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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die mehrfache Defaultgefahr

Von Juan E. Alemann

Als im Juni die Verhandlung mit den Inhabern von Titeln abgeschlossen wurde, die auf Dollar lauten und der US-Gerichtsbarkeit unterstehen, hieß es unterschwellig, dass das Finanzproblem gelöst war und es keine Defaultgefahr mehr gäbe. Gewiss fehlte noch die Umschulung des Betrages von u$s 44 Mrd., den Argentinien dem Internationalen Währungsfonds schuldete, der faktisch nicht so amortisiert werden konnte, wie es vorgesehen war. Doch nachdem der Fonds keinen Default fordert und stets bereit ist, die Rückzahlung hinauszuschieben, stellt dies grundsätzlich kein Problem dar. Der Fonds, der keine Bank und kein Investmentfonds ist, sondern eine Hilfsanstalt für Länder, die in Zahlungsbilanzkrisen geraten sind oder Gefahr in diesem Sinn laufen, wird schließlich nur fordern, was die argentinische Regierung ohnehin tun muss, nämlich die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen und das Defizit stark zu beschränken. Und dabei gibt der IWF dem Wirtschaftsminister Rückendeckung und entlastet ihn von der politischen Verantwortung.

Doch inzwischen sind viele weitere Schuldenprobleme aufgekommen. Zunächst handelt es sich um die Schuld, die gegenüber Inhabern von Staatstiteln besteht, die der argentinischen Gerichtsbarkeit unterstehen. Der größte Teil davon befindet sich in ausländischen Händen. Hier haben die Gläubiger eine schwache Stellung, weil sie von argentinischen Richtern nicht viel erwarten können. Man kann somit davon ausgehen, dass diese Schulden umgeschuldet werden.

Hinzu kommen dann die Auslandsschulden der Provinzen, die insgesamt u$s 12,8 Mrd. ausmachen. 4 Provinzen befinden sich seit vier Monaten im faktischen Defaultzustand, wobei die Gläubiger noch keine Klage vor Gericht eingeleitet haben, so dass der Default formell nicht eingetreten ist. 5 Provinzen haben schon ein Umschuldungsabkommen abgeschlossen: Chubut (u$s 650 Mio.), Neuquén (u$s 700 Mio.), Rio Negro (u$s 300 Mio.), Mendoza (u$s 530 Mio.) und Córdoba (u$s 1,7 Mrd.). Buenos Aires und und sechs weitere Provinzen verhandeln noch über einen Betrag von u$s 2,6 Mrd.

Die Nationalregierung überwacht die Verhandlungen, und will dabei vermeiden, dass die Provinzen bei der Erneuerung der Schulden sich zu hohen Zinsen verpflichten. Was die Stellung Argentiniens gegenüber dem Ausland betrifft, so werden diese Schulden der Provinzen zur Schuld des Nationalstaates addiert. Ein einziger Provinzdefault, mit Klage vor Gericht, bedeutet ein Default für den Bundesstaat. Und dann wird alles viel komplizierter.

Hinzu kommt dann die Schuld gegenüber dem Pariser Klub. Es handelt sich um Schulden gegenüber Staaten, die entstanden sind, als Kredite, mit denen Kapitalgüterlieferungen fortgeschrittener Länder finanziert wurden, nicht bezahlt wurden. Da diese Kredite von staatlichen Anstalten (wie die deutsche Hermes, die französische Coface, u.a.) versichert waren, ist die Forderung auf die Staaten übergegangen. Diese Schuld war schon 2014 umgeschuldet worden, als Kicillof Wirtschaftsminister war. Im Mai ist ein Amortisationsbetrag von u$s 2,4 Mrd. fällig, den Argentinien nicht zahlen kann. Es ist anzunehmen, dass es eine neue Umschuldung geben wird, oder dass ein faktischer Defaultzustand hingenommen wird. Denn eine Klage vor Gericht würde einen formellen Default herbeiführen, der sich dann auf alle anderen argentinischen Schulden ausdehnt.

