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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die große Geduld und Hilfsbereitschaft des IWF

Von Juan E. Alemann

Der Internationale Währungsfonds wurde geschaffen, um Staaten, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten, zu helfen, diese so schmerzlos wie möglich zu überwinden. Das bedeutet, dass der Fonds auf alle Fälle vermeiden will, dass ein Land in den Abgrund fällt, also im Extremfall in einen Default mit dem Fonds gerät. Ursprünglich war der Fonds wenig flexibel, und stellte oft wirtschaftspolitische Forderungen, die die betroffenen Staaten nicht erfüllen konnten. Er hatte wenig Verständnis für die politischen Umstände der betroffenen Staaten. Das hat sich im Laufe der Jahrzehnte geändert und ist schon im Fall der Krise Griechenlands zum Ausdruck gekommen, bei der zunächst die Europäische Union finanzielle Hilfe in hohem Umfang bereitstelle, und der Fonds in zweiter Instanz mitwirkte. Während der langen Verhandlung gab es einen politischen Umsturz, der die Verhandlung zunächst komplizierte, aber im Wesen nichts änderte.

Im Fall Argentiniens ist sich der Fonds bewusst, dass diese Regierung einfach nicht in der Lage ist, die verfahrene Lage einzurenken. Die Regierung ist intern zerstritten, unfähig die Wirtschaft rationell zu erfassen, voll von ideologischen Vorurteilen, mit einer Vizepräsidentin, die die letzten Entscheidungen trifft und dabei stets ihre bösen Korruptionsprozesse in den Vordergrund stellt, so dass man nicht viel erwarten kann. Man muss somit eine Pause einschalten, bis eine rationelle Regierung an die Macht kommt. Politologen rechnen allgemein damit, dass im Dezember 2023 die gegenwärtige Opposition die Regierung übernimmt, und stützen sich dabei auf Umfragen und auch auf die Unzufriedenheit, die allgemein besteht. Angeblich denkt der Fonds auch so.

In diesem Sinn gibt sich der Fonds beim Abkommen, das in der Vorwoche abgeschlossen wurde, mit wenig zufrieden. Er fordert eine starke Verringerung des primären Defizites und eine Begrenzung der Geldschöpfung. Ohne Hilfe der ZB kann das Defizit nicht gedeckt werden, da die andere Möglichkeit, nämlich zusätzliche Schulden aufzunehmen, kaum besteht. Dass viele Deputierte der Regierungspartei die wohlwollende Haltung des Fonds nicht versanden haben, und dem Abkommen nicht zustimmen wollen, zeugt davon, dass sie nichts verstanden haben, an ideologischen Vorurteilen festhalten und ihre eigene Regierung schwächen wollen, was politisch unbegreiflich ist.

Der Fonds weiß, dass Argentinien unmittelbar nichts zahlen kann. Somit erteilt er einen neuen Kredit, um die vorgesehenen Amortisationen zu decken. Zunächst stellt der Fonds u$s 9,7 Mrd. bereit, dann im ganzen Jahr 2022 u$s 18 Mrd., 2023 weitere u$s 19,4 Mrd. und 2024 u$s 6,8 Mrd. Der neue Fondskredit dient somit für Zahlung der im Abkommen von 2018 vorgesehenen Amortisationsquoten. Dabei soll auch ein Überschuss verbleiben, von u$s 1,34 Mrd. 2022, u$s 965 Mio. 2023, und u$s 2,08 Mrd. 2024. Das erlaubt, mit einer milden Anpassung (“ajuste”) auszukommen, die politisch tragbar ist.


