Von Juan E. Alemann
Bei öffentlichen Diensten bestehen zwei extreme Positionen: Die rein marktwirtschaftliche, bei der die Tarife kostendeckend sein müssen, so dass jeder zahlt, für das, was er konsumiert, und die soziale, die stark subventionierte Tarife befürwortet, als Mittel der Umverteilung des Volkseinkommens zu Gunsten derjenigen, die ein relativ niedriges Einkommen haben. Das bedeutet, dass die Steuereinnahmen höher sein müssen, um die Subventionen bei öffentlichen Diensten zu decken. Unterschwellig wird dabei davon ausgegangen, dass die Steuerlast vorwiegend auf den wirtschaftlich bessergestellten Teil der Gesellschaft entfällt.
Gegenwärtig ist die Steuerlast für diejenigen, die nicht oder kaum hinterziehen, schon zu hoch. Bei Unternehmen gehört die Gewinnbesteuerung zu den höchsten der Welt. In Schweden liegt der Steuersatz formell höher, aber es werden keine Buchgewinne besteuert, die die Inflation schafft, und der Staat bietet einen guten Sicherheitsdienst, der in Argentinien zum Teil von den Unternehmen getragen wird. Bei persönlichen Einkommen, die in Argentinien auch sehr hoch besteuert werden, mehr als in den USA und den meisten anderen Staaten, muss man berücksichtigen, dass in sehr viele Fällen Privatschulen, private Gesundheitsdienste und private Sicherheit verpflichtet werden, die in Ländern wie Schweden vom Staat zu guter Qualität geboten werden. In keinem anderen Land ist der Anteil der Schüler, die Privatschulden besuchen, an den gesamten Primar- und Sekundarschülern so hoch wie in Argentinien. Die hohe Steuerlast hat dazu geführt, dass sich Unternehmer in Uruguay ansiedeln, wo sie viel niedrigere Steuern zahlen. Allgemein schreckt dies Investitionen ab, vor allem bei größeren Objekten und Fällen wo die Überweisung der Dollar über den freien Kurs (“Contado con liquidación”) nicht möglich ist.
Sowohl die Regierung wie der Internationale Währungsfonds sind beim Umschuldungsabkommen davon ausgegangen, dass die Steuerlast gesamthaft nicht erhöht werden soll. Im Text wird auf die hohe Steuerhinterziehung hingewiesen, deren erfolgreiche Bekämpfung mehr Einnahmen bringen sollte, ohne die bestehende Steuern zu erhöhen. Doch das ist, bezogen auf die unmittelbare Wirkung, nur ein frommer Wunsch. Weder die lokalen Experten noch die des IWF haben eine Vorstellung, wie man außerhalb des Zoos jagen soll.
Wenn somit die Steuereinnahmen eine Höchstgrenze erreicht haben und das Defizit der Staatsfinanzen stark gesenkt werden muss, dann müssen die Subventionen für öffentliche Dienste stark verringert werden, was bedeutet, dass die Tarife stark erhöht werden müssen. Doch hier gibt es eine heftige Diskussion innerhalb der Regierung: Cristina besteht auf hohen Subventionen, u.a. weil sie sich bewusst ist, dass Tariferhöhungen besonders ihre Wähler betreffen. Minister Guzmán hingegen, will dem IWF entgegenkommen und die Subventionen beschränken. Dass die Tariferhöhungen, die jetzt vorgesehen sind, nicht einmal im Ausmaß der Inflation erhöht werden, so dass die Tarife letztes Jahr real gesunken sind und jetzt anormal niedrig bleiben sollen, geht für alle, die vernünftig denken, zu weit. Bei einer Inflation, die in diesem Jahr nicht unter 50% liegen wird, denkt die Regierung zunächst an eine Tariferhöhung von etwa 35%, und Cristina sogar nur an eine von 20%. Das zeigt, dass Präsident Fernández und Wirtschaftsminister Guzmán das Ausmaß des Problems nicht begriffen haben (und Cristina noch weniger) oder sich Illusionen über eine starke Senkung der Inflationsraten machen.
Die Subventionen für den Energiebereich betrugen umgerechnet 2021 u$s 11 Mrd., was 2,4% des Bruttoinlandsproduktes ausmacht. Beim Strom werden 65% der Kosten und beim Gas 71% mit Subventionen finanziert. Um das primäre Defizit 2022 auf 2,5% des BIP zu senken, bei Verlust der Einnahmen aus der einmaligen Steuer auf hohe Vermögen und geringerer Einnahmen aus Exportzöllen, müsste der Betrag der Energiesubventionen mehr als halbiert werden. Das steht jedoch vorläufig nicht in Aussicht. Der Streit in der Regierung ist noch lange nicht beendet.
