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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die grundsätzliche Stellungnahme

Von Juan E. Alemann

Das wirtschaftliche Establishment, und auch ein großer Teil der Gesellschaft, erwartet von Präsident Alberto Fernández, dass er sich unmissverständlich über die Grundlagen der Wirtschaftspolitik ausspricht und klare Signale in diesem Sinn gibt. Mauricio Macri sagte unlängst, seine Koalition sei bereit, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, aber mit der Verfassung auf dem Tisch. Das bedeutet, dass es keine Diskussion über die Achtung des Eigentumsrechtes, der Unabhängigkeit der Justiz und der Grundregeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens gibt. Damit hat er den Nagel genau auf den Kopf getroffen: denn es geht jetzt für die Cristinisten um eine Beschränkung des Eigentumsrechtes, um Politisierung der Justiz und um die Schaffung eines autoritären Systems, bei dem der Staat weiter vordringt. Alberto Fernández müsste somit unmissverständlich zeigen, das er dies nicht dulden wird. Erst dann kann man über die Wirtschaftspolitik reden, die in dieser schweren Stunde notwendig ist.

Doch Alberto Fernández ist sich über dies nicht im Klaren. Er ist im Wesen ein Mensch ohne Ideologie, der versucht sich der Lage jeweils anzupassen und sich aus der Schlinge zu ziehen, wenn er Stellung beziehen muss. Er macht ununterbrochen Tagespolitik, aber nicht großgeschriebene langfristige Politik. Ein politischer Kommentator sagte unlängst im Fernsehen, er komme ihm wie Zelig vor, jene von Woody Allen geschaffene Person, die sich immer mit seinem jeweiligen Gesprächspartner identifizierte. Der Gefahr, das eigene Profil zu verlieren, um ständig Anhänger zu gewinnen und niemand zu brüskieren, müssen sich Politiker bewusst sein, und auch müssen sie wissen, wie man ihr ausweicht. Doch dazu muss man feste Überzeugungen haben.

Die Verfassung verleiht dem Präsidenten in Argentinien eine enorme Macht. Er muss nur wissen, sie zu nutzen. Wenn AF weiter ohne Richtung weitermacht, dann wird es dem Land und dabei auch seiner Regierung und ihm persönlich schlecht gehen. Wenn er es hingegen wagt, einen Weg zu begehen, der von vielen Mitgliedern der Regierungskoalition nicht befürwortet und eventuell heftig kritisiert wird, und dabei Erfolg hat, wird er als großer Mann in die Politik eingehen. Dabei kann es ihm auch schlecht gehen; aber das wäre nur eine Möglichkeit, während es ohne Kursänderung unvermeidlich ist. Menem pflegte einen Bibelspruch zu zitieren: „Gott verachtet die Lauen.“ Hier sagt man: „Der Triumph gehört den Kühnen.“

Als Alberto Fernández in der Vorwoche die Statue von Néstor Kirchner einweihte, die in Ecuador vor dem UNASUR-Sitz aufgestellt war und auf Anordnung des Präsidenten Lenin Moreno entfernt worden war, und jetzt im ehemaligen Postgebäude (jetzt Néstor Kirchner-Palast benannt) aufgestellt wurde, sagte er, er frage sich immer, wenn er vor einem Problem stünde, was Néstor Kirchner in diesem Fall machen wurde. Doch dieser ehemalige Präsident lag ideologisch falsch, und hat genau das gemacht, was man jetzt vermeiden muss: er hat privatisierte Unternehmen rückverstaatlicht, die staatliche Intervention ausgeweitet, Verträge des Staates mit Privatunternehmen missachtet (Konzessionen u.a.), Gläubiger des Staates misshandelt, eine systematische Korruption eingeführt, mit viel Amigo-Kapitalismus, den Gewerkschafter Hugo Moyano (das Symbol für absurde Forderungen, die mit Gewalt durchgesetzt werden) gestärkt, die Beziehungen zum IWF durch eine unnötig vorzeitige Zahlung einer Restschuld abgebrochen, eine Allianz mit Venezuela eingegangen, und hat dabei die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union verschlechtert, und nicht zuletzt Mitglieder des Obersten Gerichtshofes mit einem verfassungswidrigen Verfahren (und in einem Fall mit Bedrohung im Gangsterstil) abgesetzt. Er hatte hohe Erdöl und Gasreserven geerbt, und sie vergeudet, ohne sich um Forschung nach neuen Reserven zu kümmern, so dass die Förderung schließlich abnahm und Gas in großen Mengen importiert werden musste. Auch die Stromversorgung hat er total vernachlässigt. Néstor Kirchner sollte auf alle Fälle kein Vorbild sein, sondern eher als das gesehen werden, was man nicht tun sollte. Ohne den außerordentlich hohen Preis für Sojabohne, und auch den hohen Preis für Getreide, der während seiner Regierung eintrat, wäre die Wirtschaftspolitik der Kirchners lange vorher geplatzt.

