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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die komplexe Verhandlung mit dem IWF

Von Juan E. Alemann

Eine erste Entscheidung, bestehend in einem baldigen Abschluss eines Umschuldungsabkommens mit dem Internationalen Währungsfonds, um einen neuen Default zu vermeiden, wurde schon getroffen. Präsident Alberto Fernández war von vornherein schon überzeugt, dass dies der einzig mögliche Weg sei. Bei der Vizepräsidentin Cristina hat es mehrere Monate gedauert, bis sie auch zu diesem Schluss gekommen ist. Es ist begreiflich, dass dies für sie nicht einfach war. Innerhalb ihrer Gruppe, die im Patria-Institut tätig ist oder in der Cámpora-Gruppe mitmacht, ist der Fall immer noch nicht klar. Pragmatiker stimmen mit der Regierungsentscheidung überein, aber die Ideologen spielen immer noch mit dem Gedanken, nichts zu zahlen und Argentinien von der Welt abzuschotten. Diese radikalisierten Kirchneristen, die die direkten Nachfolger der Montonero-Terroristen sind, treten letztlich für ein kommunistisches System ein, mit der jugoslawischen Variante, bei der Kleinunternehmen privat verblieben, aber in einer stark gelenkten Wirtschaft.

Präsident Fernández, hat unlängst versucht, den widerspenstigen Kirchneristen entgegenzukommen, indem er vom Fonds gefordert hat, er sollte erklären, warum er Argentinien diesen großzügigen Kredit erteilt hat, angeblich im Widerspruch zu seinen Statuten. Daraufhin hat der Fonds bekanntgegeben, er habe ohnehin vorgesehen, in Kürze eine ausführliche Erklärung über den Fall zu geben. Der Fonds hat bestimmt nichts zu verheimlichen. Im Wesen ging es darum, einen neuen Default zu vermeiden, und der argentinischen Regierung zu erlauben, die Staatsfinanzen zu ordnen. Das dies nicht gelungen ist, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Es hängt jedoch im Wesen damit zusammen, dass es weder Macri noch den Fernández gelungen ist, das chronische Defizit der Staatsfinanzen abzuschaffen.

Wirtschaftsminister Martín Guzmán neigt dazu, die zukünftige Entwicklung in Zahlen darzustellen, die jedoch mehr seinem Wunsch als der Realität entsprechen. Die Zahlen für 2022, die er dem Fonds schon übergeben hat, wurden von den Fachbeamten des Fonds beanstandet. Das fängt damit an, dass Guzmán eine Inflation von 33% vorwegnimmt, was nicht glaubhaft erscheint. Die privaten Ökonomen, die die ZB periodisch befragt, sind für 2022 auf durchschnittlich 52% gelangt. Wobei auch das optimistisch ist, wenn keine grundsätzlichen Maßnahmen getroffen werden, Wenn die Tarife öffentlicher Dienste erhöht werden, wie es der Fonds fordert, und auch andere Preise, die zurückgeblieben sind, dies aufholen, und ebenfalls stärker abgewertet wird als 2021, dann ist es unvermeidlich, dass dies im Preisindex zum Ausdruck kommt.

Guzmán hat für 2022 ein primäres Defizit von 3,3% des Bruttoinlandsproduktes vorgesehen. Doch wenn man Zinsen auf die Staatsschuld u.a. nicht berücksichtigte Ausgaben hinzuzählt, gelangt man auf 7%. Wir gelangen auf alle Fälle auf noch mehr, weil wir die Abhebung des ZB-Gewinnes nicht als laufende Einnahme buchen, sondern als ZB-Zuschuss, und auch das Defizit der ZB hinzuzählen. Der Minister will angeblich vom Defizit von 7% des BIP, 2 Prozentpunkte mit Geldschöpfung decken, 2,4% mit Verschuldung auf dem Finanzmarkt und 2,6 mit Krediten der Weltbank u.a. internationaler Finanzinstitute. Der IWF beanstandet diese Rechnung. Ohnehin ist die Verschuldung auf dem internationalen Finanzmarkt nicht möglich, weil dieser auf längere Zeit für Argentinien gesperrt ist. Was den lokalen Finanzmarkt betrifft, so ist er wegen Inflation und Abschöpfung von Mitteln durch den Staat auf ein unbedeutendes Ausmaß geschrumpft. Die Kredite internationaler Finanzinstitutionen stehen vorläufig nicht fest, und auch wenn Kredite in hohem Umfang gewährt werden, wie es Staatssekretär Gustavo Beliz in Aussicht gestellt hat, umfasst die Auszahlung im Jahr 2022 nur einen Teil des Betrages. Wenn geringere finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um das Defizit zu decken, muss dieses schließlich geringer sein. Oder es kommt zu einer Geldschöpfung von einem Umfang, der die Inflation in gefährliche Höhen treibt.