Mehr Staatseinnahmen statt weniger Ausgaben

Es gibt viele Möglichkeiten, die Staatsausgaben zu verringern, aber alle sind politisch konfliktiv. Die Schließung des sinnlosen Kohlenbergwerkes Río Turbio, auf die wir als einzige auf weiter Flur stets hinweisen, würde dem Staat viel Geld sparen. Die aufgeblähte Struktur der Staatsverwaltung, die die Kirchner-Regierungen geschaffen haben und von dieser Regierung fortgesetzt wurde, mit zahlreichen absurden Ämtern, die keine konkrete Funktion erfüllen, sollte wieder auf eine normale Struktur zurückgeführt werden. Die freiwerdenden Stellen im Staat sollten zunächst nicht besetzt werden, und wenn doch, dann nur weil es absolut notwendig ist. Die Staatsinvestitionen müssen verringert und rationalisiert werden, weil die Finanzierung fehlt. All das und vieles mehr will die Regierung nicht in Angriff nehmen. Alberto und Cristina wollen keine politischen Konflikte schaffen, die die Wahlaussichten für ihre Partei 2023 noch mehr verschlechtern. Cristina ist sich bewusst, dass es eine Sache ist, eine Wahl um wenige Stimme zu verlieren, und eine ganz andere, wenn die Differenz der Stimmen überwältigend ist. Das würde zu einem Machtverlust führen, der dem Kirchnerismus ein endgültiges Ende setzt.

Somit muss die unerlässliche Defizitverringerung grundsätzlich mit einer Verringerung der Subventionen für öffentliche Dienste und einer Erhöhung der Steuereinnahmen erreicht werden. Die Diskussion über die Tarife ist noch nicht beendet. Die Regierung hat einer Erhöhung zugestimmt, die den Inflationsverlust der letzten zwei Jahre ausgleicht, so dass real das Niveau von 2019 annähernd wieder erreicht wird, aber mit einer Staffelung der Tarife, so dass wohlhabende Familien den vollen Tarif zahlen, der Mittelstand eine mäßige Subvention erhält und die ärmeren Familien eine sehr hohe. Wie dies konkret aussieht wird sich noch zeigen. Angeblich wurde das Schema der Einstufung gemäß Wohnvierteln, von denen einige als reich und andere nicht eingestuft werden, fallen gelassen. Vorsichtshalber hat sich Wirtschaftsminister Guzmán sehr konfus über dies ausgedrückt.

Fachleute auf diesem Gebiet gelangen zum Schluss, dass diese Subventionen, mit den im Abkommen vorgesehenen Zunahmen der Tarife, real über dem Betrag liegen werden, der 2021 dafür eingesetzt wurde. Das Problem ist jetzt akuter geworden, weil der Preis für verflüssigtes Gas, das Argentinien dieses Jahr in großen Mengen benötigt, in die Höhe gesprungen ist, auf etwa das Fünffache von 2021. Das überträgt sich bei den Wärmekraftwerken direkt auf die Stromkosten, so dass Gas und Strom mehr Subventionen erfordern, sofern der Tarif nicht weiter erhöht wird.

Die Zunahme der Steuereinnahmen soll angeblich nicht über neue Steuern erfolgen, die die Opposition kategorisch ablehnt, wobei die Regierung stillschweigend zugestimmt hat. Die Zunahme soll einmal durch Erhöhung der Immobilienbewertungen erfolgen, was den Erlös der provinziellen Immobiliensteuer erhöht, und sich eventuell auch auf die nationale Vermögenssteuer (Steuer auf persönliche Güter) auswirkt. Als zweites soll dann die Steuerhinterziehung ins Visier genommen werden.


Die Immobilienaufwertung

Die Fiskalwerte auf Immobilien liegen weit unter den Marktwerten. Bei städtischen Immobilien liegen sie landesweit höchstens bei 30% des Marktwertes (mit Ausnahmen, wie die Stadt Buenos Aires), und bei Landbesitz in vielen Fällen unter 20% und auch unter 10%. Es besteht hier eine große Unordnung. 1974 und 1975 hatte die damalige Regierung, mit Juan Domingo Perón zuerst und dann seiner Gattin Maria Estela, genannt Isabelita, danach als Präsidenten, eine Studie über die Marktwerte bei landwirtschaftlichem Boden durchgeführt. Das sollte die Grundlage für eine Steuer auf den potentiellen Gewinn (statt auf den Bilanzgewinn) sein. Daraus wurde nichts, weil das ganze Projekt grober Unfug war. Der Gewinn eines landwirtschaftlichen Betriebes hängt von vielen Umständen ab, besonders dem Wetter und den Preisen der Produkte, und kann nicht theoretisch bestimmt und bestraft werden, wenn er niedrig ist.

