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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die politische Krise und die wirtschaftlichen Konsequenzen

Von Juan E. Alemann

Die Episode mit dem Geburtstagsfest der “first lady” Fabiola Yañez in der Präsidialresidenz von Olivos ist zu einem politischen Skandal von ungeahntem Ausmaß ausgeartet, den das Ereignis als solches gewiss nicht verdiente. Ohne die Photographie wäre der Fall wohl unter den Teppich gefegt worden, ohne politische Bedeutung zu haben. Eben wie es über ein Jahr lang der Fall war, bis diese weit in breit verbreitet wurde. Dies hat besonders Cristina verärgert, die sofort gemerkt hat, dass dies ihre Wahlaussichten verschlechtert.

Alberto Fernández war von vornherein ein schwacher Präsident. Doch das wurde jetzt durch ihre Anweisung hervorgehoben, dass er Ordnung schaffen müsse. Sie hat ihn erneut öffentlich gescholten und gedemütigt. Der Fall erinnert immer mehr an die gestörte Beziehung von Perón zu Cámpora, dem von ihm aufgestellten Präsidentschaftskandidaten, der ihn enttäuschte, so dass er ihn zum Rücktritt zwang und dann selber in einer neuen Wahl mit 62% der Stimmen zum dritten Mal zum Präsidenten gewählt wurde. Doch jetzt ist es nicht so sicher, ob Cristina als Präsidentschaftskandidatin eine Wahl gewinnen würde. Zwischen ihr und Perón besteht ein haushoher Unterschied.

Die Konjunktur weist im ersten Halbjahr 2021 eine Erholung auf. Das war zunächst auf den “Springfedereffekt” zurückzuführen, also die Reaktion auf die starke Beschränkung der Wirtschaftstätigkeit ab März 2020, die 2021 stark gelockert wurde. Im Juni stieg die Wirtschaftsleistung, gemessen am EMAE-Index, gegenüber Mai um 2,5%, und dabei hat die Wirtschaftsführung ihre Erwartung einer BIP-Zunahme von 6% im ganzen Jahr auf 7% erhöht, womit das BIP immer noch um 3% unter 2019 liegen würde. Doch diese Entwicklung trügt. Sie beruht weitgehend auf den stark gestiegenen Preisen von Sojabohne und anderer Arten von Ölsaaten und Getreide, besonders Mais, die dazu geführt haben, dass auch Bestände des Vorjahres, die die Landwirte wegen niedriger Preise einbehalten hatten, exportiert wurden. Ebenfalls stiegen die Preise von anderen Exportprodukten stark, nämlich Kupfererz und Aluminium.

Doch die Exporte werden voraussichtlich ab jetzt abnehmen, während die Importe schon im Juli, trotz der doppelten Begrenzung, durch das Produktionsministerium und die ZB, stark gestiegen sind und voraussichtlich hoch bleiben werden, was eine direkte Folge der Erholung der wirtschaftlichen Tätigkeit und der Erschöpfung von Lagerbeständen ist. Es besteht somit die Aussicht, dass die Zahlungsbilanz wieder rote Zahlen schreibt, und dabei ein Druck auf den Wechselkurs entsteht, den die ZB mit ihren Reserven nicht ausgleichen kann. Wenn eine Abwertung erwartet wird, dann handeln diejenigen, die Dollar kaufen und verkaufen, entsprechend, was dann zur selbsterfüllten Prophezeiung führt.

Die unmittelbare Zukunft wird auch durch die Hinausschiebung des Umschuldungsabkommens mit dem Internationalen Währungsfonds bedroht. Ohne Abkommen ist ein neuer Default unvermeidlich. Die Wirtschaftswelt befürchtet, dass Cristina und ihre Mannschaft (von der Cámpora oder vom Institut Patria) im Grunde einen Bruch mit dem Fonds befürworten, mit den Hintergedanken, dass dann nichts gezahlt wird, eine Politik der Abschottung von der Welt vollzogen wird, und bewusst oder nicht, ein ähnlicher Weg begangen wird, wie in Venezuela, wobei das Ergebnis dann auch nicht viel anders sein dürfte. Diese Aussicht kann nur beseitigt werden, indem die Verhandlungen mit dem Fonds beschleunigt werden, und sofort Maßnahmen getroffen werden, um die Staatsausgaben zu verringern. Auf alle Fälle ist eine Pause von einem halben Jahr bis zu einem Abkommen unerträglich lang. Denn in dieser Periode werden Investitionen und Entscheidungen gehemmt, die auf Expansion zielen. Dies führt zu einem extrem vorsichtigen Verhalten der Unternehmer, die dann auch nur ausnahmsweise neue Arbeitnehmer anstellen. All das wirkt rezessiv.

Was Beschäftigung betrifft, so sieht die Lage viel schlechter aus, als es bei der bisherigen Erholung zu erwarten wäre. Die Consulting-Firma Equilibra sieht vor (siehe Clarín vom 22.8.21) dass dieses Jahr mit 377.000 Arbeitsplätzen weniger als vor der Pandemie schließt, auch 231.000 weniger als im August 2019, als die PASO-Wahlen stattfanden, die der Macri-Regierung das Genick brachen. Im privaten Bereich gibt es jetzt 177.000 Beschäftigte weniger als vor zwei Jahren, aber im öffentlichen 63.000 mehr. Auch ist die Zahl der Einheitssteuerzahler und Selbstständigen in 2 Jahren um 147.000 Personen gestiegen. Das ist eine klare Antwort auf die hohen Soziallasten, die bei Arbeit im Abhängigkeitsverhältnis bestehen. Doch das beeinträchtigt die Einnahmen des Pensionierungssystems und erhöht die Zahl derjenigen, die auf sich selbst angewiesen sind, ohne den Schutz zu erhalten, den diejenigen genießen, die im Abhängigkeitsverhältnis arbeiten, besonders beim Staat.

