Von Juan E. Alemann
Die Stadt Buenos Aires war bis zur Verfassungsreform von 1994 direkt von der Bundesregierung abhängig. Sie erhielt dabei keine Beteiligung an den Bundessteuern, wie die Provinzen, aber auf der anderen Seite kam der Bundesstaat für Justiz, Polizei, und bis in die 90er Jahre, auch für die 34 Hospitale der Stadt, und vorher auch für die Schulen auf. Die Primarschulen wurden unter der Militärregierung an die Stadt übertragen und die Sekundarschulen unter Menem. Der Bürgermeister der Bundeshauptstadt wurde vom Präsidenten ernannt, so dass es keinen politischen Konflikt gab.
Das wurde mit der Verfassungsreform geändert. Die Bundeshauptstadt sollte schrittweise den Status einer Provinz erhalten. Als erstes wurde der Bürgermeister 1995 gewählt und in Stadtchef umbenannt. Eigentlich hätte er Gouverneur benannt werden sollen, doch das erschien als zuviel, weil die Stadt zunächst eine hybriden Status hatte, da Justiz und Polizei zunächst nicht übertragen wurden. Das wurde erst später eingeleitet. Die Verfassung von 1994 sieht vor, dass die Übertragung von Verwaltungsfunktionen mit den entsprechenden Mitteln für ihre Finanzierung begleitet werden muss. In diesem Sinn hatte die Stadt schon vor Macri eine Beteiligung an den Bundessteuern von 1,4%% erhalten, die dann wegen der Übertragung der Polizei ab 2015 auf 3,75% erhöht wurde.
Bei der Wahl des Stadtchefs, die zum ersten Mal 1995 stattfand, hat sich ergeben, dass in der Stadt oft eine andere Partei gewann als die Regierungspartei. Auch jetzt gehört der Stadtchef der Opposition an. Schon zwei Mal ist es einem Stadtchef gelungen, Präsident zu werden, nämlich 1999 Fernando de la Rúa und 2015 Mauricio Macri. Horacio Rodríguez Larreta könnte durchaus der Dritte sein. Die Stadt haben eben eine große landesweite politische Ausstrahlung.
Die Stadt Buenos Aires hat einen viel höheren Anteil des Mittelstandes als die Provinzen, und dieser wählt anders. Der Populismus, mit dem Cristina eine Stimmenmehrheit in armen Vororten aufgebaut hat, kommt in der Stadt nicht gut an. Es ist sonnenklar, dass hinter der Verringerung der finanziellen Mittel der Stadt eine politische Absicht steckt. Wenn die Stadt weniger Mittel hat, muss sie entweder lokale Steuern erhöhen und/oder Ausgaben streichen, an erster Stelle Investitionen zur Verbesserung der Stadt. Beides kommt bei den Wählern schlecht an, wobei viele eben nicht so weit denken, dass sie die Bundesregierung, und nicht die Stadtregierung, dafür verantwortlich machen.
Die Erhöhung des Anteils der Stadt an den Bundessteuern, die Macri verfügt hatte, hat die Regierung jetzt rückgängig gemacht, und dabei willkürlich eine festen Betrag für Deckung der Kosten der städtischen Polizei ersetzt. Dabei erleidet die Stadtverwaltung jedoch einen Verlust von angeblich $ 65 Mrd. Über den genauen Betrag sollte es nur eine Diskussion unter den Schatzsekretären der Bundesregierung und der Stadtregierung geben. Doch es geht für die Stadtregierung hier um mehr, nämlich um das Gesetz über die Verringerung der Beteiligung, das als verfassungswidrig betrachtet wird. In diesem Sinn ist die Stadtregierung beim Obersten Gerichtshof vorstellig geworden, mit dem Argument, dass diese Änderungen nicht einseitig von der Bundesregierung verfügt werden dürfen, sondern vom Kongress im Rahmen einer allgemeinen Umverteilung der Bundessteuern entschieden werden müssen.
