Von Juan E. Alemann
Der Staatsbesuch von Präsident Alberto Fernández in China, wo er sich mit Präsident Xi Jinping traf, hat in diesen schweren Stunden besondere Bedeutung. Die Verhandlungen, die schon vor Jahren eingeleitet wurden, wurden dabei fortgeführt und erhielten konkretere Züge. Aber es fehlt noch viel für einen Abschluss. Was jetzt an erster Stelle interessiert, ist die Tatsache, dass China bereit ist, Argentinien Kredite für insgesamt u$s 23,7 Mrd. für Infrastrukturprojekte u.a zu gewähren. Das würde das Defizit beim Staatshaushalt und der Zahlungsbilanz zum Teil ausgleichen. Ohne neue Kredite geht die Rechnung mit der Zahlung der Altschulden, sowohl an den Internationalen Währungsfonds wie an die Investmentfonds, nicht auf. Diese China-Kredite werden zu 7% verzinst, was nicht niedrig ist (es sei denn, die hohe Inflation in den USA dauert an). Und nicht zuletzt sei daran erinnert, dass diese Kredite ein Umschuldungsabkommen mit dem IWF voraussetzen, an dessen Kapital der Anteil von China nach den USA und Japan an dritter Stelle liegt. Es ist anzunehmen, dass im Fonds China auch der wohlwollenden Haltung zustimmt, die im provisorischen Abkommen zum Ausdruck kommt, aber danach Härte zeigt, wie es kaum anders sein kann. Denn Argentinien muss schließlich seine Staatsfinanzen in Ordnung bringen.
China hat sich jetzt im Prinzip bereit erklärt, Kredite für insgesamt u$s 23,7 Mrd. für Infrastrukturprojekte bereitzustellen. Davon entfallen u$s 14 Mrd. auf ein Programm, das sich auf schon gewährte Kredite bezieht (wie der für die Wasserkraftwerke in Santa Cruz), und u$s 9,7 Mrd. auf ein anderes Programm, das sich auf neue Kredite bezieht und noch konkret ausgearbeitet werden muss. Einzelheiten wurden nicht bekanntgegeben. Diese Kredite wurden beschlossen, nachdem Argentinien anlässlich des Aufenthaltes von Präsident Fernández in China in die sogenannte “Seidenstraße” aufgenommen wurde, eine Phantasiebezeichnung, die an vergangene Zeiten erinnert, aber konkret Investitionen und engere Handelsbeziehungen in den eingeschlossenen Ländern bedeutet. Das umfasst schon um die 140 Länder, in denen China investiert und den Handelsaustausch erhöht hat. China nimmt dabei politische Risiken in Kauf, die andere Länder vor Krediten an Argentinien abhalten. Wobei China als großer Käufer von Sojabohne, Rindfleisch u.a Produkten, effektive Druckmöglichkeiten hat, wenn Argentinien bei der Rückzahlung der Schulden säumig wird.
Die chinesische Regierung hatte schon unter der zweiten Regierung von Cristina Kirchner (2011/15) ein Kreditpaket von u$s 20 Mrd. angeboten, bei dem dann nur der Kredit für die zwei Wasserkraftwerke am Fluss Santa Cruz verblieb. Das Projekt der Kraftwerke wurde unter Macri geändert, um Umweltschäden zu vermeiden, und 2017 begonnen. Die Kraftwerke hätten schon längst fertig sein sollen. Doch der Bau steht noch im Anfangsstadium, unter anderem weil China die Zufuhr der Mittel des Kredites gebremst, als die Gefahr eines Defaults mit dem IWF aufkam, so dass der Bau nicht mehr fortschritt. Jetzt soll er wieder aufgenommen werden. Die Verlängerung der Bauzeit ist nicht umsonst. Sie verteuert das Projekt und verzögert die Stromlieferung, die bald benötigt wird. Die Wasserkraftwerke werden auf alle Fälle schon mindestens 50% mehr als veranschlagt kosten. Auch das gehört in das Kapitel der Vergeudung öffentlicher Gelder.
Der andere große Kredit, der damals vorgesehen war, bezieht ich auf den Bau von zwei Kernkraftwerken. Das wurde von Macri nicht in Gang gesetzt, weil es Bedenken gab und die Macri-Regierung der sauberen Energieerzeugung, mit Wind-und Sonnenanlagen, absolute Priorität gewährte. Doch jetzt, schon vor dem Staatsbesuch von Fernández in Peking, wurde bekanntgegeben, dass der Vertrag für ein drittes Kraftwerke in Atucha unterzeichnet wurde. Das stimmt jedoch nicht: Es handelt sich nur um einen Absichtsvertrag. Es geht dabei um einen Betrag von u$s 8 Mrd., der laut Fachleuten auf bis u$s 12 Mrd. steigen könnte. Das Kraftwerk soll eine Kapazität von 1.200 MW haben, mehr als die zwei in Atucha bestehenden Kernkraftwerke zusammen, und auch weit mehr als das andere in Embalse, Córdoba. Das chinesische Kernkraftwerk soll mit angereichertem Uran betrieben werden, während die bisherigen drei argentinischen Kernkraftwerke natürliches Uran verwenden.