Der Stromtarif
Bei den öffentlichen Diensten geht es zunächst um den Stromtarif, bei dem die Konsumenten höchstens ein Drittel der Kosten zahlen (bei hohem Konsum etwas mehr), wobei in der offiziellen Kostenrechnung auch eine Subvention enthalten ist, die die Privatunternehmen tragen. Denn die Kosten werden ohne volle Amortisationen und ohne die notwendigen Wartungsausgaben berechnet. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Stromtarife in Groß-Buenos Aires (was man als AMBA kennt) viel niedriger als im Landesinneren sind. Dort, wo die Familien ärmer sind, zahlen sie einen viel höheren Tarif. Das ist gewiss nicht logisch. Theoretisch müsste der Tarif im ganzen Land der gleiche sein. Doch das würde die Belastung des Bundesstaates mit Subventionen stark erhöhen, und gerade das ist jetzt nicht möglich. Oder es würde eine starke Erhöhung des Tarifs in der Bundeshauptstadt und Umgebung bedeuten, was auch ein politisches Problem stellt.
Wirtschaftsminister Guzmán bemüht sich jetzt, einen Mittelweg zu finden. Das ist gewiss nicht einfach, wobei noch die Tatsache hinzukommt, dass der Unterstaatssekretär für Energie, Federico Basualdo, von Cristina unterstützt wird und ihren Weisungen folgt. Seine Meinung hat bisher gegenüber der von Guzmán überwogen, obwohl er ihm formell unterstellt ist. Das Energiesekretariat, geleitet von Pablo Gonzalez, will den Konflikt durch einen differenzierten Tarif lösen, bei dem Familien mit höheren Einkommen mehr zahlen, eventuell sogar die gesamten Kosten, so es in diesen Fällen keine Subvention gibt.
Allein, es soll dabei nicht um eine erhöhte progressive Skala bei zunehmendem Konsum gehen. Diese Progression besteht schon, könnte aber erhöht werden. Es wird davon ausgegangen, dass arme Haushalte keine Klimaanlagen haben oder sie nur ausnahmsweise einsetzen, und auch sonst weniger Strom verbrauchen. Doch aus unerfindlichen Gründen wurde diese Lösung bei Seite gelassen.
Jetzt ist ein Schema aufgekommen, bei dem bestimmte Viertel der Bundeshauptstadt und Umgebung, in denen angeblich reiche Familien wohnen, einen höheren Stromtarif (eventuell den vollen) zahlen sollen. Das Gesetz 24.065 schließt dies jedoch ausdrücklich aus. Es sieht vor, dass es keine Subventionen im System geben kann, die andere Konsumenten belasten. Das Gesetz müsste somit zunächst geändert werden, wobei es, streng genommen, schon jetzt nicht beachtet wird, weil bei einem höheren Konsum mehr gezahlt wird.
Ein nach Wohngegenden differenzierter Tarif hat keine legale Basis, so dass es zu einer Flut von Klagen vor Gericht kommen würde. Abgesehen davon ist das System insofern irrational, als es auch ärmere Haushalte in diesen angeblich “reichen” Bezirken gibt, und viele wohlhabende Haushalte in den als arm eingestuften.
Die Fachleute der Regierung müssen sich gewiss mehr anstrengen, um zu einem vernünftigen Kompromiss zwischen der Notwendigkeit der starken Verringerung der Subventionen für Strom und der Berücksichtigung der armen Familien zu gelangen. Sie sollten dabei auch auch Rat bei privaten Experten einholen, von denen viele ehemalige Energiesekretäre waren, die das Thema intensiv studiert haben.
Gas und Wasser
Zum elektrischen Strom kommt noch Gas und Wasser hinzu. Hier stellt sich ein analoges Problem, das jedoch das Einkommen der Haushalte weniger belastet. Auch hier liegen die Erhöhungen, die jetzt vorgesehen sind, unter der Inflation. Beim Gas kommt noch das Problem hinzu, dass den Unternehmen, die Gas fördern (vornehmlich im Gebiet von Vaca Muerta) ein höherer Preis zugestanden wurde, damit sie mehr produzieren, was sie auch getan haben. Wenn dieser Preis nicht auf die Konsumenten abgewälzt wird, dann muss die Subvention steigen
Bei der Wasserversorgung und Entsorgung ist der bestehende Tarif auch nicht kostendeckend, umso mehr, als die Kosten nach der Verstaatlichung des privaten Betreibers “Aguas Argentinaas” (die Néstor Kirchner verfügt hat) stark gestiegen sind, mit einer unnötigen Aufblähung der Belegschaft. Wie hoch der Fehlbetrag ist, wurde nicht bekanntgegeben. Außerdem besteht hier besteht ein hoher Investitionsbedarf, um arme Gegenden der Umgebung der Bundeshauptstadt mit fließendem Wasser und einem Abwassersystem zu versorgen. Im Tarif muss auch ein Betrag für Investitionen einkalkuliert werden, zumindest um Kredite für Investitionen abzahlen und verzinsen zu können.
