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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die improvisierte Inflationsbekämpfung

Von Juan E. Alemann

Die Regierung macht sich Sorgen über die Inflation, die trotz ihrer Bemühungen, eine Jahresrate um die 50% aufweist und mit zur miesen Stimmung der Gesellschaft beiträgt, die in den PASO-Wahlen zum Ausdruck gekommen ist. Trotz Einfrierung der Tarife öffentlicher Dienste, einer kontrollierten Abwertung, die unter der Hälfte der internen Inflation liegt, trotz Begrenzung der Preise von bestimmten Lebensmittel u.a. Produkten und Exportbegrenzungen von Rindfleisch und unlängst auch von Mais, blieb die Inflation hoch. Doch ohne dies wäre sie noch höher gewesen.

Gelegentlich werden diese Maßnahmen aufgehoben oder aufgeweicht werden müssen. Und dann steigt die Inflationsrate noch mehr. Hinzu kommt noch, dass Löhne und Gehälter und auch Einkommen von selbstständig Tätigen real gesunken sind, so dass ein Druck besteht, um den Verlust aufzuholen, was an erster Stelle Lohnerhöhungen bedeutet, die die Inflation antreiben, weil sie sofort und oft schon vorher auf die Preise abgewälzt werden.

Gleichzeitig besteht eine bedeutende monetäre Expansion, was viele Wirtschaftler u.a. dazu führt, das ganze Problem zu vereinfachen, indem eine Wirtschaftspolitik gefordert wird, die diese Geldschöpfung stark verringert. Doch das erscheint besonders schwierig, weil ein hohes Defizit der Staatsfinanzen besteht, das kaum noch mit Neuverschuldung gedeckt werden kann. Somit verbleibt nichts anderes übrig, als den Fehlbetrag mit Notenemission zu decken. Die ZB kann kaum noch zusätzliche Leliq unterbringen, nachdem die Banken an eine Grenze gelangt sind, mit etwa zwei Drittel ihrer Depositen, die in Leliq, passiven Swaps und Schatzscheinen angelegt sind, und sonst kaum jemand diese Titel kauft. Doch allein für Zinsen auf die Leliq muss die ZB dieses Jahr ca. $ 1,5 Bio. (Millionen von Millionen) aufwenden. Und wenn sie keine neuen Leliq unterbringen kann, um diese Betrag zu decken, dann muss sie zur Geldschöpfung greifen.

Somit müsste das primäre Defizit der Staatsfinanzen drastisch verringert werden, was sehr konfliktiv ist. Zunächst fand eine Verringerung statt, die auf der Abschaffung der allgemeinen Familiensubvention (IFE, Ingreso Familiar de Emergencia) und der Lohnsubventionen des ATE-Programmes, und, was die realen Zahlen betrifft, auch durch eine Verringerung des realen Gehaltes der Staatsangestellten und der Pensionen und Hinterbliebenenrenten beruht. Schließlich kamen noch zusätzliche Einnahmen bei den Exportsteuern hinzu, nachdem der Dollarpreis für Sojabohne und Mais stark gestiegen war. Das führte dazu, dass das primäre Defizit im 1. Halbjahr 2021 nur 1,5% des BIP betrug, nachdem es im Budget auf 4,5% veranschlagt worden war.

Doch dieser Erfolg ist zum großen Teil vorübergehend, umso mehr als auch Ausgaben unter den Teppich gefegt wurden (die Stromsubventionen, die noch gezahlt werden müssen) und das Defizit ohnehin höher ist, weil der Abzug des ZB-Gewinnes als echte Einnahme gebucht wird, aber eine Verschuldung darstellt, weil der Gewinn ein Buchgewinn ist. Jetzt muss an viele andere überhöhte Staatsausgaben herangegangen werden, und auch müssen die Staatsinvestitionen verringert werden, und zwar über die bedeutende Erhöhung hinaus, die sie dieses Jahr erfahren haben. Angeblich soll dieses Problem nach den Wahlen vom 14. November in Angriff genommen werden. Doch das erfordert, dass schon jetzt einzelne Maßnahmen zu diesem Zweck ausgearbeitet werden, was nicht der Fall zu sein scheint.

Die Regierung will jetzt die Preiskontrollen verschärfen, und auch sonst mit direkten Kontrollen dazu beitragen, dass die Preise kaum noch zunehmen. Handelssekretär Feletti drohte dabei, das Versorgungsgesetz von Jahr 1974 anzuwenden, das 2014 durch ein neues Gesetz bestätigt, aber korrigiert wurde, wobei besonders die Aspekte, die ohne Zweifel als verfassungswidrig eingestuft worden waren, gestrichen wurden. Es war eine mildere Fassung eines faschistischen Gesetzes.

