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Die mächtige Minderheit

Wer über die Ära nach Boris Johnson bestimmt
Grossbritannien
Mitglieder der konservativen Partei bei einem Wahlkampftermin in Cheltenham. (Foto: dpa)

Cheltenham (dpa) - Als Boris Johnson eingeblendet wird, bricht Jubel aus. Die Mitglieder der britischen Tory-Partei, die sich im englischen Cheltenham ein Bild von den Kandidaten für die Nachfolge des scheidenden „Partygate“-Premiers machen wollen, dürfen erst einmal in Erinnerungen an bessere Zeiten schwelgen. Ein auf großen Leinwänden übertragenes Video fasst die Höhepunkte der letzten Jahre zusammen - zumindest aus Sicht der konservativen Partei: Die überwältigende Mehrheit von 80 Sitzen, die Johnson ihnen mit seinem Wahlsieg vor drei Jahren beschert hat, wirkt Dutzende Skandale später wie aus einem anderen Zeitalter. Doch die alte Boris-Begeisterung flammt leicht wieder auf. Nicht umsonst galt dieser in seinen Reihen als Wahlkämpfer lange als alternativlos.

Zurück im Hier und Jetzt haben die rund 160.000 Mitglieder der konservativen Partei in diesen Wochen die Wahl: Von wem wollen sie in Zeiten, in denen immer mehr Menschen ihre explodierenden Energierechnungen nicht mehr bezahlen können, in Europa ein Krieg tobt und in weiten Teilen Englands der Dürre-Notstand herrscht, regiert werden? Von Liz Truss (47), die trotz allem unmittelbare Steuergeschenke verspricht und sich als Margaret Thatcher des 21. Jahrhunderts inszeniert? Oder von Rishi Sunak (42), vormals Finanzminister und nun selbsterklärter Mann der unbequemen Wahrheiten, der erst die Inflation unter Kontrolle bringen will?

Viele haben ihre Entscheidung schon gefällt. Die Sitzreihen in Cheltenham sind gespickt mit Entschlossenen, die „Liz for Leader“-T-Shirts tragen oder „Ready for Rishi“-Plakate in die Höhe halten. Fragt man die Unentschiedenen, geht die Tendenz oft Richtung Truss, die in den parteiinternen Umfragen seit Wochen weit vorn liegt. Doch „Team Rishi“ will sich nicht geschlagen geben. Bis Anfang September ist noch Zeit, online oder per Post abzustimmen.

Die südwestenglische Grafschaft Gloucestershire, in der auch Cheltenham liegt, gehört zu den wohlhabenden Gegenden Englands. Trotzdem sind es die steigenden Kosten für Energie und Lebensmittel, die hier viele am stärksten umtreibt - gefolgt von der starken britischen Unterstützung für die Ukraine, von der etliche sich trotz ihrer Auswirkungen auf die Kosten wünschen, dass sie anhält.

Dass für große Teile Englands offiziell eine Dürre ausgerufen wurde, ist drinnen kaum Thema. Auch dass die Kinderarmut besonders im Norden Englands stetig zunimmt, findet kaum Erwähnung. Truss und Sunak sprechen in diesen Wochen zu einem Publikum, das meist älter, weiß und mehrheitlich männlich ist. Es zählt, was bei diesem Publikum punktet. Truss versichert, Großbritanniens beste Tage lägen noch vor dem Land.

Die Mitglieder der Tories machen nicht einmal ein halbes Prozent der Wahlberechtigten im Vereinigten Königreich aus. Fühlt man sich mächtig, dazu zu gehören? Nein, nein, bei der Labour-Partei würde dieser Prozess ja genauso ablaufen, winken viele ab. Die Partei wähle ihre Führung und der Sieger werde dann eben auch Premier.

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