Von Juan E. Alemann
Die Regierung der Vereinigten Staaten hat die Unterstützung Argentiniens beim Internationalen Währungsfonds und beim Pariser Klub von der Bedingung abhängig gemacht, dass die argentinische Regierung einen “soliden Wirtschaftsplan” vorlegt. Dies äußerte der Unterstaatssekretär im Schatzamt, Wally Adeyemo, in einem Zoom-Dialog mit Wirtschaftsminister Martín Guzmán und dem argentinischen Vertreter vor dem IWF, Sergio Chodos. Der hohe US-Beamte sagte weiter, dass ein solider Rahmen für die Wirtschaftspolitik, der eine klare Aussicht für Wachstum und private Beschäftigung gibt, mit der Unterstützung der Vereinigten Staaten und der internationalen Gemeinschaft zählen würde. Guzmán sagte angeblich nichts dazu.
Doch am nächsten Tag antwortete Cecilia Todesca Bocco, Staatssekretärin im Amt des Kabinettschefs, die sich mit wirtschaftlichen Thema befasst. Sie übernahm dabei die Rolle des Wirtschaftsministers. Grundsätzlich sagte sie, die argentinische Regierung habe gewiss einen Wirtschaftsplan, aber eben nicht den, den die Vereinigten Staaten u.a. wünschen. Das mag politisch hier gut ankommen, stimmt aber nicht. Die Regierung ist sich intern nicht einig, welchen Weg sie begeht, und der, den Cristina befürwortet, nimmt ein böses Ende, wie in Venezuela.
Einen konkret ausgearbeiteten seriösen Wirtschaftsplan gibt es nicht. Die Erfahrung mit Plänen, die ins Einzelne gehen, und Zahlen über Produktion, Staatsfinanzen und vieles andere für mehrere Jahre angeben, ist nicht gut. Ein Fünfjahresplan der zweiten Perón-Regierung (1952/55) geriet sofort in Vergessenheit. Dann gab es einen Plan unter der Regierung des Radikalen Illia (1963/66), der viel Material enthielt und eine ziemlich gute Beschreibung der argentinischen Wirtschaft war, aber auch nicht den geringsten Einfluss auf das wirtschaftliche Geschehen hatte. Und schließlich gab es noch einen Wirtschaftsplan unter der Regierung von Lanusse (1971/73), der in Vergessenheit geriet, bevor die Tinte getrocknet war, mit der er gedruckt wurde. Die Bücher, in denen diese Pläne zusammengefasst wurden, verstaubten schließlich in den Regalen der Bibliotheken.
Rein sprachlich ist es ein Fehler, von einem “Plan” zu sprechen. Angemessen ist der Ausdruck “Programm”, oder einfach Wirtschaftspolitik. Über die allgemeinen Ziele sind sich dabei alle einig: dauerhaftes Wachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen, starke Senkung der Inflation, und Verringerung der Armut. Doch wenn man einen Schritt weiter geht, dann stellen sich Probleme, die bei der Art und Weise auftreten, wie man diese Ziele erreichen soll. Und hier bestehen innerhalb der Regierung zwei grundverschiedene Auffassungen, nämlich eine weitgehend orthodoxe, die Guzmán und in gewissem Ausmaß auch Präsident Fernández vertreten, und eine revolutionäre, die den Idealen von Fidel Castro und Hugo Chávez entspricht und von Cristina Kirchner befürwortet wird, allerdings mit dem kreolischen Einschlag des Freundenkapitalismus und der Korruption. Alberto Fernández bemüht sich um einen Kompromiss, der jedoch nur in unbedeutenden Aspekten möglich ist. Denn grundsätzlich mischen sich beide Anschauungen so wenig wie Öl und Wasser.
Die Grundzüge eines Programms, dass der Fonds und auch die Regierung der USA und andere gutheißen würden, sind allen klar. Es handelt sich um Folgendes:
Die Schuld gegenüber dem IWF und dem Pariser Klub muss gestreckt werden, so dass Zinsen und Amortisationsraten effektiv gezahlt werden können.
