Von Juan E. Alemann
Die Wahlen vom Sonntag haben erneut die Enttäuschung der Bevölkerung gegenüber dieser Regierung zum Ausdruck gebracht. Doch diese Ohrfeige bietet der Regierung gleichzeitig eine Chance, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen und die Lage wieder einzurenken. Präsident Alberto Fernández muss es nur so wollen. Die effektive Leistung der neuen Etappe sollte er dem Kabinettschef Juan Luis Manzur überlassen, der eine pragmatische und realistische Vorstellung über Wirtschaft und Gesellschaft hat, zu der auch seine Eigenschaft als Unternehmer beiträgt. Er besitzt u.a. das Olivenunternehmen Nucete, in La Rioja. Außerdem ist er ein Mann mit Charakter und einem klaren Machtbewusstsein, das er gleich nach seiner Ernennung gezeigt hat.
Danach hat er sich in der Hintergrund verzogen, wohl um den Wahlprozess nicht zu stören. Aber er verwendete die Zeit für eine Blitzreise nach den Vereinigten Staaten, um sich dort vorzustellen. Laut dem argentinischen Botschafter Jorge Argüello hat er einen guten Eindruck hinterlassen. Argentinien braucht gute Beziehungen zu den USA, und das ist Manzur bewusst, wie es auch Menem klar war, aber nicht den Kirchners, die der marxistischen Imperialismustheorie huldigten und sich bemühten, einen Staatenbund gegen die USA zu organisieren. Was ihnen zum Glück gründlich misslungen ist. Angeblich gab es Friktionen zwischen dem Präsidenten und seinem Kabinettschef. Alberto wäre gut beraten, wenn er Manzur stützt, selber in den Hintergrund rückt und seine Rolle als Präsident neu gestaltet. Mit Manzur kann er seine verlorene Glaubwürdigkeit wiedergewinnen.
Präsident Alberto Fernández hat gleich nach Abschluss der Sonntagwahlen bekanntgegeben, dass er ein Gesetz im Kongress einbringen werde, das sich auf die Grundlagen für ein Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds bezieht. Er hat auch wissen lassen, das er seinen Wirtschaftsminister Martín Guzmán stützt. Es wäre gewiss Wahnsinn den Unterhändler mitten in der Verhandlung zu ändern. Aber eventuell könnte ihm mit einem zweiten Unterhändler geholfen werden, der die Schwächen von Guzmán ausgleicht. Am besten wäre es, wenn die Opposition diesen zweiten Unterhändler stellt, z.B. in der Person von Alfonso Prat Gay oder Hernan Lacunza. Die Koalition JxC (Zusammen für den Wechsel), sollte dies anbieten. Eine Verhandlung, bei der Regierung und Opposition gemeinsam auftreten, wäre ein Reifezeichen für Argentinien, das sich allgemein positiv auswirken würde. Es ist auf alle Fälle sehr wichtig, dass der Präsident die Einigung mit dem Fonds in den Vordergrund gestellt hat. Die Kirchneristen, besonders der harte Kern der Cámpora-Gruppe, wollen im Grund kein IWF-Abkommen. Denn sie widersetzen sich der sogenannten “Anpassung” (“ajuste”), die ein Opfer für die Bevölkerung darstellt. Doch ohne Abkommen vertieft sich die Krise, und das Opfer wird schließlich unverhältnismäßig größer als bei einer geordneten Politik. Was der Fonds schließlich fordert, ist eine Verringerung des primären Defizits. Das erfordert auch konfliktive Maßnahmen, die in die Kategorie der “Anpassung” gehören. Doch mit Geschicklichkeit können sie weniger konfliktiv dargestellt und gestaltet werden. Aber viele andere Maßnahmen sind nicht konfliktiv. Im zweiten Artikel dieser Wirtschaftsübersicht weisen wir auf diese Möglichkeiten hin. Dabei sollte man davon Abstand nehmen, einen detaillierten Wirtschaftsplan aufzustellen und Verhandlungen aufzunehmen, zunächst innerhalb der Regierungskoalition, und dann mit der Opposition, den Gewerkschaften, den Unternehmerverbänden u.a. Gruppen. Das würde die Entscheidungen verzögern und auch behindern. Die Regierung muss einfach vorgehen, allerdings mit einer klaren Richtung. Es ist wie in einem Lied des Sängers Joan Manuel Serrat, in dem er sagte: „Es gibt keinen Weg, man macht den Weg, indem man ihn begeht” (“Caminante, no hay camino, se hace camino al andar”). So haben es seinerzeit Präsident Menem und sein Wirtschaftsminister Cavallo getan, und sie waren dabei sehr erfolgreich. Menem und Cavallo überraschten die Öffentlichkeit mit einer wichtigen Maßnahme oder Privatisierung nach der anderen, so dass die politische Diskussion hinter den Ereignissen zurückblieb. So sollte man es auch jetzt machen.
Die Frage, die jetzt ganz in den Vordergrund rückt, ist die, ob Alberto Fernández eine Persönlichkeit aufweist, die er bisher nicht gezeigt hat. Er ist gewiss kein dummer Mensch, aber es fehlt ihm Überzeugung, Verständnis der Wirtschaft und der weltweiten Konstellation, und auch Charakter. Deshalb ist es wichtig, dass er sich auf Manzur stützt und ihm die Rolle eines Premierministers einräumt. Ohnehin muss Manzur schon die Rolle des Wirtschaftsministeriums übernehmen. Denn Guzmán ist nur ein Finanzminister, aber die einzelnen Bereiche der Wirtschaft unterstehen anderen Ministern, die gemäß dem ursprünglichen Schema des Wirtschaftsministeriums Staatssekretäre wären. Manzur muss die Politik des Finanzministeriums (das fälschlicherweise Wirtschaftsministerium benannt wird), mit der des Produktionsministeriums, des Landwirtschaftsministeriums, des Infrastrukturministeriums, des Transportministeriums, des Energiesekretariates und des Arbeitsministeriums koordinieren.
Es wäre wichtig, dass die Regierung sich bemüht, die wirtschaftliche Lage richtig darzustellen, ohne den Pessimismus, der der argentinischen Gesellschaft innewohnt, und auch ohne den üblichen Unfug zu verzapfen. Einmal sollte darauf hingewiesen werden, dass das Bruttoinlandsprodukt höher ist, als es angegeben wird. Das lässt sich leicht beweisen, indem eine Korrelation des BIP pro Kopf mit dem Konsum pro Kopf von vielen Gütern u.a. Daten aufgestellt wird. Im internationalen Vergleich fällt Argentinien völlig aus der Reihe, eben weil das offizielle BIP zu niedrig angegeben wird. Dann müsste auch bei der Staatsschuld die innerstaatliche Schuld und die langfristige Schuld gegenüber der Weltbank u,a. ausgeklammert werden. Die innerstaatliche Schuld existiert in Wirklichkeit nicht, und die langfristigen Kredite werden schrittweise abgebaut, so dass sie die Zahlungsbilanz kaum belasten. Schließlich müsste vermieden werden, nur die hohe Armut hervorzuheben (die auf alle Fälle in ihren Einzelheiten erklärt werden sollte, um sie als soziales Problem zu entschärfen), sondern auch die zahlreichen Zeichen des Wohlstandes und der positiven Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Die Regierung muss sich bemühen, der Bevölkerung, und vor allem den Jugendlichen, eine Hoffnung zu geben. Es gibt in Argentinien gewiss viele intelligente und gut ausgebildete Menschen, die für dies verpflichtet werden könnten. Auch wenn sie weder Kirchneristen noch Peronisten sind.
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