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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die Politisierung der wirtschaftlichen Probleme wirkt störend

Von Juan E. Alemann

Der spanische Kulturphilosoph José Ortega y Gasset, ein außerordentlich intelligenter Mensch, bemerkte bei seinem Argentinien-Besuch in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts schon, dass lokale Politiker, Intellektuelle u.a. bei ihren Urteilen über die politische und wirtschaftliche Lage des Landes viel dummes Geschwätz verzapften, und an den echten Problem vorbeigingen. Er fasste seine Empfehlung zu dieser Lage im bekannten Satz zusammen, „Argentiner, zu den Sachen!” (Argentinos, ¡a las cosas!), was bedeutet, dass sie die konkreten Probleme anpacken sollten. Genau diese Empfehlung ist heute aktuell, eventuell sogar wie nie zuvor.

Die übliche Politisierung der Probleme, bei der es um die Schuldfrage für allerlei Übel geht, löst überhaupt nichts. Im Gegenteil: gelegentlich werden die Probleme dabei unlösbar. Ob die Regierung von Macri, oder die von Cristina oder jetzt die von Alberto Fernández die Schuld an der Staatsschuld trägt ist belanglos. Denn der Schuldner ist der argentinische Staat, und der jeweilige Präsident muss sich damit abfinden und eine befriedigende Lösung bieten. Mauricio Macri hat die Schuld beim IWF aufgenommen, weil er sonst in Default geraten wäre. Denn damals zogen sich die Investmentfonds von Argentinien zurück, weil sie befürchteten, dass 2019 Cristina wieder an die Regierung kommen und ihnen nicht zahlen würde. Es konnten somit keine finanziellen Mittel auf dem internationalen Finanzmarkt aufgenommen werden. Was Cristina und ihre Mitläufer schon 2018 äußerten, ging in diese Richtung. Die u$s 45 Mrd., die der Fonds schließlich beisteuerte, nachdem er zunächst u$s 50 Mrd. und dann ganze u$s 57 Mrd. zugesagt hatte, wurden vornehmlich für die Zahlung von Schulden eingesetzt, die unter der Regierung von Cristina aufgenommen worden waren, und nach und nach verfielen. Macri vermied es damals, das Thema als Schuldfrage aufzustellen. Das war eine reife Haltung. Ob sie politisch richtig war, sei dahingestellt.

Dennoch haben auch Macri und seine für Wirtschaft zuständigen Mitarbeiter Fehler gemacht. Der größte war die Schaffung eines einheitlichen Wechselkurses ab 10. Dezember 2015, der auch Kapitaltransaktionen einschloss. Das führte zu einer hohen Kapitalflucht, weil angenommen wurde, dass die Inflation weiterging und somit auch abgewertet würde, und gelegentlich Kapitaltransaktionen wieder gehemmt werden würden, mit dem berühmtem “cepo”, also einer strengen Kontingentierung der Überweisungen und Devisenkäufe für Hortungszwecke. Als im März 1976, nach der Machtübernahme durch die Streitkräfte, José Alfredo Martínez de Hoz zum Wirtschaftsminister ernannt wurde, wurde zunächst ein doppelter Devisenmarkt eingeführt, also einer für den normalen Außenhandel und der anderer prinzipiell für Kapitaltransaktionen, Tourismus u.a. Devisengeschäfte. Schrittweise wurde der Devisenmarkt danach vereinheitlicht. Bis dann Ende 1976, als sich die Lage beruhigt hatte, ein einheitlicher Devisenmarkt eingeführt wurde.

Die einzige Lösung aus dem bestehenden Schlamassel auf dem Devisenmarkt besteht in der Spaltung des Marktes, wie es 1976 und auch vorher mehrmals vollzogen wurde. Das muss auch von gezielten Weißwaschungen begleitet werden. Was die Regierung, und besonders die Zentralbankführung tut, sieht kafkaesk aus. Es gibt einen offiziellen Wechselkurs, der theoretisch für alle Devisentransaktionen gilt, faktisch jedoch nur die Außenhandelsgeschäfte und etwas mehr umfasst. Dann gibt es noch mehrere andere Wechselkurse, an erster Stelle den schwarzen (hier “blue” benannt), also den Kurs, der sich auf einem völlig freien Markt durch Angebot und Nachfrage ergibt. Hinzu kommt noch ein “offizieller” freier Kurs, der sich über Kauf und Verkauf von Staatstiteln ergibt, die auf Dollar lauten (benannt “CCL, contado von liquidación). Dieser Markt ist völlig legal, weil diese Staatstitel an der Börse von New York gehandelt werden, und somit ohne Hindernis gekauft und verkauft werden können. Doch in letzter Zeit haben die ZB und die Wertpapierkommission, Hemmungen eingeführt, u.a. die Verpflichtung, gekaufte Staatstitel eine gewisse Zeit zu behalten, bevor sie verkauft werden können. Wie weit dies legal ist, sei dahingestellt. Somit hat sich hier ein zweiter Markt gebildet (benannt Senebi), der wirklich frei ist, weil er nicht durch staatliche Regulierungen beeinflusst wird, bei dem sich ein höherer Kurs ergibt. Ob dieser doppelte Kurs auf dem gleichen Markt (CCL) der Rechtsordnung widerspricht, ist für uns nicht klar.

