt wurde, und erst 2005 und 2010 zum Teil geregelt wurde, wobei der Vorschlag der argentinischen Regierung von vielen Gläubigern nicht angenommen wurde. Schließlich zahlte Macri den größten Teil dieser Forderungen, aber es verbleibt noch ein relativ geringer Teil.

Hinzu kamen dann unter Néstor Kirchner die Forderungen von Unternehmen, die öffentliche Dienste in Konzession betrieben, bei denen eine Rückverstaatlichung oder eine totale Missachtung der Konzessionsverträge stattfand. Dabei wurden Schulden einfach nicht anerkannt, die für Finanzierung von Investitionen aufgenommen wurden, wie an erster Stelle eine von u$s 700 Mio. von Aguas Argentinas (heute Aysa), Auch die einseitige Missachtung der Konzessionsklauseln bei Kraftwerksunternehmen u.a. stellt einen Schaden für die Betreiber dar. Somit wurden viele Klagen vor dem Weltbankschiedsgericht ICSID (auf spanisch CIADI) eingereicht. Das Schlimmste bei den Vertragsbrüchen ist nicht der konkrete finanzielle Schaden, sondern dass sie den argentinischen Staat in Zukunft behindern, neue Privatisierungen durchzuführen und Konzessionsverträge abzuschließen. Über viele Fälle hat das ICSID schon ein Urteil gefällt, und der Staat hat gezahlt. Es fällt auf, wie lange die Prozesse gedauert haben, und auch, dass das ICSID nicht den vollen Schaden anerkannt hat. Aber es verbleiben noch Konflikte ohne Urteil, und auch ist der Staat Zahlungen, zu denen er verurteilt wurde, schuldig geblieben. Der argentinische Staat hat auch hier sein betrügerisches Verhalten zum Ausdruck gebracht. Schlimm!

Gegenwärtig laufen noch Prozesse von Investmentfonds, die jetzt u.a. versuchen den Zugriff auf die Mittel zu erhalten, die die ZB bei der Federal Reserve deponiert hat. Eigentlich sind diese Mittel nicht pfändbar und können auch nicht beschlagnahmt werden. Aber die Gefahr besteht, dass dies juristisch anders gesehen wird,

Auch besteht eine Klage von Inhabern des Wachstumscoupons. Bei der Umschuldung von 2005 war den Gläubigern, die sie annahmen, ein Coupon übergeben worden, der in Jahren mit einem Wachstum von über 3,2% des Bruttoinlandsproduktes ausgezahlt würde. Das war grober Unfug: die Gläubiger haben dies nicht als eine Verbesserung der Regierungsofferte empfunden, und außerdem ist die Berechnung des BIP immer ungenau und fragwürdig. Als Axel Kiciloff Wirtschaftsminister war, verkündigte er mit Stolz für das Jahr 2013 eine BIP-Zunahme von über 3,2%. Als er danach darauf aufmerksam gemacht wurde, dass dies mit einer Zahlung von über u$s 3 Mrd. verbunden sei, wies er auf Fehler bei der Berechnung hin und gab eine neue Zunahme unter 3,2% bekannt. Wie zu erwarten, haben Inhaber dieser Wachstumsbonds (die sie meistens zu Schleuderpreisen auf dem sekundären Markt erworben haben) vor Gericht geklagt. Auch wenn die US-Justiz ihnen unmittelbar nicht Recht gegeben hat, schwebt hier ein Damokles-Schwert über Argentinien. Denn 2021 wächst das BIP auf alle Fälle über 3,2%, und es ist nicht vorgesehen, dass eine vorangehende Abnahme, wie sie 2020 eingetreten ist, abgezogen werden kann.