Doch die Studie über Bodenwerte wurde dann unter der Militärregierung verwendet, um den Provinzen Richtlinien über Fiskalwerte zu geben, die auf 70% des Marktwertes angesetzt wurden. Das wurde kaum eingehalten, wobei auch ein Koeffizient von 50% nicht erreicht wurde. Der Widerstand der Landwirte gegen höhere Bodenwerte und eine entsprecht höhere Besteuerung ist sehr groß, und die Gouverneure, ob gewählt oder von der Militärregierung ernannt, scheuten einen Konflikt. Jetzt muss die Regierung von vorne anfangen, und mit einer Studie der Marktwerte beginnen. In Extremfällen können die Werte jedoch schon sofort berichtigt werden, und da diese sehr häufig sind, bringt es schon viel Geld ein.

Wenn die Provinzen bei der Immobiliensteuer mehr einnehmen, sollten sie zunächst damit beginnen, die Sätze der Bruttoumsatzsteuer zu verringern und sie in bestimmten Fällen abzuschaffen. Doch beim Fondsabkommen denkt man eher, dass die Bundesregierung den Provinzen dann weniger Mittel überweist. Theoretisch sollten die Provinzen sich mit eigenen Steuern und der Beteiligung an den Bundessteuern finanzieren. In der Praxis erhalten sie jedoch zusätzlich Zuschüsse des Bundesstaates, die zum Teil politisch vergeben werden und daher kritisch gesehen werden. Im Grunde beteiligt der Nationalstaat dabei die Provinzen auch an seinen Einnahmen aus der Geldschöpfung.


Die Bekämpfung der Steuerhinterziehung

Was die Steuerhinterziehung betrifft, gibt es gewiss noch viel zu tun. Die Mehrwertsteuer wird dank Informatik recht gut kontrolliert, wobei eine Hinterziehung verbleibt, die bei etwa einem Drittel des theoretischen Betrages liegt. Vor einigen Jahren, bevor die APIP voll auf Computerprogramme überging, lag die Hinterziehung über 50%, und Jahre vorher auf bei zwei Dritteln. Die Hinterziehung lässt sich noch mit Sonderprogrammen verringern, wie das, das die Regierung schon 2015 bei der Rindfleischwirtschaft angekündigt hat (aber nur schleppend oder gar nicht durchgeführt hat), mit einer direkten Kontrolle der Schlachthöfe, die auch die Rinderlieferungen und die Lieferungen des Fleisches an die Grossisten (“matarifes”) umfasst. Dieses Programm muss effektiv und vollständig durchgeführt werden. Ursprünglich sollte es privat verwaltet werden, aber für die Kirchners ist so etwas wie Ketzerei. Auch bei anderen Bereichen kann man Systeme direkter Kontrollen mit privater Mitwirkung einführen. Doch daran wird nicht gedacht. Denn im Grunde ist das Steueramt gewohnt, im Zoo zu jagen.

