Von Juan E. Alemann
Sowohl im Internationalen Währungsfonds wie in der Regierung der Vereinigten Staaten macht man sich Sorgen über die eigenartige gespaltene argentinische Regierung, bei der zwei entgegengesetzte Grundkonzepte auftreten. Das Problem ist nicht die Opposition, die kein Problem bei einem Umschuldungsabkommen mit den IWF stellt, sondern die Tatsache, dass die Regierung gleichzeitig zwei entgegengesetzte Konzepte vertritt. Der Fall wird noch dadurch betont, dass Präsident Alberto Fernández wenig Charakter und Überzeugung zeigt und im Grunde nicht recht weiß, was er will, und dass Cristina zwischen Ideologie und Pragmatismus schwankt und dabei auch die Sorge um ihrer Prozesse ihre Haltung beeinflusst. Wenn sie die Zustimmung zu einem Abkommen mit dem IWF gegen eine Aufhebung oder Niederschlagung ihrer Prozesse tauschen könnte, würde sie damit einverstanden sein. Doch das ist eben nicht möglich.
Wirtschaftsminister Martín Guzmán bemüht sich, bei der Verhandlung mit dem IWF Rationalität zu zeigen. Aber weil er eine beschränkte und schwankende Rückenddeckung vom Präsidenten hat, gibt er gelegentlich nach und stimmt politischen Stellungnahmen von Cristina bei. Womit er an Glaubwürdigkeit verliert und seine Stellung als Unterhändler schwächt.
Kristalina Georgiewa, die Generaldirektorin des Fonds, kann nicht glauben, was innerhalb der argentinischen Regierung vor sich geht. Sie äußerte schon, dass die Regierung sich nicht über den Ernst der Lage bewusst sei. Sie stellte dem Präsidenten im persönlichen Gespräch, das sie mit ihm hielt, die Frage: Ist die Linke in Argentinien wirklich so mächtig, dass sie die Annahme eines Staatshaushaltes verhindern kann? Fernández antwortete, dass die Opposition die Annahme des Budgets verhindert habe. Was Georgiewa mit einer ironischen Bemerkung quittierte.
In der US-Finanzwelt interpretiert man die Haltung von Cristina, die ihr Sohn Máximo in der Kammer zum Ausdruck gebracht hat, dahingehend, dass die Regierung im Grunde kein Abkommen mit dem Fonds haben will. Das bedeutet, dass Argentinien erneut in Defaultzustand gerät und sich von der Welt abschottet, etwa wie die Sowjetunion nach der Machtübernahme von 1917. Dabei spielt auch der Gedanke eine Rolle, dass man, wie von Anfang 2002 bis Mitte 2005, ohne Zahlung von Amortisationen und Zinsen auf die Staatsschuld, ohne die verpönte “Anpassung” (ajuste) auskommt, also ohne starke Erhöhung der Tarife öffentlicher Dienste und ohne Senkung der laufenden Staatsausgaben und der Staatsinvestitionen. Die negativen Aspekte dieser Politik, die auf Dauer viel mehr ins Gewicht fallen als die kurzfristige finanzielle Entlastung, werden dabei unter den Teppich gefegt.
Die radikalisierten Kirchneristen, die sich ideologisch mit den ehemaligen Montonero-Terroristen identifizieren, gehen dann noch einen Schritt weiter: Sie stehen für eine Verstaatlichung sämtlicher Großunternehmen ein und für strenge Regulierungen der restlichen. Cristina huldigte in ihrer Jugend dieser Auffassung. Obwohl sich ihre jugendliche Überzeugung im Laufe der Jahre verwässert hat, tritt sie gelegentlich unterschwellig wieder auf. Auf alle Fälle zeigt sie kein Verständnis und noch weniger Überzeugung für Marktwirtschaft, Kapitalismus und Integrierung in die Welt, abgesehen vom Amigo-Kapitalismus, den die Kirchneristen als Mittel rechtfertigen, um ihrer Politik den finanziellen Rückhalt zu geben, den sonst, nach ihrer Auffassung, nur rechtsliegende Politiker haben. Doch diese Mischung von Politik und Megakorruption schwächt sie politisch, weil Korruption von der Gesellschaft nur als unbedeutende Nebenerscheinung geduldet wird.
Comentarios