Von Juan E. Alemann
In diesen Zeiten der totalen Ratlosigkeit, sowohl in der Regierungsstruktur wie auch allgemein in der Gesellschaft und der Politik, wird stets auf die Notwendigkeit eines Wirtschaftsplanes hingewiesen, den sich jedoch jeder konkret anders vorstellt, sofern überhaupt nur eine vage Vorstellung über einen Wirtschaftsplan besteht. Regierende und Politiker wissen jedoch, das ein Plan, der sinnvoll ist und zur Überwindung der kritischen Lage beiträgt, Maßnahmen enthält, die politisch schlecht ankommen. Und das hemmt sie, in diese Richtung zu gehen.
Indessen können viele Entscheidungen getroffen werden, die zur Überwindung der komplexen Lage beitragen, und keine echten politischen Kosten haben. Fangen wir mit der Außenpolitik an. Wenn Argentinien klar Stellung gegen die Diktaturen bezieht, die in Venezuela, Kuba und Nicaragua bestehen, so wäre das ein Zeichen der Vernunft und der Zusammenarbeit mit der großen Welt. In Kuba hat der Kommunismus, der 1959 eingeführt wurde, jämmerlich versagt, und in Venezuela hat die unter Chávez eingeleitete und von Maduro fortgesetzte Wirtschaftspolitik ein reiches Land in eine wahre Katastrophe geführt. Die Distanzierung zu diesen Ländern schafft nicht nur eine bessere Beziehung zu den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und vielen anderen Staaten, der guten Willen bei allerlei Entscheidungen bedeutet, den Argentinien dringend benötigt, sondern sie beseitigt auch intern die latente Gefahr, dass Argentinien den gleichen Weg wie Venezuela begeht. Das allein trägt dazu bei, die Stimmung zu verbessern und der Regierung mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, was unerlässlich für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist. Kuba und Venezuela sind für Argentinien wie schwarze Gewitterwolken am Horizont, die langsam auf uns zukommen.
Als zweites kann ein Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds kurzfristig (im Januar?) abgeschlossen werden. Der Fonds ist bereit, die hohen Zahlungen, die für 2022 vorgesehen sind, zu strecken. Die IWF-Fachleute wussten schon 2018, als sie das bestehende Standby-Abkommen redigiert haben, dass das Abkommen in ein langfristiges Programm, benannt “Extended facilities” umgewandelt werden müsste. Eigentlich hätte es von Anfang an ein Programm dieser Art sein sollen; aber dazu fehlte die Zeit für eine Verhandlung, da Argentinien damals kurz vor einem Default stand, den der Fonds vermeiden wollte.
Gewiss muss die Regierung bei einem Abkommen mit dem IWF konkrete Maßnahmen ergreifen oder sich dazu verpflichten. Es bestehen viele Möglichkeiten, die Staatsausgaben zu senken, ohne dabei großes Aufsehen zu erregen. Auch könnte eine Einfrierung der im staatlichen Bereich freiwerdenden Stellen verfügt werden. Das würde keinem Staatsangestellten schaden, aber, wenn es den Bundesstaat, die Provinzen und die Gemeinden umfasst, die staatliche Belegschaft um gut 100.000 Personen pro Jahr verringern. Eine Maßnahme dieser Art wurde zum letzten Mal 1975, unter der Regierung von Isabel Perón getroffen. Unter der Militärregierung wurde sie abgeschafft, weil sie nicht notwendig war, da Löhne und Gehälter im staatlichen Bereich viel niedriger als im privaten waren, und Vollbeschäftigt bestand, und somit viele Staatsangestellte zurücktraten und auf private Beschäftigungen übergingen.
Das Abkommen mit dem IWF muss von einer Ankündigung einer Reihe von Investitionen begleitet werden, die von ausländischen Banken finanziert werden und nur auf das Fondsabkommen warten, damit das politische Risiko (bei Hermes, Coface. u.s.w.) versichert werden kann. Wir wissen von mehreren Projekten, aber es gibt noch viele mehr. Eine Liste von 20 oder mehr Projekten, die sofort in Gang gesetzt werden, würde eine heftige Reaktion gegen Fondskritiker auslösen, und sie schließlich zwingen, zu schweigen. Denn die Projekte, um die es geht, führen zu Wachstum, Lösung bestehender Probleme und mehr Beschäftigung.
Auch das Wechselkursproblem könnte ohne Konflikt gelöst werden, wie wir es an dieser Stelle wiederholt vorgeschlagen haben. Angeblich befürwortet Wirtschaftsminister Guzmán jetzt diese Lösung, aber ZB-Präsident Pesce (ein Bürokrat, wie er im Buche steht) sträubt sich dagegen. Es muss außer dem offiziellen Markt einen legalen freien Markt geben, auf dem Kapitaltransaktionen, Ausgaben von Touristen u.a. im Land und von Argentiniern im Ausland unbeschränkt abgewickelt werden können. Dies müsste jedoch mit gezielten periodischen Weißwaschungen verbunden werden, damit Devisenangebot geschaffen und der Kurs gedrückt wird, so dass die Differenz zum Kurs, über den der Außenhandel abgewickelt wird, auf ein tragbares Ausmaß sinkt. Als erstes müssten Dollardepositen bei Banken, die während eines Jahres nicht abgehoben werden, automatisch weißgewaschen werden. Und dann müsste den Banken erlaubt werden, Kredite für interne Geschäfte in Dollar zu erteilen (was gegenwärtig verboten ist). Als zweiter Schritt müsste eine Dollarweißwaschung von Arbeitskapital von Unternehmen verfügt werden. Das Maßnahmenpaket, das wir hier empfehlen, hat überhaupt keine politischen Kosten, sondern wirkt im Gegenteil positiv auf die Stimmung der Gesellschaft, und auch als Aufschwungsimpuls auf die Wirtschaft.
Schließlich müsste noch das Entlassungssystem geändert werden, wie wir es letzte Woche an dieser Stelle beschrieben haben. Das würde sofort dazu führen, dass viele Arbeitslose beschäftigt werden. Auch das würde von der Gesellschaft positiv aufgefasst werden.
Es gibt gewiss noch mehr Maßnahmen dieser Art. Aber mit den hier aufgeführten genügt es. So weit wie möglich sollten die Maßnahmen sofort erlassen werden, was in vielen Fällen durch einfachen Beschluss erfolgt, in anderen ein Notstandsdekret erfordert und in anderen ein Gesetz. In diesem letzten Fall muss sich die Regierung mit der Opposition verständigen, was nicht so schwierig sein sollte. Komplizierter könnte es sein, die Zustimmung bestimmter Gruppen der eigenen Partei zu erhalten. Doch jetzt, da Cristina sehr geschwächt ist, dürfte auch dies einfacher sein.
Wenn alle Maßnahmen gleichzeitig getroffen werden (oder in kurzen Abständen), dann entsteht eine große Diskussion, die von den strukturellen Grundproblemen ablenkt und eventuell erlaubt, auch an diese heranzugehen. Z.B. könnte das System der sogenannten paritätischen Lohnverhandlungen in eine Dreierverhandlung umgewandelt werden, bei der auch ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums mitmacht, mit Stimmrecht, der sich Lohnzunahmen widersetzt, die auf die Preise abgewälzt werden oder Subventionen erfordern. Je nach dem, wie sich die Lage entwickelt, kann man weitere Maßnahmen ergreifen oder zeitweilig auf die Bremse treten.
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