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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die hohe Differenz zwischen den Wechselkursen als Kernproblem

Von Juan E. Alemann

Der freie Wechselkurs, der schwarz ist, liegt in letzter Zeit um die 100% über dem offiziellen, und das schafft allerlei Probleme, an erster Stelle eine Abwertungserwartung auf dem offiziellen Devisenmarkt, die inflationstreibend und rezessiv wirkt. Darauf sollen auch die Beamten des Internationalen Währungsfonds hingewiesen haben. Denn Argentinien wird die verfahrene Lage nur einrenken können, wenn die Wirtschaft normal funktioniert und zu diesem Zweck muss auch der Umfang der Schwarzwirtschaft stark verringert werden, die durch den schwarzen Devisenmarkt einen weiteren Ansporn erhält. Denn sonst geht einfach die gesamtwirtschaftliche Gleichung nicht auf, und die Wirtschaft kann nicht wachsen, weil die legale Wirtschaft von der Steuerlast erdrückt wird. Auch das Abkommen mit dem Fonds stünde dann auf schwachen Füssen. Denn ohne eine Wirtschaft, die normal abläuft und wächst, wird der Staat seinen Schuldenberg nicht abbauen können, auch wenn es die jeweils Regierenden hoch und heilig versprechen.

Die Diskussion mit dem IWF konzentriert sich auf die starke Verringerung des Defizits der Staatsfinanzen und die Verpflichtungen, die die Regierung dabei eingeht. Das ist Teil der Gewährung einer längeren Frist für die Amortisation der Schuld von u$s 44 Mrd. im Rahmen eines Programmes der sogenannten “extended facilities”, das sich vom üblichen kurzfristigen “Stand by” unterscheidet. Es ist eine schwierige Diskussion, bei der auch konfliktive Aspekte aufkommen, die als “Anpassung” (“ajuste”) bezeichnet werden. Eine reale Verringerung der Staatsausgaben kommt so oder so, also entweder durch Beamtenabbau, Aufgabe nicht notwendiger staatlicher Tätigkeiten (wie das Kohlenbergwerk Río Turbio), geringere Staatsinvestitionen, und eine kräftige reale Erhöhung der Tarife öffentlicher Dienste plus Benzin und Dieselöl, oder durch einen drastischen Rückgang der realen Entlöhnung der öffentlichen Angestellten und der Pensionen und Hinterbliebenen- und Gnadenrenten, infolge eines Inflationssprunges, der im Extremfall in Hyperinflation ausarten kann.

Die Vizepräsidentin Cristina Kirchner ist sich bewusst, dass hier politische Kosten für die Regierung entstehen, die sie nicht übernehmen will. Dafür hat sie schließlich Alberto Fernández zum Präsidenten gemacht: damit er auch die Rolle des Sündenbocks übernimmt. Nachdem sie in einem offenen Brief klipp und klar darauf hingewiesen hat, dass der Präsident allein die Verantwortung für die Regierungsentscheidungen trägt, hat sie sich jetzt über einen Brief des Senats, den sie kommandiert, an die Fonds-Generaldirektorin Kristalina Georgiewa, von der offiziellen Verhandlung mit dem IWF distanziert, einen Zinsabschlag, eine fünfjährige Karenzfrist, eine sehr lange Amortisationsfrist und keine Anpassungsmaßnahmen gefordert, alles Dinge, die der Fonds nicht gewähren kann. Dass dies störend auf die Verhandlung wirkt, dürfte Cristina wissen. Aber schließlich dürfte auch die Leitung des Fonds verstehen, dass es sich dabei nur im interne Politik handelt.

Die Fachleute des Fonds wissen, dass sie auf Jahre hinaus mit der Regierung zusammenarbeiten müssen, und dabei ständig darauf bestehen müssen, dass die Auflagen des Abkommens erfüllt werden müssen. Die Fonds-Beamten haben Erfahrung auf diesem Gebiet, und wissen, wie schwierig die Arbeit ist, die ihnen und vor allem der argentinischen Regierung bevorsteht. Dieser und den folgenden.

Kehren wir jetzt zurück zum Problem des gespaltenen Devisenmarktes. Es ist kein nebensächliches Thema, das man vernachlässigen kann, mit der Erwartung, dass es gelegentlich an Bedeutung verliert oder ganz verschwindet.

Die Regierung hat konventionelle Maßnahmen getroffen, um den Schwarzkurs zu senken. Zunächst schien es, sie sei dabei erfolgreich, da der Kurs von vom Spitzenpunkt von $ 195 in wenigen Tagen auf unter $ 160 sank. Doch dann stieg der Kurs wieder, und jetzt schwankt er sehr stark, wie es bei einem Markt mit geringem Umsatz kaum anders sein kann, und verbleibt dabei auf hohem Niveau.

Die Erhöhung der Zinsen für Lelic, für kurzfristige Swapgeschäfte und Fristdepositen bei Banken, sowie die Ausgabe von Staatspapieren, die entweder an den CER-Index (der dem Index der Konsumentenpreise entspricht) oder dem Dollarkurs gebunden sind, all das sollte den Sparern eine Alternative zum Dollarkauf bieten und somit die Nachfrage senken. Indessen ist das Misstrauen der Sparer in den argentinischen Staat so groß, dass die meisten Sparer weiter die Haltung von Dollar vorziehen. Abgesehen davon wirken Zinserhöhungen rezessiv und inflationär, weil sie die Kosten der Unternehmen erhöhen. Und schließlich verschuldet sich der Staat dabei noch mehr.