Jetzt ist noch der Fall von YPF hinzugekommen, der nicht einfach ist. Es handelt sich um einen Schuldbetrag von u$s 6,2 Mrd., der umgeschuldet werden muss, weil YPF die vorgesehenen Amortisatonsraten nicht zahlen kann. Der Umschuldungsvorschlag von YPF wurde von den Hauptgläubigern, die Investmentfonds Fidelity und BlackRock, abgelehnt, dann verbessert und danach zum zweiten Mal abgelehnt. Einen dritten Vorschlag hat nur Fidelity (mit 30% der Gesamtforderung) angenommen. Angeblich soll es schließlich doch zu einer Einigung kommen, nachdem YPF die Offerte noch einmal verbessert hat. Zunächst ist eine Zahlung von u$s 413 Mio. am 23.März 2021 fällig, bei der die ZB nur u$s 165 Mio. zulässt, nachdem sie bestimmt hat, dass alle Unternehmen, die über u$s 1 Mio. schulden, unmittelbar nur 40% zahlen können.

Wenn YPF eine verfallene Schuld nicht zahlt, und die Gläubiger Klage vor Gericht einleiten, dann müsste YPF einen Konkurs vor Gericht (auf spanisch quiebra) beantragen und die Gläubiger einberufen. Dabei würde es zu einer neuen Verhandlung kommen. Man kann sich schwer vorstellen, dass die Regierung und die Gläubiger es auf einen Konkurs ankommen lassen. Die gegenseitigen Beschuldigungen für die Verantwortung für dieses finanzielle Schlamassel, die in den letzten Tagen unter hohen Beamten vorgebracht wurden, tragen nicht zur Lösung bei. Die Nationalregierung muss schließlich eingreifen und bei der Verhandlung mit den Gläubigern mitmachen.

Die verschiedenen Verhandlungen über Umschuldung, die gegenwärtig laufen, hängen im Grunde zusammen. Wenn es in einem Fall zu einem Default kommt, dann übertragt sich dies auf alle anderen. Man kann nicht einzeln und ohne ein Gesamtkonzept verhandeln. Im Grunde müssten alle Verhandlungen in die mit dem Internationalen Währungsfonds eingeschlossen werden, so dass es zu einer Gesamtlösung kommt. Denn schließlich benötigt Argentinien für die Überwindung dieser Probleme die Zustimmung der großen Staaten, die beim IWF entscheiden, aber auch direkten Einfluss auf private Gläubiger ausüben können. Und das erfordert an erster Stelle, dass Argentinien bei seiner Außenpolitik mit den großen Staaten der Welt mitmacht, und die Unterstützung von Ländern wie Venezuela und Kuba bei Seite lässt. Das Schuldenproblem Argentiniens ist so groß und so komplex , dass es schlicht unverantwortlich ist, es alleine lösen zu wollen.

Solange diese schwarzen Gewitterwolken über Argentinien liegen, wird das Land kaum frische Kredite erhalten. Das konnte auch Kredite der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank einschließen, ebenfalls Kredite chinesischer u.a. Banken, die an besondere Investitionsprojekte gebunden sind. Im Fall von China ist jetzt von einem Kreditbetrag von u$s 30 Mrd. die Rede, der jedoch erst nach Bereinigung des bestehenden Schuldenproblems konkrete Formen annehmen würde. Ohne all diese Kredite, wird die Zahlung der Schulden noch schwieriger. Im Jahr 2020 ist die gesamte Staatsschuld um u$s 13 Mrd. auf u$s 336 Mrd. gestiegen. Wenn jetzt keine weitere Zunahme möglich ist, dann muss der Staat in höherem Umfang zur Geldschöpfung greifen, um das Defizit zu finanzieren. Und das ist äußerst gefährlich.

Die ZB hat kaum noch flüssige Reserven, die sie für die Verwaltung des Wechselkurses einsetzten kann. Einige Wirtschaftler weisen darauf hin, dass die ZB-Devisenreserven in Wirklichkeit schon negativ sind, was bedeutet, dass sie Mittel eingesetzt hat, über die sie nicht verfügen darf, wie die Dollardepositen der Banken, die bei der ZB deponiert werden. Diese Lage macht das ganze Schuldenproblem noch dramatischer.


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