Der Wirtschafter Miguel Angel Broda, der großes Ansehen genießt, sieht (laut Information der Zeitung “Clarín” vom Sonntag) vor, dass der IWF ein primäres Defizit von bis zu $1,5 Bio. zulassen wird (die Fondsfachleute lassen die Berechnung in Prozenten des BIP zunächst bei Seite), und fordert dabei als Erstes eine starke Verringerung der Subventionen, an erster Stelle für Strom, Gas und Wasser, aber auch für Staatsunternehmen.

Der Fonds soll jedoch erlauben, Geldschöpfung für die Erhöhung der Devisenreserven der ZB durchzuführen. Auch der Fonds scheint überzeugt zu sein, das Argentinien ein relativ hohes Devisenpolster haben muss, um die Zahlungsbilanz verwalten zu können um einen eventuellen Kurssprung zu vermeiden. Wenn man bedenkt, dass die Lage gegenwärtig kritisch ist, obwohl die Landwirtschaft dieses Jahr über u$s 10 Mrd. mehr als im Vorjahr an Devisen eingebracht hat, versteht man die Sorge des IWF. Doch die Zunahme der Reserven erfordert grundsätzlich eine aktive Exportpolitik, die dieser Regierung schwer fällt, weil dies mit einer Verlagerung des Volkseinkommens von der Stadt aufs Land verbunden ist. Dass die bestehende Beschränkung des Rindfleischexportes 2022 beibehalten werden soll, geht gewiss in die falsche Richtung, ebenso wie die Beibehaltung des absurd hohen Exportzolls für Sojabohne und vieles mehr.

Nach dem, was bisher bekannt wurde, sind keine Maßnahmen vorgesehen, um die Staatsausgaben zu senken. Ein Beamtenabbau ist ohnehin nicht vorgesehen, nicht einmal eine Einfrierung der freiwerdenden Stellen. Das würde, bei Einschluss von Provinzen und Gemeinden, eine jährliche Verringerung von ca.100.000 Beamten bedeuten. Auch ist nicht die Rede von der Streichung übertriebenen “sozialen” Subventionen, die von Leitern sogenannter sozialer Organisationen verteilt werden und somit indirekt auch die Aufmärsche am Obelisk oder sonst wo finanzieren. Auch bei den Staatsinvestitionen muss gespart werden, indem nicht prioritäre Objekte hinausgeschoben werden.

Von den Besprechungen mit dem Fonds wird der Öffentlichkeit wenig bekanntgegeben, um keine politische Aufruhr zu verursachen. Es erscheint jetzt positiv, dass Schatzsekretär Raúl Rigo, der mit anderen Beamten diese Woche in Washington mit den Fondsbeamten verhandelt, früher in der Budgetabteilung des Schatzamtes tätig war und somit die Struktur der Staatsausgaben und die Sparmöglichkeiten gut kennen muss. Das erlaubt ihm, ein seriöses Gespräch mit dem Fondsbeamten zu führen, bei dem es um die einzelnen Sparmöglichkeiten geht.

Beiläufig bemerkt: wenn es keine wichtigen strukturellen Ersparnisse gibt, dann kommt es schließlich zu einer weiteren realen Verringerung von Gehältern öffentlicher Angestellten und Pensionen und Hinterbliebenenrenten. Der Präsident u.a. Regierungssprecher sollten davon Abstand nehmen, eine Herstellung des verlorenen Realeinkommens dieser Bereiche auf das Niveau von 2019 und eine weitere Erhöhung zu versprechen. Wenn nicht strukturell gespart wird, dann kommt es, gewollt oder ungewollt, zu dieser Form der Ausgabenverringerung.

