Von Juan E. Alemann
Die Koalition der radikalen Partei (UCR) mit dem Pro, der Partei, die von Mauricio Macri geschaffen wurde und geleitet wird, und der Coalición Cívica von Elisa “Lilita” Carrió, entstand 2015 unter dem Namen “Cambiemos” (ab 2019 in “Juntos por el cambio” umgetauft) nur, weil es die einzige Möglichkeit war, die Wahlen gegen den Kirchnerismus zu gewinnen. Im Radikalismus bestanden damals große Bedenken gegenüber Macri, wobei viele traditionelle Parteimitglieder den ideologischen Gegensatz hervorhoben. Denn im Wesen ist die UCR eine sozialdemokratische Partei, während PRO eine liberal-konservative ist. Die Coalición Cívica stellt die Ethik in den Vordergrund und hat sich vom ideologischen Konflikt zwischen UCR und PRO ferngehalten. Dennoch hat Lilita intensiv für die Koalition gearbeitet. Im UCR-Lager war Ernesto Sanz entscheidend, der großes Ansehen in der Partei genoss, sich aber nachher von der Politik zurückzog und sogar das Angebot von Macri, das Justizministerium zu übernehmen, ablehnte.
Für die Wahlen vom Dezember 2023 stellt sich jetzt das gleiche Problem, bei dem schon ein Konfliktfall aufgetreten ist. Der ultraliberale Javier Milei, der einen unerwartet großen Erfolg in der Bundeshauptstadt erreicht hat, nimmt hauptsächlich der Oppositionskoalition Stimmen. Das wirft die Frage auf, ob er eventuell in die Koalition aufgenommen werden sollte. Die Radikalen sind prinzipiell dagegen, auch weil Milei sie arg beschimpft hat, aber Macri äußerte, dass er in vielen Aspekten mit Milei einverstanden sei. Ohnehin kann man erwarten, dass Milei seine extreme Position beiseite lässt und ein normaler Liberaler wird, wenn er an einer zukünftigen Regierungskoalition teilnimmt. Beim Liberalen José Luis Espert liegt der Fall ähnlich.
Die Beibehaltung der Koalition, ohne Risse und interne Widersprüche, ist unerlässlich, um die Wahlen zu gewinnen. Doch danach muss der ideologische Konflikt in rationelle Bahnen gelenkt werden, um regieren zu können. Das Beispiel der gegenwärtigen Regierungskoalition “Front für alle”, die aus traditionellen Peronisten und Kirchneristen besteht, die stark zerstritten sind, sollte für Ideologen in der Koalition “JxC” abschreckend wirken.
Die Bedeutung der Ideologien ist weltweit in den Hintergrund gerückt. Es geht in Argentinien an erster Stelle um gute Verwaltung, ohne Korruption, wie sie den Kirchnerismus kennzeichnet. Dann handelt es sich um Rationalität, Festsetzung von Prioritäten, Vermeidung der Vergeudung öffentlicher Gelder, und schließlich, um ein Gleichgewicht zwischen Marktwirtschaft und Sozialpolitik. Das wirtschaftliche Wachstum darf nicht durch die Last des Staates und seine Intervention behindert werden, aber die Sozialpolitik kann nicht vernachlässigt werden, besonders bei der bestehenden Lage nicht.
Ebenfalls ist die Senkung der Inflation auf eine einstellige Zahl, wenn möglich eine ganz niedrige, ein gemeinsames Ziel, das besonders jetzt an oberster Stelle steht, sowohl im linken wie im rechten Spektrum der Politik. Die Ausmerzung des Defizits der Staatsfinanzen ist kein ideologisches Problem, sondern eine Notwendigkeit, aus dem einfachen Grund, dass das Defizit eine beschränkte Finanzierung hat. Denn Kredite, die das Defizit decken, gibt es nur von internationalen Finanzanstalten und Förderungsbanken, und die Geldschöpfung ist beschränkt, weil sonst die Inflation ausufert.
Die Koalitionspartner der Opposition sollten sich bemühen, die Probleme, die die wirtschaftliche Wirklichkeit aufwirft, zu diskutieren und ihre ideologischen Vorurteile beiseitezulassen. In Deutschland arbeiten schließlich Sozialdemokraten mit Grünen und Liberalen auf dieser Basis sehr gut zusammen.
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