Hinzu kommt noch, dass der Reallohn laut INDEC-Zahlen im formellen Bereich in 2 Jahren zum Juni 2021 um 8,9% gefallen ist, im Bereich der Schwarzwirtschaft sogar um 12,6%. Allein in 12 Monaten zum Juni betrug die Abnahme 4,8% im formellen Bereich und 6,9% im informellen. In der öffentlichen Verwaltung betrug der Rückgang 6,5%, im privaten Bereich 3%. Die Entwicklung war im Einzelnen sehr unterschiedlich. Ohne eingefrorene oder stark zurückgebliebene Tarife öffentlicher Dienste wäre die Abnahme noch größer gewesen. Im Bereich der selbstständig Tätigen und der Kleinunternehmer war die Abnahme angeblich größer, wobei die vielen geschlossenen Geschäfte von einem totalen Einkommensverlust zeugen.

Angesichts dieser Zahlen ist es kein Wunder, dass die soziale Lage sich verschlechtert hat, und die Regierung dabei überfordert ist. Eine soziale Explosion, mit Zerstörungen u.a. Gewalterscheinungen, wurde bisher verhindert, weil die Regierung sehr viel Geld unter den Armen verteilt, in bar und in Form von Nahrungsmitteln, was die Armen nicht verlieren wollen. Sie treten zwar massenweise auf der “9 de Julio” auf, aber doch eher geordnet. In der Vorwoche erfuhren wir, dass die meisten Anwesenden dort waren, weil sie mit dem Verlust ihrer direkten Subvention bedroht wurden, die von bestimmten Politikern abhängt, die diese Gruppen anführen. Es erscheint merkwürdig, dass die Regierung diesen Politikern erlaubt, mit Regierungsgeldern eine Kundgebung gegen die Regierung zu organisieren. Auch das zeugt davon, dass die Regierung nicht weiß, wo sie steht und was sie machen soll.

Die Zeichen für die unmittelbare Konjunkturentwicklung sind nicht gut, und es kommen immer mehr negative hinzu. Der anormal niedrige Wasserstand des Paraná-Flusses bremst und verteuert den Export von Getreide, Ölsaaten und deren verarbeiteten Produkten. Außerdem fehlt in weiten Gegenden der feuchten Pampa Regen, was sich auf die Ernteaussichten auswirkt. Es wird ein sogenanntes “La Niña-Phänomen” erwartet, bei dem die warme Meeresströmung im Pazifischen Ozean sich von der südamerikanischen Küste entfernt, und somit weniger Wasser verdunstet und es im Endeffekt weniger in Argentinien regnet.

Hinzu kommt noch ein zunehmendes Staatsdefizit, wegen stark gestiegener Subventionen für den Energiebereich (Strom und Gas), Gehaltserhöhungen im öffentlichen Bereich (die jetzt im ganzen Jahr 45% summieren sollen, statt bisher 32%), und allerlei politisch bedingter Ausgaben. Die ZB hat mit einem Leliq-Bestand von $ 4 Bio., gut 30% über der monetären Basis, eine Grenze erreicht, so dass diese Finanzierungsform kaum noch möglich ist, und somit das Defizit der Staatsfinanzen mit reiner Geldschöpfung gedeckt wird. Hinzu kommt das eigene finanzielle Defizit der ZB, wegen des hohen Zinsbetrages, den die Leliq verursachen, der auch mit Geldschöpfung gedeckt wird. Wenn man zum ausgewiesenen finanziellen Defizit des Schatzamtes, das der ZB und auch den ZB-Gewinn hinzufügt (der rein buchmäßig ist, weil er auf der Aufwertung in Pesos der ZB-Reserven beruht, aber als echte Staatseinnahme gebucht wird), gelangt man für dieses Jahr auf ein echtes Gesamtdefizit der Staatsfinanzen von über 10% des BIP. Und das ist zu viel, umso mehr, als keine Möglichkeit besteht, es durch Verschuldung zu decken, so es eine sehr hohe Geldschöpfung herbeiführt. Dies treibt zunächst den Wechselkurs in die Höhe, und dann auch die Inflation, mit der Gefahr, dass es zur Hyperinflation kommt.

Was gegenwärtig vor sich geht, ist in Grunde eine selbstgemachte Tragödie. Objektiv gesehen ist die Lage nicht so schlimm, und die Überwindung der Krise ist relativ einfach, wie wir es im zweiten Artikel dieser Wirtschaftsübersicht darstellen. Würde der Präsident genau das machen, was wir vorschlagen, wäre der Skandal wegen des Festes in Olivos bald überwunden, und er würde durch Taten zeigen, dass er und nicht Cristina, regiert. Doch kaum jemand hält Alberto Fernández für fähig, so vorzugehen. Er ist eben ein schwacher Präsident, nicht weil er verbotene Feste macht und weil ihn Cristina wie einen Schuljungen schilt, sondern weil ihm die Überzeugung fehlt und er Entscheidungen scheut, wie sie Menem 1990 in einer tiefen Krise, mit Hyperinflation, getroffen hat.


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