Die Regierung könnte die Verhandlung zu einem schnellen Erfolg führen, wenn sie ganz konkrete Entscheidungen ankündigen und in Gang setzten würde, wie an erster Stelle die Schließung des Kohlenbergwerkes Río Turbio, in der Provinz Santa Cruz. Doch außer uns spricht niemand darüber. Gegenwärtig wird keine Kohle gefördert, weil die Tunnels sich in schlechtem Zustand befinden und hoher Investitionen bedürften, für die es kein Geld gibt. Doch wenn die Kohle gefördert wird, kann sie nur zu einem Preis verkauft werden, der nicht einmal die Hälfte der Kosten deckt. Es handelt sich um eine minderwertige Kohle, für die kaum Nachfrage besteht. Ohnehin steigt die Welt nach und nach aus der Verbrennung von Kohle für Kraftwerke aus, weil der Einsatz von Kohle der stärkste Umweltverschmutzer ist. Mit dieser Entscheidung, plus anderen, die sich auch auf völlig unnötige Ausgaben beziehen, wäre die ganze Diskussion viel einfacher. Ein Problem, das die Verhandlung mit dem IWF belastet, ist die fehlende Glaubwürdigkeit der argentinischen Regierung (besonders dieser, aber auch anderer), deshalb ist es unerlässlich konkrete Fakten vorzuweisen, die stark beeindrucken, wie die sofortige Schließung von Río Turbio.

Der Fonds dürfte bei der Verhandlung noch weitere Themen vorbringen, so an erster Stelle das Steuersystem. Grundsätzlich geht der IWF davon aus, das die Einkommenssteuer, hier Gewinnsteuer benannt, eine zentrale Stellung haben soll. Ob der Fonds jedoch einen Vorschlag hat, um die hohe Hinterziehung erfolgreich zu bekämpfen, die bei selbstständig Tätigen und Kleinunternehmen besteht, ist fraglich. Doch Tatsache ist, dass bei höheren Steuersätzen als in den USA, der Erlös der Steuer im Verhältnis zum BIP nur einen Bruchteil der USA erreicht. Und wenn man Großunternehmen u.a. ausschließest, die kaum hinterziehen, dann sieht das Bild noch grotesker aus. Ebenfalls dürfte der Fonds auch ein Wort zur Arbeitsgesetzgebung äußern, die beschäftigungshemmend und produktivitätsfeindlich ist. Es ist auf alle Fälle positiv, wenn der Fonds all diese Themen zur Diskussion stellt. Die argentinische Regierung könnte dann die Verantwortung für unerlässliche, aber politisch schwierige Maßnahmen, auf den Fonds abschieben.

Die Verhandlung mit dem Fonds ist gewiss nicht einfach. Dass es im Dezember oder spätestens im Januar schon ein Abkommen gibt, sollte man ausschließen. Es kann bestenfalls zu einem Absichtsabkommen kommen, bei dem Ziele und bestimmte Massnahmen festgelegt werden, das dann zu einem effekiven Abkommen führt, das eine solide Grundlage hat. Da es um ein Programm von 10 Jahren geht, werden voraussichtlich Revisionen eingeschaltet, bei denen der erreichte Fortschritt bestätigt oder als zu gering beanstandet wird. Es dürfte ähnlich wie im Fall von Griechenland sein, wo die Diskussion jahrelang weiterging, allerdings mehr mit der EU als mit dem IWF, und schließlich die tiefe Krise überwunden wurde.

Die Frage, die sich hier stellt, ist die, ob ein Absichtsabkommen oder ein unvollständiges Abkommen, ausreichen, um die zahlreichen Auslandskredite in Gang zu setzen, die in Aussicht stehen, die sich einmal auf solche der Weltbank u.a. internationaler Institutionen beziehen, und dann auf Kredite für Finanzierung von Kapitalgüterlieferungen. Denn diese Kredite sind notwendig, um der argentinischen Wirtschaft einen Impuls zu verleihen und das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz zu erhalten.


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