Der Präsident hat offensichtlich nicht begriffen, dass ihm Cristina jetzt die Möglichkeit gegeben hat, eigene Wege zu gehen. Wie weit sie sich bewusst ist, dass er dabei für mehr Marktwirtschaft und weniger Staat, für strikte Beachtung der Rechtsordnung, für internationale Zusammenarbeit und gegen Venezuela Stellung nehmen muss, sei dahingestellt. AF muss eben verstehen, dass er sich jetzt von Cristina loslösen kann, und sie jedes Mal, wenn sie ihm etwas vorschreiben will, auf ihren Brief hinweisen kann. Er steht vor einer kritischen Realität, und die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Es besteht kein Spielraum für linke Ideologien, wie sie Cristina in ihre Jugend aufgenommen hat, als sie den Montonero-Terroristen nahe stand, die bei ihr und vielen Anhängern (wie Juan Grabois) stets zum Vorschein kommen, so u.a. bei den Landbesetzungen.

Erinnern wir uns daran, wie es Menem gemacht hat. Er war sich bewusst, als er 1989 als Präsident antrat, dass der Peronismus schlechte Erinnerungen beim Establishment hervorruft, und dies ihm die Beherrschung der Lage erschweren würde. Somit ernannte er einen ehemaligen Geschäftsführer des Konzerns Bunge & Born, der damals als Symbol für das lokale Unternehmertun galt, zum Wirtschaftsminister. Das war Miguel Roig, der jedoch nach einer Woche verstarb. Dann ernannte er den amtierenden Geschäftsführer des Konzerns, Néstor Rapanelli, dem er freie Hand ließ. Er hat gute Arbeit geleistet. Erst als sich die Gesellschaft überzeugte, dass es keinen Populismus und keinen Peronismus wie ab 1973 geben würde, ernannte Menem seinen Vertrauensmann, Erman González, zum Wirtschaftsminister. Das Establishment hatte sich inzwischen beruhigt, und somit konnte Menem den Weg einleiten, der dann Anfang 1991, mit Domingo Cavallo als Wirtschaftsminister zu Stabilität und Wachstum, mit vielen qualitativen Besserungen der Wirtschaft, führen würde.

Menem hat sich dabei an die Weisung des letzten Perón gehalten, der einige Monate vor seinem Tod in einer Konferenz vor Unternehmern (wir waren dabei) folgendes gesagt hat: “Die Staatsunternehmen haben uns nur Unannehmlichkeiten bereitet, und ich wünsche, dass die Herren Unternehmen sie alle übernehmen.” In der Tat hat dann Menem so ungefähr alles privatisiert, was privatisierbar war, und dabei 67 neue Privatunternehmen geschaffen und die Wirtschaftsstruktur total verändert. Néstor und Crisitna Kirchner beriefen sich hingegen auf den Péron von 1945, der verstaatlichte und den Staat in den Vordergrund stellte. An welchen Perón hält sich Alberto Fernández?

Martín Guzmán ist nicht der Wirtschaftsminister für diese schwere Stunde. Er versteht die argentinische Wirtschaft nicht, die besondere Eigenarten hat, nämlich einen Anteil der Schwarzwirtschaft von über einem Drittel des Bruttoinlandsproduktes (einige Wirtschafter schätzen ihn auf fast 50%), ein faktisch bimonetäres System, eine chronische Inflation mit ständiger Gefahr der Hyperinflation, und einer Gesellschaft, die sich dieser Dinge bewusst ist und entsprechend handelt. AF braucht einen Minister, dem das Establishment traut, der dann sofort wirksame Maßnahmen trifft, die die Wirtschaftswelt erwartet, wie die Legalisierung des schwarzen Devisenmarktes und gezielte Weißwaschungen, wie an erster Stelle die jetzt vorgeschlagene für Mittel, die in Bauprojekten investiert werden. Und wenn sich dies in Gang befindet, dann kann man mit Unternehmern, Gewerkschaftern u.a. sozialen Gruppen diskutieren, wie der Fall weitergeht, und auch Maßnahmen treffen, die zur Eindämmung der Staatsausgaben beitragen, die meistens konfliktiv sind. Denn dann steht die Richtung fest, und alle Vorschläge müssen zu ihr passen.

Ob Präsident Fernández begreift, welche große Chance sich ihm jetzt bietet, mit einer Entscheidungsfreiheit, die weder Cristina noch andere beanstanden können, sei dahingestellt. Die Gesellschaft ist jetzt durch die tiefe Krise verängstigt und somit bereit, vieles ohne Protest hinzunehmen, was in guten Zeiten zu großem Widerstand geführt hätte.


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