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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die Redaktion, da unten

Schreiben für das Tageblatt - früher und heute

Von Marion Kaufmann

Marion
Marion Kaufmann arbeitet seit Ende der 60er Jahre für das Tageblatt. (Foto: Clarin.com)

Buenos Aires (AT) - Es ist für mich ein schönes Gefühl, einen Teil der 132 Jahren des Argentinischen Tageblatts miterlebt zu haben. Natürlich besteht mein Anteil nur aus ca. 50 Jahren, aber auch das ist ein beachtenswerter Prozentsatz.

Wir - man darf mir ruhig den Mangel an Bescheidenheit vorwerfen, weil ich in der Mehrzahl schreibe - also wir, das Tageblatt und ich, wir sind zusammen alt geworden. Bei der Zeitung ist man von Schwarz auf Farben übergegangen, und auch meine (Haar)farbe hat sich mit der Zeit geändert. Auch, dass wir beide jeweils dreimal umgezogen sind, zeigt, dass sich unsere Existenzen ziemlich ähneln.

Es ist unnötig, dass ich den Lesern dieser Zeitung schildere, wer sie gegründet hat, und wie die Anfänge verliefen, weil mehrmals die Kollegen bei einem Jahrestag in der Sonderbeilage darüber berichtet haben. So hat zum Beispiel Stefan Kuhn im Jahr 2009 eine ausführliche Recherche über den ersten „Allemann“, Johann, und seinen 15-jährigen Sohn Moritz verfasst, die im Februar 1874 nach Argentinien kamen, zusammen mit der Gründung des „Argentinisches Wochenblatt“; andere berichteten über Probleme und Erfolge der ersten Jahre und über Johanns Nachkommen; über die ersten Direktoren und Mitarbeiter und auch über die, die heute, nach dem Tod von Dr. Roberto Alemann, an der Seite seines Bruders Dr. Juan stehen.

Das Argentinische Tageblatt ist ein Unikum. Nicht nur als einzige Zeitung in deutscher Sprache in einem Spanisch sprechenden Land, sondern weil es seit dem Tag der Gründung in den Händen einer Familie steht. Aus dem einstigen „Wochenblatt“ ist ein modernes Blatt geworden. Durch die Online-Ausgabe hat sich der Leserkreis erhöht, da die Zeitung jetzt auch an Leser in Europa geht.

Ich selbst habe direkt ganz oben angefangen, Ende der 60er, bei Dr. Ernesto, dem ich einen Bericht über den Schweizer Zirkus Knie brachte, den ich während einer Reise schrieb. Er hat sich so sehr über den Artikel gefreut, dass ich mir Mut machte (ich war ja damals jung und schüchtern) und fragte, ob es nicht eine Arbeit für mich im AT gäbe. Er sagte, man bräuchte jemanden, der über neue Filme schreibt, und schickte mich „nach unten“ (lies: zur Redaktion) zu Peter Gorlinsky, dem damaligen Chefredakteur. Das Ambiente gefiel mir sofort und für immer: Der große, rauchgeschwängerte Raum, der Chef mit der Pfeife, die Redakteure mit den Zigaretten an den Olivettis, deren Geklapper mir wie Musik vorkam. Dieses Geräusch faszinierte mich jedes Mal, wenn ich in die Redaktion kam, um meine Artikel abzugeben. Es inspirierte mich zum Schreiben und manchmal, wenn mir plötzlich eine Idee kam, setzte ich mich einfach an eine unbesetzte Olivetti und tippte los. Es machte mir nichts aus, jede Woche in die Redaktion zu fahren und meine Arbeit abzugeben - es war ja lange vor der Internet-Ära - und ich sehne mich heute noch nach der Redaktion „da unten“, in der 25 de Mayo.

Bei Peter Gorlinsky lernte ich nicht nur gut zu schreiben, sondern auch zu lesen. Er empfahl mir oftmals ein Buch, und ich musste versprechen, es zu lesen. Ich beherzte auch seine Ratschläge („Schreiben Sie nur kurze Artikel; die Leute wollen nichts Langes lesen!“ „Bei einer Filmkritik: niemals das Ende verraten!“), aber vor allem erweckte er mein Interesse an guten Autoren.

Ja, so war diese Redaktion etwas Besonderes, mit Menschen, mit denen man reden, diskutieren oder lachen konnte. Nichts gegen Internet, das uns bequemer leben lässt, aber kein Vergleich mit einer rauchigen Redaktion von anno dazumal mit richtigen Menschen.

Peter Gorlinsky
Der langjährige Tageblatt-Chefredakteur Peter Gorlinsky. (AT)

Und nun hat sich das Bild einer modernen Redaktion wieder verändert: Büros mit rauchenden Redakteuren an Schreibmaschinen gehören zur Vergangenheit; heute, aufgrund der Pandemie, wird die Arbeit zu Hause erledigt. So hat sich auch das Argentinische Tageblatt umstellen müssen...Trotzdem erscheint es wie immer: pünktlich, mit interessantem Inhalt über das, was hier und überall geschieht.

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