Es sei daran erinnert, dass die Verfassung von 1994 eine Frist von zwei Jahren für die Festsetzung eines neuen Umverteilungsschlüssels bestimmt hat. Doch es geschah nichts, weil das Problem prinzipiell unlösbar ist. Im Senat haben alle Provinzen, ob große oder kleine, drei Senatoren, so dass die kleinen Provinzen ein überwiegendes Gewicht haben und dazu neigen, ihren Anteil am Erlös der Bundessteuern zu Lasten des Bundesstaates und auch der großen Provinzen zu erhöhen. So geschah es, als das Thema 1987 (Regierung von Alfonsín, UCR) behandelt wurde. Der Bundesstaat verlor dabei Ressourcen, auch die von damals der radikalen Bürgerunion (UCR) regierte Provinz Buenos Aires, während die peronistisch regierten Provinzen mehr erhielten, auch La Rioja, deren Gouverneur damals Carlos Menem war. Das ganze war eine politische Naivität von Präsident Raul Alfonsín, der gewiss schlecht beraten war.
Die Stadt Buenos Aires hat einen Anteil von etwa 6,6% an der Gesamtbevölkerung. Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt bei 22%. Wenn man davon ausgeht, dass der Beitrag zu den Bundessteuern proportional zum Anteil am nationalen BIP ist, dann müsste die Stadt 5,8 Mal so viel erhalten, wie sie nach der Macri-Reform erhielt. Das System der Aufteilung des Erlöses der Bundessteuern bezog sich ursprünglich auf die Bevölkerung. Nach und nach kamen andere Kriterien hinzu, die eine Umverteilung von den reichen Provinzen auf die ärmeren beinhalten und gesamthaft den Anteil der Provinzen erhöhten, so dass die ärmeren Provinzen noch mehr erhielten. Hinzu kommt noch, dass die Erdölprovinzen eine Gebühr auf Erdöl und Gas beziehen, und auch beim Bergbau eine Provinzgebühr besteht, während andere Provinzen keine Gebühr auf ihre landwirtschaftliche Produktion erhalten.
Schließlich sei noch bemerkt, dass die Provinzen außerdem noch direkte Zuwendungen vom Bundesstaat erhalten, die unter der Regierung von Néstor Kirchner einen Höchststand von 22% der gesamten Mittel ausmacht, die an die Provinzen übertragen werden, wobei Santa Cruz notorisch bevorzugt wurde. Unter Macri nahmen diese Zuwendungen auf 12,1% ab und dieses Jahr werden sie etwa 14% erreichen. Unter der gegenwärtigen Regierung ist Buenos Aires die am meisten bevorzugte Provinz, was eine politische Erklärung hat. Diese direkten Zuwendungen führen zu einer politischen Abhängigkeit der Provinzregierungen von der Nationalregierung, was auch bei Abstimmungen im Senat zum Ausdruck kommt, wie es bei der Verringerung der Beteiligung der Bundeshauptstadt der Fall war. Demokratisch ist das gewiss nicht.
Außerdem besteht noch das Problem, dass die Bevölkerung in einigen Provinzen, wie an erster Stelle Neuquén, stark zugenommen hat, während sie in anderen, wie Formosa, stagniert. Die Bevölkerungszunahme fordert auch vom Provinzstaat mehr Ausgaben für Infrastruktur, so dass diese Provinzen mehr erhalten müssten. All das führt dazu, dass es nicht möglich ist, einen objektiven Verteilungsschlüssel zu ermitteln, so dass schließlich der Status quo grundsätzlich nicht geändert wird. Es kommt dabei nur zu vereinzelten Änderungen, die einen besonderen Grund haben, wie es bei der Änderung des Status der Stadt Buenos Aires der Fall war.