Das Problem bei diesem Kraftwerk liegt nicht nur in den hohen Investitionskosten, die die Staatsschuld weiter erhöhen, sondern in den ebenfalls hohen Stromkosten. Wie Fachleute berichten (Siehe den Artikel von Nestor Scibona in La Nación vom 5.2.22) kostet der Strom in den Anfangsperiode u$s 220 pro KwSt., und geht dann schrittweise zurück, bis auf u$s 50 pro KwSt. am Ende der Periode von 50 Jahren, während denen das Kraftwerk aktiv sein soll. Im Durchschnitt der 50 Jahre sollen die Kosten bei u$s 82 pro KwSt. liegen, Das ist viel mehr als die durchschnittlichen Kosten der drei bestehenden Kernkraftwerke, die um die u$s 50 pro KwSt. liegen, wobei die Differenz zum durchschnittlichen Strompreis noch viel höher ist. Das chinesische Kernkraftwerk würde somit hohe Subventionen erfordern, oder eine reale Zunahme des Strompreises. .
Doch man muss den Fall auch von einer anderen Seite betrachten. Argentinien verfügt über eine fast unbegrenzte Möglichkeit, Strom mit Windkraftwerken zu erzeugen, die beim starken Wind, der in sogenannten “Windkorridoren” in Patagonien ständig bläst. Die Technologie der Windanlagen ist in den letzten Jahren fortgeschritten, und die Kosten, bezogen auf die Leistung, sind gefallen. Sie dürften jetzt unter denen der Kernkraftwerke liegen, wobei man bei diesen eigentlich noch die Kosten der Entsorgung des gebrauchten Urans hinzufügen müsste, ein Problem, das in Argentinien noch nicht gelöst ist. Ebenfalls sind die Möglichkeiten für Sonnenanlagen für Stromerzeugung sehr groß, vor allem im Norden des Landes, und faktisch unbegrenzt, wobei mit Anlagen dieser Art auf den Dächern der Häuser auch die Kosten des Stromtransports entfallen. Es besteht schon eine sehr große Sonnenanlage in Jujuy und jetzt wird eine weitere in San Juan errichtet. Man sollte es sich in Argentinien somit drei Mal überlegen, ob man weitere Kernkraftwerke errichtet.
Zurück zu China. Es bestehen zahlreiche andere chinesische Projekte für Infrastrukturinvestitionen. Unlängst wurde eines bekannt, das sich auf die Einrichtung einer Hochspannungsleitung und einer Transformationsstation in der Umgebung der Bundeshauptstadt bezieht, um die Stromverteilung zu verbessern und zu erweitern. Ebenfalls bestehen chinesische Projekte für AYSA, das Staatsunternehmen, das die Wasserversorgung und Entsorgung in der AMBA-Gegend betreibt, und auch für Eisenbahnwaggons und Lokomotiven. Die Regierung sollte sämtliche Infrastrukturprojekte untersuchen und dabei diejenigen aussuchen, die für den Bau durch chinesische Unternehmen und Finanzierung durch chinesische Banken geeignet sind. Die u$s 9,7 Mrd. die jetzt zur Verfügung stehen, sollten so bald wie möglich eingesetzt werden. Bevor es sich die chinesische Regierung noch einmal überlegt.
China ist zum wichtigsten Handelspartner Argentiniens aufgerückt, wenn man im Fall von Brasilien den kompensierten Kfz-Austauch abzieht, der nicht zum normalen Handel gehört. China kauft fast die gesamte Sojaernte, auch den größten Teil des exportierten Rindfleisches, und ebenfalls Weizen, Mais, Speiseöl, Sojamehl u.a Produkte. Aber die bilaterale Handelsbilanz ergibt ein Saldo zu Gunsten von China, das nicht sein sollte. Der chinesische Markt ist bei 1,4 Mrd. Einwohnern, mit zunehmendem Realeinkommen und immer mehr Mittelstand, für viele argentinische Produkte sehr groß, aber schwer zugänglich. Es bestehen formelle und unterschwellige Hindernisse. Argentinien könnte große Mengen Wein, Pecan-Nuss, Zitrusobst, Oliven und Olivenöl, Marmelade und viele andere verarbeitete Lebensmittel exportieren. Dieses Thema wurde beim China-Besuch nicht behandelt. Es müsste eine gemischte Kommission gebildet werden, um die einzelnen Fälle zu behandeln. Argentinien könnte Waren für mehrere Milliarden Dollar jährlich zusätzlich nach China exportieren, und das würde die Leistungsbilanz verbessern, was dringend notwendig ist.
Was den Handelsaustausch betrifft, so hat sich die chinesischen Regierung bereit erklärt, das bestehende Swap-Abkommen zu erweitern. Es handelt sich um eine Kreditmöglichkeit, um ein Defizit des bilateralen Handelsaustausches zu finanzieren, ohne ZB-Reserven dafür einzusetzen. Bisher wurde kaum davon Gebrauch gemacht, und der Sinn der Erweiterung wurde auch nicht erklärt. Ebenfalls hat Präsident Fernández beantragt, dass China eventuell die neuen Ziehungsrechte, die der Fonds unlängst ausgegeben hat, die auf China entfallen (das sie nicht benötigt), auf Argentinien überträgt. Das wäre ein Geschenk, zu dem sich China nur im Zusammenhang mit großen Geschäften bereit erklären dürfte. China will Argentinien bestimmt helfen, schmeißt aber kein Geld zum Fenster hinaus.
Die Verhandlungen mit China müssen weitergeführt werden, um zu verhindern, dass die guten Absichten versanden, wie es schon einmal der Fall war. Auch nach Abschluss des Abkommens mit dem IWF wird China darauf achten, dass die Auflagen des Abkommens erfüllt werden, nicht nur, um sicher zu sein, dass die Schuld an den Fonds abgezahlt wird, sondern auch, dass die Schulden, die jetzt mit chinesischen Banken entstehen, termingemäß gezahlt werden. Argentinien muss sich anstrengen, um sich so bald wie möglich in das internationale Finanzsystem einzugliedern, und dabei kann China auch behilflich sein.
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