Diese Woche wurde ein besonderer Devisenmarkt für Auslandstouristen geschaffen, der über ein bimonetäres Bankkonto erfolgt, bei dem sich ein Kurs ergibt, der etwas unter dem Schwarzkurs liegt, zunächst bei $ 180. Das erlaubt den Touristen, ihre Käufe legal zu rechtfertigen. Die ZB kann dann eventuell diese Dollar einsetzten, um den CCL-Kurs zu drücken. Wenn sie sie beim offiziellen Markt einsetzt, erleidet sie einen Verlust.

Es gibt noch weitere Kurse, wobei beim Schwarzkurs der Kurs für große Geschäfte anders als für kleine ist. Das Kursdurcheinander, das in Argentinien besteht, gibt es sonst weltweit nicht, auch nicht annähernd. Es zeugt von der Anarchie, die in der argentinischen Wirtschaft besteht, die ein großes Hindernis für einen normalen Ablauf der Wirtschaft, und noch mehr für Wachstum und Verringerung der Inflationsrate ist. Dieser Zustand gibt Banken, Wechselstuben und Finanzmaklern die Möglichkeit, gute spekulative Geschäfte durch Kauf auf eine Markt und Verkauf auf einem anderen zu machen. Die verpönten Spekulanten erhalten von dieser Regierung ein gutes Einkommen, das sie bei geordneten Verhältnissen nicht hätten.

Bis zu den Wahlen am 14. November ist Hopfen und Malz verloren. Dabei wird vieles, was der Präsident, die Vizepräsidentin u.a. hohe Regierungsmitglieder sagen, nicht ernst genommen. Die Wahlkampagne der Regierungskoalition ist im Wesen ein Dummenfang. Doch die Wähler haben bei den PASO-Wahlen gezeigt, dass sie nicht so dumm sind, wie die Regierung angenommen hatte. Und das dürfte am übernächsten Sonntag auch so sein.

Worauf es jetzt wirklich ankommt, ist auf den wirtschaftspolitischen Kurs, der am Montag nach den Wahlen eingeschlagen wird. Der Internationale Währungsfonds, die US-Regierung u.a. Regierungen, und nicht zuletzt die argentinische Gesellschaft fordern einen Plan. Es ist besser, von einem Programm zu reden, weil ein Plan schlechte Erinnerung hervorruft, besonders weil er mit der kommunistischen Planwirtschaft verbunden wird, die jämmerlich versagt und Pläne lächerlich gemacht hat. Was man im Wesen braucht, sind wirtschaftspolitische Richtlinien: es muss gesagt werden, wie der Devisenmarkt organisiert wird, wie die Staatsausgaben real verringert werden, wie eine effektive Einkommenspolitik gestaltet wird, die besonders dem Druck bestimmter Gewerkschaften Einhalt bietet, wie das Zahlungsbilanzgleichgewicht gesichert wird, wie kurzfristig Arbeitsplätze geschaffen werden und wie die Armutsproblematik in Angriff genommen wird.

Man hat den Eindruck, dass die Regierung nicht die geringste Ahnung über all dies hat, und auch nach dem 14. November in den Tag hinein wirtschaften wird. Das wäre verhängnisvoll, umso mehr als nach den Wahlen keine Entschuldigung für das Fehlen einer vernünftigen Wirtschaftspolitik besteht. Und dann wird mit einem totalen Zusammenbruch gerechnet, der in der sogenannte selbsterfüllten Prophezeiung zum Ausdruck kommt und die Fahrt bis zum Abgrund beschleunigt.


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