Von Juan E. Alemann
Wer soll das bezahlen,
wer hat das bestellt,
wer hat so viel Pinke-Pinke,
Wer hat soviel Geld.
(Deutsches Karnevalslied)
Die meisten Staaten der Europäischen Union hatten schon vor der Pandemie, die 2020 eintrat, Defizite bei den Staatsfinanzen und eine hohe Staatsverschuldung. Dennoch wurden die Maastrichtrichtlinie von 3% des Bruttoinlandsproduktes beim Defizit einigermaßen eingehalten, auch wenn einige Staaten dabei zur kreativen Buchhaltung griffen. Bei der Staatsverschuldung wurde die Grenze von 60% des BIP nur ausnahmsweise eingehalten. Diese Obergrenzen wurden anlässlich der Covid-19-Pandemie “provisorisch” außer Kraft gesetzt, weil diese hohe Mittel erforderte, die in den einzelnen Haushalten nicht vorgesehen waren. Der zusätzliche Finanzbedarf wurde mit Verschuldung gedeckt, und zum Teil auch mit Geldschöpfung. Eine schlichte Rückkehr zu den früheren Maastricht-Regeln wäre wirklichkeitsfremd. Man muss sich jetzt überlegen, wie man Regeln für diese völlig neue wirtschaftliche Wirklichkeit schafft.
Die Pandemie belastet die Staatsfinanzen weiter. Sie ist einigermaßen kontrolliert, und man hat inzwischen gelernt, mit ihre zusammen zu leben. Doch der Covid-19 und auch andere Infektionskrankheiten, die inzwischen aufgetreten sind, erfordern weiter mehr Ausgaben und Investitionen für Gesundheitsbetreuung.
Gleichzeitig waren die EU-Staatsfinanzen schon wegen des Klimawandels belastet worden, der gewiss nicht umsonst ist. Die schrittweise Stilllegung der Kernkraftwerke erfordert in Deutschland hohe Investitionen in erneuerbaren Energien. Diese Entscheidung war offensichtlich ein Fehler, der durch das Trauma von Tschernobyl im Jahr 1986 herbeigeführt wurde. Andere EU-Staaten behielten die Kernkraftwerke, und in Frankreich decken sie über zwei Drittel des gesamten Strombedarfs. In der Tat sind Kernkraftwerke direkt nicht umweltschädlich, sondern nur, wenn es einen Unfall gibt. Atomkraftwerke werden heute mit großen Sicherheitsvorsorgen gebaut. Auch muss die Entsorgung der Uranabfälle umweltfreundlich gelöst werden, was allgemein in der EU der Fall ist.
Indessen sind Wärmekraftwerke ein Problem für die Umwelt, ganz besonders wenn sie mit Kohle betrieben werden. Sie hätten in Deutschland vor den Kernkraftwerken stillgelegt werden müssen. Und dabei kommen an erster Stelle die Kraftwerke in Frage, die mit Kohle betrieben werden, an zweiter die, die mit Dieselöl funktionieren, und schließlich die, die Gas verwenden. Wenn die Stromerzeugung aus diesen Quellen durch Windkraftwerke und Solaranlagen ersetzt werden soll, dann erfordert dies enorme Investitionen. Es besteht die Möglichkeit, dass gelegentlich andere, eventuell billigere Quellen, zur Erzeugung von elektrischem Strom entdeckt werden. Tesla war in dieser Beziehung schon weit fortgeschritten. Aber er ist gestorben, und jetzt steht nichts konkretes in Aussicht.
Was Energie betrifft, so ist Gas jetzt auch teurer geworden, und wird weiter im Preis steigen, solange die gestörten Beziehungen zu Russland andauern. Denn die alternative Gasversorgung der EU, die per Schiff erfolgt, ist teurer als die Lieferungen über Röhren. Die Verflüssigung von Gas und danach die Wiederherstellung des Gaszustandes, sind sehr teuer, und erfordern auch hohe Investitionen, die sich in der EU auf die Anlagen an den Häfen beziehen, wo das Gas in Empfang genommen wird.
Der Klimawandel kostet immer mehr. Überschwemmungen und Waldbrände verursachen große Schäden, deren Überwindung vom Staat finanziert wird. Auch der Übergang auf Elektromobilität bei Automobilen und Lastwagen kostet viel. Der Kauf von Kfz fällt den Konsumenten zur Last, aber die Zapfsäulen werden mit staatlichen Geldern errichtet.
Zu all dem kommt noch der Krieg in der Ukraine hinzu, der zunächst zu hohen Waffenlieferungen der EU-Staaten, und dann zu einer enormen Zunahme ihrer Rüstungsausgaben geführt hat. Die EU ist sich bewusst geworden, dass in dieser Welt immer Kriegsmöglichkeiten auftreten, wie der unerwartete Überfall Russlands auf die Ukraine, und man dafür vorbereitet sein muss.
Was die Ukraine betrifft, so kommt schließlich noch ein dreistelliger Milliardenbetrag von Euros für den Wiederaufbau hinzu, den die EU versprochen hat. Die Ukraine soll eine Art Marshall-Plan erhalten, um so bald wie möglich wieder normal leben und wirtschaften zu können. Ob sie in der EU als Mitglied aufgenommen wird, ist ein mehr formelles Problem.
Bei Energie, internationalen Frachtraten und Lieferengpässen bei Halbleitern u.a. elektronischen Produkten, handelt es sich nicht um eine direkte Belastung der Staatsausgaben, sondern um Kostenerhöhungen, die eine große inflationäre Wirkung haben. Die Notenbanken wollen die Übertragung dieser Kostenerhöhungen auf die Preise mit einer kontraktiven monetären Politik begrenzen. Doch dabei wird die Wirkung auf die wirtschaftliche Tätigkeit höher und direkter sein, als auf die Preise. Und dann kommt es zum schlimmsten Szenario, nämlich einer sogenannten Stagflation. Es ist notwendig, dass in der Gesellschaft begriffen wird, dass all dies, was wir in diesen Artikel dargestellt haben, einen Wohlstandsverlust bedeutet, also real niedrigere Einkommen und auch real niedrigere Löhne und Gehälter. Sonst besteht die Gefahr, dass auch in der EU argentinische Zustände eintreten, mit einer selbstbeschleunigenden Lohn-Preisspirale.
Kehren wir jetzt zurück zu den hohen zusätzlichen Staatsausgaben, die zum Teil schon eingetreten sind, und zum Teil noch auf die EU zukommen. Das stellt die Staaten grundsätzlich vor die Alternative, die Steuerlast zu erhöhen oder anderswo zu sparen. Beides ist nicht einfach, und auf alle Fälle konfliktiv. Es muss zunächst sehr rationell vorgegangen werden, um das Problem quantitativ in Grenzen zu halten. Doch schließlich kann man grundsätzlichen Entscheidungen nicht ausweichen, die zu einem größeren Staatsbereich in der EU führen, der die Wirtschaft belastet und das Wachstum bedroht.
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