Auch die Maßnahmen zur Einschränkung der Dollarkäufe, die über den gleichzeitigen Kauf und Verkauf von Staatstiteln in Dollar erfolgt (“contado con liquidación”) hatte eine beschränkte Wirkung. Schließlich versucht noch die nationale Wertpapierkommission den Zugang zum Börsenhandel für lokale Unternehmen zu erleichtern und die Aufnahme von Kapital auf diesem Weg zu fördern. Das nützt jedoch überhaupt nichts. Denn es handelt sich nicht um Angebot, sondern um Nachfrage. Der Aktienhandel über die Börse, der in der Nachkriegszeit bedeutend war, ist in den letzten Jahrzehnten stark geschrumpft, was eine sehr einfache Erklärung hat: die Sparer haben mit lokalen Aktien, in Dollar berechnet, Geld verloren, in vielen Fällen sehr viel. Die Herstellung eines normalen Aktienmarktes in Argentinien ist erst möglich (und auch dann schwierig), wenn sich die Wirtschaft normal entwickelt und wächst. Also bestenfalls in mehreren Jahren.

Das Problem mit der hohen Kursdifferenz hat nur eine Lösung, die wir an dieser Stelle seit Langem empfehlen, leider ohne Erfolg, obwohl immer mehr Wirtschaftler sich in letzter Zeit in die gleiche oder eine ähnliche Richtung äußern, u.a. der ehemalige Wirtschaftsminister Domingo Cavallo. Einmal muss der schwarze Devisenmarkt legalisiert werden, so dass es einen Markt für den Außenhandel und bestimmte Dienstleistungen (wie Frachten) gibt, und einen anderen für Kapitaltransaktionen, Zinszahlungen, und Tourismus. Als zweites muss der Dollar auch als interne Währung zugelassen werden, mit Girokonten (und nicht nur, wie jetzt, Spar- und Fristdepositen) in Dollar, und Dollarkrediten für interne Zwecke, also an erster Stelle für Finanzierung von Arbeitskapital, dann auch für Investitionen und schließlich für Hypotheken u.a. Zwecke. Und als Drittes muss es gezielte Weißwaschungen für Dollarguthaben geben, wie die, die jetzt für Investitionen in Bauten vorgesehen ist. Aber es sollten auch Weißwaschungen für Steuerzahlungen, für Arbeitskapital und für Investitionen zugelassen werden. Die Weißwaschungen würden dafür sorgen, dass der freie Markt unter Angebotsdruck steht und nicht mehr strukturell unausgeglichen ist, wie jetzt. Die Marge zwischen offiziellem und freien Kurs wäre dann voraussichtlich normal, also bei höchstens 30%, was allgemein beruhigend wirken würde und auch die Unterfakturierung bei Exporten und die Überfakturierung bei Importen wenig interessant machen würde. Gelegentlich könnte die Marge so stark sinken, dass man eventuell wieder zu einem einheitlichen Devisenmarkt zurückkehren könnte, was allerdings auch voraussetzt, dass man die Inflation in den Griff bekommen hat.

Mit diesen Maßnahmen würde sich in Argentinien nach und nach ein normaler Kapital- markt und ein Kreditsystem entwickeln, ohne die wirtschaftliches Wachstum nicht möglich ist. Man muss sich der Tatsache bewusst sein, dass in Argentinien die Schwarzwirtschaft um die 40% des Bruttoinlandsproduktes ausmacht. Ob der Anteil etwas niedriger oder höher ist, spielt keine Rolle. Diese Lage zwingt, den Übergang von schwarz auf weiß als einen normalen Bestandteil des Systems zu betrachten. Denn sonst ergibt sich die absurde Lage, dass die Sparer in schwarzen Dollar sparen, die dann nicht für produktive Zwecke eingesetzt werden können. Es sei denn, sie investieren schwarz und erweitern somit ihre schwarze Tätigkeit. Der Schwarzkurs wirkt als ein wichtiger Faktor der Erweiterung der Schwarzwirtschaft, die störend auf die legale Wirtschaft wirkt, wegen unlauterem Wettbewerb und Ausfall des Beitrages zur Finanzierung des Staates, womit diejenigen, die legal tätig sind, entsprechend stärker belastet werden.

Wie weit die IWF-Beamten dies begreifen, sei dahingestellt. Normalerweise empfiehlt der IWF, sich an die weltweit geltenden Regeln zu halten, also nur einen Wechselkurs zu haben, die Schwarzwirtschaft zu kontrollieren, eine strenge Geldpolitik einzuhalten und rationell zu handeln. Wie weit die IWF-Ökonomen überhaupt verstehen, dass die argentinische Wirtschaft anders funktioniert, mit besonderen Regeln und Verhaltensformen von Unternehmern und der Gesellschaft allgemein, sei dahingestellt. Die argentinischen Unterhändler müssten sich bemühen, ihnen dies zu erklären. Doch Minister Guzmán begreift dies selber auch nicht. Er lebte fast ein Jahrzehnt in den USA, hat eine akademische Karriere an der Columbia-Universität hinter sich, und denkt, Argentinien funktioniert wie die Vereinigten Staaten. Da er ein intelligenter Mensch ist, sollte er inzwischen gemerkt haben, dass hier vieles anders als in den USA ist. Und dann sollten er und seine Mannschaft sich mehr Gedanken über dies machen, bis sie so weit sind, dass sie unser Konzept grundsätzlich teilen. Nur dann könnte man ein realistisches Abkommen mit dem IWF erwarten, und eine Zukunft mit Wachstum und echten Lösungen für die sozialen Probleme in Aussicht stellen.



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