Dabei muss erreicht werden, dass danach neue Kredite gewährt werden, sowohl der Weltbank, der BID, der Andenköperschaft und der chinesischen Förderungsbank, wie von Handelsbanken, die Kapitalgüterlieferungen finanzieren. Mehrere Projekte, mit Finanzierungen dieser Art sind schon angekündigt worden. Sie warten nur auf die Regelung mit dem IWF und dem Pariser Klub. Diese Mittel decken auf der einen Seite einen Teil des verbleibenden primären Defizites, der sich auf Staatsinvestitionen bezieht, und tragen gleichzeitig zum Gleichgewicht der Zahlungsbilanz bei, die sonst einen irrealen Überschuss bei der Leistungsbilanz ausweisen müsste, um die Amortisationsquoten der Staatsschuld voll zu decken. Ohne eine gewisse Neuverschuldung geht die Gleichung finanziell in den kommenden Jahren nicht auf. Doch das erfordert, dass man die Spielregeln der internationalen Finanzwelt strikt einhält. Und das fällt argentinischen Regierungen schwer.
Die Zahlungsbilanz muss streng verwaltet werden. Die Wirtschaftspolitik muss Exportförderung als eines der Hauptziele aufstellen. Die Importe müssen auf die für diesen Zweck verfügbaren Mittel beschränkt werden. Wenn zu diesem Zweck ein hoher Wechselkurs und die Zollsätze nicht ausreichen, dann muss es direkte Beschränkungen geben, so dass der Wechselkurs verwaltet werden kann, ohne davonzuspringen. Denn, wenn dies geschieht, dann fällt das ganze Programm zusammen. Der IWF, der früher auf der Doktrin des freien Wechselkurses ohne Devisenbewirtschaftung beharrte, hat jetzt seine Meinung geändert und ist pragmatischer geworden.
Der Staat, in seinen drei Stufen (Nationalstaat, Provinzen und Gemeinden) muss im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt verkleinert werden. Das gesamte Staatspersonal, das nach letzten Zahlen insgesamt 3,7 Mio. Menschen umfasst (und nicht nur 3,2 Mio. wie offiziell angegeben wird), sollte auf höchstens 2,5 Mio. zurückgehen. Zu diesem Zweck müssten zunächst freiwerdende Staatsstellen eingefroren, also nicht besetzt werden. Die Staatsausgaben müssen gründlich durchkämmt werden, um eine Verringerung der Strukturen, Abschaffung ganzer Ämter, Privatisierung staatlicher Tätigkeiten und Zusammenschließung von Ämtern zu erreichen. Eventuell müssen private Konsulenten für diesen Zweck verpflichtet werden.
Das Steuersystem muss vereinfacht und unternehmenfreundlicher gestaltet werden, um Investitionen, neue Initiativen und Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern. Als erstes muss die provinzielle Steuer auf den Bruttoumsatz verringert und schließlich abgeschafft werden.
Die Arbeits- und Lohnpolitik muss grundsätzlich geändert werden. Die Arbeitsgesetzgebung muss sich Vollbeschäftigung statt Erhaltung (oder Zunahme) des Reallohnes als oberstes Ziel stellen. Die paritätischen Lohnverhandlungen müssen begrenzt werden, so dass die Lohnzunahmen mit der Eindämmung der Inflation im Einvernehmen stehen. Wir schlagen vor, dass bei den Verhandlungen auch ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums mitmacht, der keine Lohnerhöhung zulässt, die auf die Preise abgewälzt wird oder Subventionen erfordert. Lohnerhöhungen müssen grundsätzlich auf gestiegener Effizienz beruhen.
Auf diesen Grundlagen, die im Einzelnen noch weiter ausgebaut werden müssen, kann ein Programm aufgebaut werden, das die Erfüllung der oben genannten Ziele ermöglicht. Es wäre zunächst sehr wichtig, wenn die Regierung, also Präsident Alberto Fernández, zu diesem Programm Stellung bezieht. Wenn es nicht dieses Programm ist, muss es ein anderes sein, das zum gleichen Ziel führt. Denn das ist, was die US-Regierung jetzt fordert, und es stellt auch die Grundlage für die Verhandlung mit dem IWF dar.
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