Bei der Einkommenssteuer (hier Gewinnsteuer benannt) ist der Fall schwieriger. Die Hinterziehung ist schwer zu berechnen, wird jedoch auf etwa die Hälfte des theoretischen Betrages geschätzt. Zu diesem Ergebnis gelangt man, wenn man den Erlös der Steuer im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt mit anderen Ländern vergleicht, besonders der USA, die bei geringeren nominellen Steuersätzen als in Argentinien dennoch im Verhältnis zum BIP mehr als doppelt so viel einnehmen. Doch der Fall ist in Wirklichkeit viel schlimmer. Wenn man Großunternehmen u.a. ausschließt, die unter starker Kontrolle stehen (vom Steueramt, von den eigenen Buchprüfern und eventuell von der Wertpapierkommission) und sehr geringe Hinterziehungsmöglichkeiten haben, dann gelangt man zum Schluss, dass bei physischen Personen und Kleinunternehmen eine Hinterziehung von 70% bis 100% bestehen muss, damit man auf den erwähnten Durchschnitt gelangt.


Die irrealen globalen Ziele

Obwohl die Verhandlung mit dem IWF zunächst abgeschlossen wurde, geht sie weiter, auf Jahre hinaus. Die globalen Ziele, also zunächst die Verringerung des primären Defizites auf 2,5% des BIP, werden gewiss nicht erfüllt, und das Ziel der Geldschöpfung noch weniger. Dabei muss man auch berücksichtigen, dass das Defizit falsch berechnet wird, einmal, weil der abgehobene ZB-Gewinn als echte Einnahme gebucht wird, obwohl es sich um einen Buchgewinn handelt, und dann, weil das ZB-Defizit nicht berücksichtigt wird, obwohl die ZB auch zum Staat gehört. Man kann nicht annehmen, dass der Fonds dies nicht weiß. Aber er weiß auch, dass auch mit dem formell angegebenen primären Defizit die Rechnung mit der Geldschöpfung nicht aufgeht, da die Möglichkeit der zusätzlichen Staatsverschuldung extrem begrenzt ist. Der Fonds wird bei der Dauerverhandlung, die auf Jahre hinaus weitergeht, Ausgabenkürzungen, weitere Tariferhöhungen, Begrenzung der nominellen Gehaltserhöhungen von Staatsbeamten und auch der Pensionen und Renten, fordern, schon unter dieser Regierung, und noch mehr unter der nächsten. Die Wirtschaftler der Oppositionskoalition “Zusammen für den Wechsel” (JxC) sollten sich schon intensiv mit dem Thema befassen. Denn am ersten Tag einer neuen Regierung lassen sich Maßnahmen ergreifen, die später auf großen politischen Widerstand stoßen.


Das Zahlungsbilanzproblem

Diese neuen Kredite sind einmal für die Deckung des Haushaltsdefizites bestimmt, aber gleichzeitig um der ZB zu erlauben, ein Devisenpolster anzusammeln, um weiter die bisherige Kurspflege betreiben zu können. In früheren Zeiten bestand der Fonds auf einem freien Devisenmarkt, bei dem das Gleichgewicht durch den Wechselkurs hergestellt wird. Jetzt befürwortet er für Argentinien die Beibehaltung der bestehenden Devisenbewirtschaftung.

Über das Problem des bimonetären Systems, das in Argentinien de facto besteht, scheint der Fonds eine genau so konfuse Vorstellung zu haben wie die Regierung. Beide gehen davon aus, dass die Sparer dazu verleitet werden müssen, in Pesos zu sparen. Das tun sie jedoch nicht, auch wenn ihnen dabei hohe Zinsen geboten werden. Denn der Sparer geht davon aus, dass die Gefahr besteht, dass die Inflationsrate zunimmt und schließlich über dem aktiven Zinssatz liegt. Unser Vorschlag, den freien Devisenmarkt voll zu legalisieren, ebenso wie die lokalen Dollarkonten und auch Kredite in Dollar, und dies mit Weißwaschungen für Dollar zu begleiten, wird nicht einmal als Möglichkeit erwähnt. Guzmán und die Fondsfachleute meinen eben, die Sparer müssten sich so verhalten, wie wenn die Inflation beherrscht wird, und das tun sie gewiss nicht. Auch die Fondsfachleute werden noch viel lernen müssen, um die argentinische Wirtschaft zu verstehen.


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