Wie das Fatigue-Syndrom den Alltag erschwert
Leipzig/Jena (dpa/tmn) - Die Übersetzung aus dem Französischen macht schon klar, worum es geht: „Fatigue“ bedeutet Müdigkeit. Doch wer vom Fatigue-Syndrom betroffen ist, der braucht mehr als nur etwas Ruhe.
„Fatigue ist definiert als pathologische Erschöpfung und Erschöpfbarkeit, die sich den üblichen Erholungsstrategien verschließt“, erläutert Sabine Herzig, die als Fachärztin für Neurologie an der Tagesklinik für Kognitive Neurologie des Leipziger Uniklinikums arbeitet. Aspekte wie gesunder Lebensstil, erholsamer Schlaf und angemessene Pausen führen hier nicht dazu, dass der Energiemangel grundsätzlich behoben wird, so die Expertin.
Das heißt: Die Betroffenen leiden unter einem dauerhaften Erschöpfungsgefühl, gleichzeitig führen selbst Aufgaben des Alltags zu einer schnellen Abgeschlagenheit. „Es fällt den Patienten schwer, Anforderungen über einen längeren Zeitraum zu erfüllen - das können auch Unterhaltungen, Haushaltstätigkeiten oder leichte sportliche Aktivitäten sein“, sagt Herzig.
Die Ursachen dafür liegen in der Regel in vorangegangenen Krankheiten: „Wir beobachten es bei Patienten nach schweren Erkrankungen“, sagt Sabine Köhler, Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Nervenärzte. „Das starke Erschöpfungsgefühl entwickelt sich nicht zurück, sondern bleibt als Beschwerde bestehen.“ Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie erlebt eine Fatigue häufig bei Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose oder nach Krebserkrankungen mit einhergehender Therapie.
Liegt eine Fatigue vor, lässt sich diese nicht einfach mit einer medizinischen Behandlung beheben: „Zuerst einmal muss man anerkennen, dass diese Erkrankung da ist und die eigenen Erwartungen daran anpassen“, sagt Köhler.
Anstatt so funktionieren zu wollen wie vorher, empfiehlt sie eine Bestandsaufnahme: „An welchen Stellen ist es mir wichtig, Leistung zu erbringen und wo ist es nicht so wesentlich?“ Kraftraubende Arbeiten oder Ziele könnte man so erst mal ein Stück zurücktreten lassen.
Für Betroffene sei es ratsam, ihr Leben um das Fatigue-Syndrom herum einzurichten, sagt Köhler. „Wichtig ist es, dass man eine moderate Anstrengung anstrebt, um die Leistungsfähigkeit langsam wieder zu steigern, ohne den Körper zu überfordern“, so die Expertin. Ob die Fatigue verschwindet oder ein dauerhafter Lebensbegleiter bleibt, ist unterschiedlich. Die allermeisten Patienten finden zwar in ihre Lebenssituation zurück, „aber auf einem anderen Leistungsniveau“.
Von einer Fatigue nach einer schweren Erkrankung abzugrenzen, ist das Chronische Fatigue-Syndrom. Bei diesem eigenständigen Krankheitsbild kommen zur Erschöpfung noch körperliche Symptome wie Hals-, Muskel- oder Kopfschmerzen hinzu.
Per Definition liegt das mit CFS abgekürzte Syndrom erst nach einem Verlauf von mindestens sechs Monaten vor. „Hierbei handelt es sich in der Regel um eine postvirale Komplikation“, sagt Herzig. Oft tritt das CFS sehr plötzlich auf, die Krankheit schränkt die Lebensqualität unerwartet und sehr stark ein.
Worunter Fatigue-Symptome nach einer Corona-Infektion fallen, ist aktuell noch Gegenstand der Forschung. „Fatigue kann im Rahmen eines Post-Covid-Syndroms auftreten. Bei den meisten werden die Beschwerden nach einigen Wochen oder Monaten abklingen“, sagt Herzig. Jene Patientinnen und Patienten sind nach Meinung der Neurologin nicht den beiden erklärten Varianten zuzuordnen.
„Es wird aber durchaus Betroffene geben, die eine chronische Fatigue entwickeln, wie wir es nach anderen schweren Infektionen kennen, und für die dann das zuvor Berichtete zutrifft“, so Herzig.
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