Dabei wurde an das Programm von Wirtschaftsminister José Ber Gelbard erinnert, der mit der Rückendeckung von Präsident Perón zählte. 1974 wurde eine bedeutende Lohnerhöhung verfügt, der dann eine Preis- und Lohneinfrierung folgte. Das führte zunächst zu einer Nullinflation, die jedoch unhaltbar war. Viele Preise stiegen dann, weil die letzte Lohnerhöhung noch abgewälzt wurde, und die Gewerkschaften setzten danach weitere Lohnerhöhungen durch.

Der Wechselkurs blieb nach der Preis- und Lohneinfrierung von 1973 zunehmend zurück, bis dies schließlich unhaltbar wurde. Nachdem Perón gestorben war und seine Frau und Vizepräsidentin Isabel das Präsidialamt übernommen hatte, ernannte sie Mitte 1975 den damals unbekannten Ing. Celestino Rodrigo zum Wirtschaftsminister, der eine Megaabwertung durchführte. Das führte sofort zu einem Preisschock, und die Gewerkschaften forderten daraufhin entsprechende Lohnerhöhungen. Doch gerade das sollte nicht sein, da dann der Inflationsreigen von vorne beginnen würde.

Die Gewerkschaften führten dann einen Generalstreik durch, der das ganze Land stilllegte. Mit Perón als Präsident hätten sie dies nicht gewagt. Daraufhin gab Isabel nach. Außerdem zwangen die Gewerkschaftler sie, den Rücktritt ihres Ministers und Hauptberaters José López Rega zu verfügen. Damit verlor sie die einzige politische Stütze gegen die Gewerkschaften. Denn López Rega hatte wohl nicht alle Tassen beisammen im Schrank, aber er war der Einzige in jener Regierung, der sich der Macht der Gewerkschaften widersetzte. Von da an gab es Lohnerhöhungen von 50% und mehr am laufenden Band, eine auf die andere, was im März 1976 in einer Hyperinflation (mit einer Preiszunahme von ca. 50% in diesem Monat) und der militärischen Regierungsübernahme endete. Rodrigo war der Sündenbock, die Gewerkschafter, angeführt von Lorenzo Miguel, die wirklich Schuldigen.

Wenn dies nicht verstanden wird, und die Krise von 1975 auf Rodrigo und seine Abwertung zurückgeführt wird, oder nur auf eine zu hohe Geldschöpfung, versteht man das gegenwärtige Problem auch nicht. Gewiss muss jetzt die Geldschöpfung begrenzt werden, was tiefgreifende Maßnahmen erfordert, die die Regierung scheut. Aber außerdem muss zur Preispolitik eine Lohnpolitik hinzugefügt werden, die ebenso hart sein muss. Wenn ein Unternehmen die Preise nicht erhöhen darf, dann muss bestimmt werden, dass es auch keine Lohnerhöhung in diesem Fall gibt. Denn sonst üben die Gewerkschaften Druck auf die Unternehmen aus, und zwingen sie zu Lohnerhöhungen, die nur verkraftbar sind, wenn sie auf die Preise abgewälzt werden.

Die Unternehmen geben meistens nach, weil ein Streik oder Störungen beim Arbeitsablauf sie sehr teuer zu stehen kommen, und sie keine Rückendeckung von der Regierung erhalten. Bei den sogenannten paritätischen Lohnverhandlungen, wird immer davon ausgegangen, dass die Unternehmer die stärkere und die Gewerkschaften die schwächere Position haben. In der Praxis ist es in Argentinien meistens umgekehrt. Die Regierung sollte die extrem harte Preispolitik, die Feletti durchgesetzt hat, dazu benutzen, um gleichzeitig die Lohnverhandlungen zu ändern, mit einem Regierungsvertreter, der auch eine Stimme hat, und sich der Abwälzung der Lohnerhöhungen auf die Preise systematisch widersetzt, auch wenn mit Streik gedroht wird. Und wenn es trotzdem zu Lohnerhöhungen kommt, die schließlich doch auf Preise abgewälzt werden, dann sollte das Arbeitsministerium zumindest die Allgemeingültigkeit des Abkommens (“homologación”) verweigern. Für all dies braucht man als erstes einen anderen Arbeitsminister als Moroni, der sich prinzipiell passiv verhält.

Die Regierung und auch die Unternehmer, mit denen Präsident Alberto Fernández unlängst bei einem Mittagessen gesprochen hat, und auch die, die sich beim IDEA-Kolloquium geäußert haben, sind weit entfernt von all dem, was wir oben aufführen. Auch keiner der Ökonomen, die öffentlich auftreten und Unternehmer beraten, sagt so etwas. Somit kann man keine unmittelbare Lösung erwarten, sondern nur einen großen Krach. Dass diese Möglichkeit ernst genommen wird, kommt auch in der Zunahme der Landesrisikorate auf 1652 Basispunkte zum Ausdruck, der höchste Stand seit der im Vorjahr erreichten Umschuldung mit Investmentfonds. Allein in diesem Jahr stieg die Rate um 20,4%. Argentinische Staatstitel, die in New York gehandelt werden, ergeben jetzt eine Rendite von über 18% in Dollar, was weltweit absolut anormal ist.

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