Wenn jetzt Cristina und ihr Sohn Máximo darauf hinweisen, dass die Bundeshauptstadt so wohlhabend ist, dass es gerecht wäre, dass sie den armen Provinzen hilft, dann vergessen sie, dass dies schon in hohem Umfang der Fall ist. Es geht nur um den Umfang der Umverteilung. Dabei darf man nicht übertreiben, ebenso wie man bei der Umverteilung der persönlichen Einkommen nicht so weit gehen darf, dass das wirtschaftliche System nicht mehr funktioniert, weil die Differenzen eine natürlich Folge des Systems sind.
Zurück zu unserer Bundeshauptstadt. Abgesehen von der globalen Rechnung, auf die wir oben hingewiesen haben, muss berücksichtigt werden, dass täglich um die 3,5 Mio. Menschen in die Stadt kommen, meistens um zu arbeiten, aber auch im Fall von Kindern, um in eine Schule der Stadt zu gehen, bei Studenten, um eine Universität zu besuchen, und bei vielen Menschen auch um sich in städtischen Hospitälern behandeln zu lassen, oder ins Kino und Theater zu gehen. Sie verwenden dabei auch die U-Bahn, die vor über drei Jahrzehnten auf die Stadtverwaltung übertragen wurde, wobei etwa die Hälfte der Kosten subventioniert und von der Stadt getragen werden. Die Vororteisenbahnen und die Omnibusse hängen vom Bundesstaat ab. Aber die Investitionen für das Metrobus-System und die Unterführungen unter den Eisenbahnen werden von der Stadt getragen.
Auf der anderen Seite geben diese Menschen, die aus den Vororten kommen, viel Geld in der Bundeshauptstadt aus, für Ernährung u.a. Zwecke, und das bringt der Stadtverwaltung Einnahmen bei der Bruttoumsatzsteuer. Eine ähnliche Wirkung hat die Tatsache, dass die Regierungsverwaltung und die Bundesjustiz ihren Sitz in der Bundeshauptstadt haben. Schließlich kommt noch der Hafen hinzu, über den der allergrößte Teil der Importe abgefertigt wird, und ebenfalls ein Teil der Exporte, was sich auf Dienstleistungen der Stadt auswirkt. Schließlich sei bemerkt, dass die Tätigkeit der Banken sich stark auf die Stadt Buenos Aires konzentriert. Außenhandelsgeschäfte werden vorwiegend in den Bankhäusern der Stadt abgewickelt, und größere Kredite, auch wenn sie für Geschäfte bestimmt sind, die sich in Provinzen abwickeln, ebenfalls.
Die Stadt Buenos Aires hat eben einen Sonderstatus, und im Grunde ist sie auch die Stadt der Provinzbewohner, von denen viele sich periodisch in die Stadt begeben oder etwa zur Hälfte in der Stadt und in ihrer Provinz wohnen. Deshalb ist es so schwierig, die Bundeshauptstadt einer Provinz gleichzustellen. Das ihr die Bundesregierung mehr Funktionen überträgt ist in Ordnung, weil bei dieser Dezentralisierung einzelne Bereiche effizienter verwaltet werden, und auch die Interessen der Stadtbewohner besser berücksichtigt werden. Aber ganz wie eine Provinz wird die Stadt dennoch nicht.
Eine Schlussbemerkung. Die Bevölkerung der Stadt wird sei mehreren Jahrzehnten vom Indec mit ca. 3 Mio. Menschen angegeben. Sie hat praktisch kaum zugenommen. Das ist jedoch nicht möglich. Denn in den letzten Jahrzehnten wurden unzählige Hochhäuser gebaut, wo vorher Familienhäuser standen, womit die Menschen, die auf der gleichen Grundfläche wohnen, sich vervielfacht haben müssen. Die Stadt müsste heute gut eine Million Menschen mehr haben, als es das Statistische Amt angibt. Bisher haben wir keine Antwort für dies erhalten. Der Zweifel über die Bevölkerung macht den Fall der Bundeshauptstadt noch komplexer, als er ohnehin schon ist.
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