Ein besonders gefährlicher Fall besteht in der Klage des Geierfonds Burbridge, der den Konkurs (“quiebra”) der Firma Petersen (von Sebastián Eskenazi) in Spanien gekauft hat, und dabei auch das Aktienpaket von YPF übernommen hat, das Repsol diesem Eskenazi übertragen hatte, das mit den Bardividenden von YPF bezahlt werden sollte. Als die Regierung 2012 das Mehrheitspaket von Repsol bei YPF übernahm, hätte die Regierung den restlichen Aktionären, also auch den Eskenazis den gleichen Preis bieten müssen. Dass nennt man im Fachjargon “tender offer”, und es gilt für alle Firmen, die an der Börse von New York kotieren, also auch für YPF. Wenn das US-Gericht dem Kläger Recht gibt, so kostet das den argentinischen Staat mindestens u$s 2 Mrd. Aber es kann auch bis zu u$s 5 Mrd. sein.

Rein formell ist der Fall klar: Argentinien muss zahlen. Das einzige Argument für das Land besteht darin, dass das Aktienpaket von 25% des YPF-Kapitals von Eskenazi ein Schmiergeld war, das Repsol an Nestor Kirchner gezahlt hat (über seinen Strohmann Sebastián Eskenazi), damit er die finanzielle Aushöhlung von YPF erlaube. Repsol hatte damals das Interesse an YPF verloren, und wollte aussteigen. Da YPF jedoch unverkäuflich war, machte es Repsol anders: YPF wurde verschuldet, um den ganzen Buchgewinn in Form von Bardividenden auszuzahlen, außerdem wurden Auslandsinvestitionen von YPF direkt an Repsol übertragen, andere Aktiven wurden verkauft, u.s.w. Kiciloff sagte bei der Enteignung zunächst, das Aktienpaket sei nichts Wert, weil Repsol das Kapital schon zurückgezogen hatte. Er hatte recht, willigte dann jedoch ein, u$s 10 Mrd. zu zahlen. Dass es sich beim Aktienpaket von Eskenazi um ein Geschenk handelte, geht aus der Tatsache hervor, das Eskenazi keinen Cent aus der eigenen Tasche dafür bezahlt hat. Wenn der Fall als Schmiergeld entpuppt wird, dann braucht der Staat nichts zu zahlen. Denn bei Schmiergeldern ist keine Klage vor Gericht zulässig. Im Gegenteil: dann müsste das YPF-Aktienpaket von Eskenazi auf den argentinischen Staat übertragen werden. Der Staat müsste somit in New York eine Klage gegen den Fonds Burbridge einleiten, die auf Rückgabe des Aktienpakets lautet.

Die Richterin Loretta Preska, die in NY für den Fall zuständig ist, hat unlängst ein sogenanntes “Discovery-Verfahren” eingeleitet, bei dem es um die Feststellung der Umstände geht, die diesen eigenartigen Fall begleiten. Sie hat Argentinien somit die beste Gelegenheit geboten, um sich zu verteidigen. Doch für die Verteidigung im Prozess ist in Argentinien die Schatzanwaltschaft zuständig, jetzt geleitet von Carlos Zannini, ein enger Vertrauensmann der Kirchners (besonders von Nestor), für den es peinlich wäre, Nestor Kirchner zu beschuldigen, ein Schmiergeld über seinen Strohmann Eskenazi empfangen zu haben. Die Präsenz von Zannini, und die Tatsache, dass der Kirchnerismus auch an der Macht ist, können Argentinien Milliarden Dollar kosten. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Prozess bis Ende 2023 hinausgeschoben wird, und dann eine neue Regierung den Fall in New York aufklärt.

Zunächst erscheint es unbegreiflich, dass die Opposition den Fall nicht aufgreift, und der Richterin Preska im Rahmen des Discovery-Verfahrens den Fall so erklärt, wie wir es hier tun. Abgeordnete und Senatoren der Koalition “Zusammen für den Wechsel” (Juntos por el cambio) sollten sich bei Richterin Preska als “amicus curiae” melden und am Prozess teilnehmen. Jemand, der uns liest, und Kontakt zu diesen Leuten hat, wie die ehemalige Deputierte Cornelia Schmid Liermann, müsste es ihnen sagen. Denn es geht um mindestens u$s 2 Mrd., so dass man nicht einfach wegschauen kann.


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