Gedenken an den Untergang des Großseglers „Pamir“ vor 65 Jahren
Von Marcus Christoph
Buenos Aires - Buenos Aires und Lübeck liegen zwar fast 12.000 Kilometer voneinander entfernt. Doch der Untergang der „Pamir“ verbindet die Metropole am Río de la Plata mit der Hansestadt an der Ostsee. Schließlich brach das Segelschulschiff mit Heimathafen Lübeck von der argentinischen Hauptstadt auf, bevor es am 21. September 1957 auf dem Atlantik in einen Hurrikan geriet und kenterte.
Hierzulande ist das tragische Geschehen, bei dem 80 der 86 Besatzungsmitglieder ums Leben kamen, noch heute präsent: Am Samstag fand im Marine-Museum von Tigre eine Gedenkstunde anlässlich des 65. Jahrestags des Schiffsuntergangs statt - auch mit verbalen und musikalischen Grüßen aus Lübeck.
„Wenn ein Schiff voller junger Menschen untergeht, geht ein Teil jedes Seefahrers auf der Welt mit ihm auf den Grund des Ozeans“, begründete der argentinische Fregattenkapitän Roberto José Tramandoni mit einem Zitat aus dem „Requiem für die Pamir“ die ungebrochene Anteilnahme der Argentinier an der Tragödie des Schwesterschiffs der „Passat“.
Rudolf Hepe, der Vorsitzende der deutsch-argentinischen Vereinigungen (FAAG), spannte den Bogen über den Ozean und betonte, dass Deutschland und Argentinien durch das Meer verbunden seien. Der Nachfahre eines Hamburger Kapitäns überbrachte den Anwesenden zugleich die Grußworte von Uwe Schneidewind, dem Geschäftsführer der Pamir-Passat-Vereinigung: „Wir erinnern uns immer wieder gerne an die Hafenbesuche in Buenos Aires und die damals erhaltene Gastfreundschaft der deutschen Clubs, aber auch der argentinischen Bevölkerung.“ Unter den Anwesenden der Feierstunde war auch Pedro Pablo Dietz, dessen Familie 1957 den „Pamir“-Kapitän Johannes Diebitsch in ihrem Haus zu Gast hieß.
Der deutsche Botschafter in Buenos Aires, Dr. Ulrich Sante, erinnerte in seiner Rede an die internationalen Weizenregatten beladener Großsegler von Australien nach Europa, welche die „Pamir“ 1932 für sich entscheiden konnte. Die historische Wettfahrt könne heute als Metapher für eine ideale Weltordnung gesehen werden, die nicht durch Machtpolitik gekennzeichnet ist, sondern durch den Wettbewerb von Akteuren mit gleichen Rechten. Gegenwärtig werde die internationale Ordnung jedoch durch die expansive Politik autoritärer Staaten wie China und Russland gefährdet, nahm der Diplomat Bezug auf die Gegenwart.
Pastorin Karin Krug sagte angesichts des „Pamir“-Untergangs, bei dem so viele junge Menschen sterben mussten: Es gebe Dinge, die man nicht erklären - und schon gar nicht Gott zuschreiben könne. Manchmal müsse man mit dem Unerklärlichen leben. Im Leben passierten Unfälle, die weder durch Menschen noch durch Gott verursacht seien.
Die Geistliche fand tröstende Worte bei dem alttestamentarischen Propheten Elia. Diesem zeigte sich Gott nicht in Form eines Sturmes, sondern als ein leises Sausen. „Gott ist nicht in den lauten Dingen.“ Leben mit Gott sei schwierig - Leben ohne ihn jedoch unmöglich, schloss die Pastorin.
Zwischen den Redebeiträgen ertönte aus einer Lautsprecherbox der Gesang des Passat Chors aus Travemünde, der Seemannslieder wie “Un dann seilt wi so langsom rund Kap Hoorn”, „Wo de Ostseewellen trecken an den Strand “ oder "Heimat Deine Sterne" zu Gehör brachte. Mit “Vaya con Dios” befand sich sogar ein Stück auf Spanisch im Repertoire. 2010 zur 200-Jahrfeier Argentiniens waren die Shantysänger von der Ostsee auch zu Besuch am Río de la Plata. Dabei besuchten sie die „Pamir“-Gedenkstätte auf dem Deutschen Friedhof in Buenos Aires.
Lübecker Präsenz kam bei der Feierstunde auch in Form eines Kranzes zum Ausdruck, den der Verein „Rettet die Passat“ gestiftet hatte. Die Aufschrift: „Das Leben geht weiter. Die Erinnerung bleibt.“
Eine Grußbotschaft erreichte die FAAG von der Tourismuszentrale Rostock und Warnemünde. Deren Direktor Matthias Fromm würdigte das Engagement des Dachverbands beim „Pamir“-Gedenken: Die FAAG schaffe „Kulturbrücken zwischen Deutschland und Argentinien“ und mache sich um die „Bewahrung der maritimen Traditionen“ verdient.
Die „Pamir“ gehörte zu den legendären Flying P-Linern der Hamburger Reederei F. Laeisz, deren Namen alle mit P begannen. Der Untergang im Atlantik war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Neben dem Orkan, der seine Richtung änderte und das Schiff ohne Vorwarnung überraschte, spielte auch die Streikkultur in Argentinien eine gewisse Rolle: Denn da die Hafenarbeiter in Buenos Aires in den Ausstand getreten waren, musste die Gerste durch die Besatzungsmitglieder und Angehörige der argentinischen Armee im Schiff verstaut werden. Offenbar nicht professionell: Während des Unwetters verschob sich die Ladung, sodass sich das Schiff nicht mehr aufrichten konnte.
Mit der „Pamir“-Katastrophe endete die Ära großer Segelschulschiffe, die Fracht transportieren. In der Lübecker Jakobikirche erinnert heute die „Pamirkapelle“ an das Unglück. Dort befindet sich auch ein Rettungsboot der untergegangenen Viermastbark.
Comments