Von Juan E. Alemann
Der Rücktritt von Wirtschaftsminister Martín Guzmán, der bekannt wurde, als Cristina am Samstag in Ensenada sprach, hat eine Regierungskrise von ungeahntem Ausmaß ausgelöst und die grundsätzliche Frage über die Fähigkeit von Präsident Alberto Fernández aufgeworfen, bis zum Ende seiner Amtszeit zu regieren. Guzmán ist nicht zurückgetreten, weil er amtsmüde war oder einen persönlichen Konflikt mit dem Präsidenten hatte oder sich durch die Rede der Vizepräsidentin angesprochen fühlte. Er hat sein Amt aufgegeben, weil er sich bewusst war, dass er in eine noch viel kritischere Lage geraten würde, und u.a. das Fondsabkommen schon im zweiten Quartal nicht entfernt würde erfüllen können. Er wäre dabei zum Sündenbock geworden.
Guzmán war sich im Klaren, dass die Stunde der Wahrheit gekommen war, und er schwierige Maßnahmen treffen musste, um sich den mit dem IWF vereinbarten Zielen einigermaßen annähern zu können. Die erste dieser Maßnahmen bestand in der Erhöhung des Stromtarifs, um die untragbar hohe Subvention stark zu verringern. Er ist dabei erneut gescheitert: Cristina, die das Energiesekretariat politisch beherrscht, setzte sich durch. Bei der schließlich verfügten Erhöhung steigt der Subventionsbetrag real, Das progressive System, das eingeführt wurde, stellt in der Praxis unlösbare Probleme. Um symbolisch zu zeigen, dass das Problem im Grunde Cristina heißt, die weiter Populismus betreiben will, hat Guzmán seinen Rücktritt noch während ihrer Rede bekanntgegeben.
Präsident Fernández war offensichtlich überrascht und zeigte eine totale Ratlosigkeit. Hat ihn Guzmán nicht gut informiert oder hat er ihn nicht verstanden? Er bot das Ministerium zunächst dem ehemaligen Zentralbankpräsidenten (unter Néstor und den ersten Jahren von Cristina) Martín Redrado an und dann Emanuel Alvarez Agis, der seinerzeit Vizeminister von Axel Kiciloff war, aber viel vernünftiger ist und von der Wirtschaftswelt geschätzt wird. Beide stellten Bedingungen, die der Präsident nicht annahm, u.a. weil sie eine klare Stellungnahme bedeuteten, die konfliktgeladen wäre, besonders innerhalb der Regierungskoalition. Doch das Problem ist genau dieses: Er kann dem Konflikt mit der Auffassung von Cristina nicht länger ausweichen, weil die bestehenden Probleme nicht von selbst verschwinden, sondern sich vertiefen.
Daraufhin gab es in Olivos allerlei Vorschläge und Verhandlungen, es wurden weiter Namen genannt, besonders der von Sergio Massa, Vorsitzender der Deputiertenkammer, aber auch der von Marco Lavagna, Leiter des INDEC u.a. Schließlich, spät am Sonntagabend, wurde Silvina Batakis ernannt, die unter Scioli als Gouverneur der Provinz Buenos Aires dort Wirtschaftsministerin gewesen war, Es war eine Kompromisslösung, die im Grunde nichts gelöst hat.
Alberto Fernández hatte sich bis zuletzt geweigert, mit Cristina zu sprechen. Die Distanzierung zu ihr hatte in letzter Zeit zugenommen. Am Sonntagabend überwand er schließlich seinen Widerstand und rief sie an. Und dabei kam es zur Lösung. Aber: Ist es wirklich eine Lösung? Frau Batakis wird bestimmt den formellen Teil ihrer Amtsführung gut erledigen. Aber es geht um viel mehr als das. Die Krise ist viel tiefer. Es geht um die Tarife öffentlicher Dienste und um strukturelle Verringerungen der Staatsausgaben und dann auch um andere Reformen, die alle konfliktreich sind.
Im Hintergrund schwelt die Gesellschaftskrise, die nicht nur die Wirtschaft umfasst, sondern auch die soziale Lage, die persönliche Sicherheit und nicht zuletzt die ethischen Werte, was besonders Cristina persönlich betrifft. In all diesen Fragen steht Cristina falsch. Das Problem ist eben sie, und solange sie die Richtung der Regierung bestimmt, gibt es keine Lösung.
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