Der öffentliche Personenverkehr
Zum Schluss, aber nicht zuletzt, kommt noch das Problem der Tarife für den öffentlichen Personenverkehr, der in der AMBA-Gegend stark subventioniert ist. Der Omnibustarif macht hier die Hälfte bis ein Drittel der Tarife aus, die in Städten wie Rosario, Córdoba u.a. gelten. Hinzu kommt noch Subvention für die städtischen Eisenbahnen, bei denen der Passagier nicht einmal die Hälfte der Kosten trägt. Bei der U-Bahn, die auch hoch subventioniert wird, trägt die Stadt die Subvention, obwohl der Dienst auch von vielen Personen verwendet wird, die in der Provinz leben.
Es erscheint gewiss nicht logisch, das der Personenverkehr in der AMBA-Gegend viel stärker subventioniert wird als im Landesinneren, umso mehr als das Einkommen der Menschen in der Bundeshauptstadt und bestimmten Bezirken der Umgebung, viel höher als im Landesinneren liegt. Der Tarif in der AMBA-Gegend müsste somit gut verdoppelt werden. Doch dabei stellt sich das Problem, dass die Menschen in dieser Gegend viel längere Strecken zurücklegen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen als in den Städten des Landesinneren. Das hat die Macri-Regierung insofern berücksichtigt, als diejenigen, die mehr als ein Transportmittel verwenden, einen Rabatt erhalten. Das lässt sich heute dank der SUBE-Karte leicht verwalten. Aber es löst das Problem nur zum Teil, da in vielen Fällen die langen Strecken nur mit einem Transportmittel hinterlegt werden.
Die Bundesregierung hat bekanntgegeben, dass sie die Subventionen für den Omnibusverkehr in der Bundeshauptstadt streichen will. Es wurde nicht bekanntgegeben, wie das Problem gelöst wird, das bei den Omnibuslinien besteht, die von der Bundeshauptstadt auf die Provinz übergehen, wo die Subvention weiter bestehen soll. Ohne Subventionen müssten die Tarife dann auf etwa das doppelte zunehmen. Es sei denn, die Stadtverwaltung subventioniert sie. Doch in ihrem Haushalt für 2022 sind keine Mittel für diesen Zweck vorgesehen.
Der städtische Personentransport muss gesamthaft betrachtet werden, also einschließlich U-Bahn und Vororteisenbahnen. Im Prinzip muss angestrebt werden, dass die Eisenbahnen mehr Passagiere aufnehmen, was durchaus möglich wäre. Der Tarif darf somit bei der Eisenbahn nicht über dem vom Omnibus liegen, wie es jetzt der Fall ist. Doch bei mehr Zügen entsteht ein Problem mit den Bahnübergängen, die dann nur kurz und ungenügend geöffnet wären. Es müsste also intensiv an Tunnels unter den Schienen gearbeitet werden, bis dass das genannte Problem verschwindet. Der Fortschritt auf diesem Gebiet war in der Stadt, unter Mauricio Macri und Horacio Rodríguez Larreta als Stadtchefs sehr groß, muss aber beschleunigt werden. Das beansprucht jedoch hohe Investitionen. Daher muss man sich zunächst auf einige Strecken konzentrieren. Die Sarmiento-Bahn soll ohnehin in eine U-Bahn umgewandelt werden, wobei der Bau gegenwärtig stockt und die Regierung auch über dies nichts berichtet.
Schlussbemerkungen
Die Probleme, die wir wir aufgeführt haben, sind gewiss nicht einfach. Die Diskussion muss zunächst entpolitisiert werden, und dann müssten gute Fachleute auf den einzelnen Gebieten und auch gute Wirtschaftler zu Rate gezogen werden, um vernünftige Kompromisse auszuarbeiten. Man muss davon ausgehen, dass die Tarife allgemein zunehmen müssen, damit die Gleichung der Staatsfinanzen aufgeht. Als erstes sollte man davon ausgehen, dass sie real nicht zurückgehen, wie es im letzten Jahr schon geschehen ist. Man müsste vom Jahr 2020 ausgehen, und den realen Verlust durch Tariferhöhungen ausgleichen. Und dann muss man an weitere Zunahmen denken, die aus sozialen Gründen begrenzt sein müssen , besonders bei ärmeren Haushalten und Empfängern niedriger Löhne. Aber dies muss von einer Qualitätsverbesserung der Dienste begleitet werden und auch die Instandhaltung und die Investitionen berücksichtigen, die notwendig sind. Improvisationen, wie sie diese Regierung kennzeichnen, kommen schließlich sehr teuer zu stehen und müssen vermieden werden.
Es muss von einem Gesamtkonzept ausgegangen werden, das die Einzellösungen verhindert, zu denen die Regierung normalerweise greift. Es geht nicht, dass die Regierung konkrete Probleme, die auftauchen und gelegentlich mit öffentlichen Protesten mit Kundgebungen im Stadtzentrum untermauert werden, durch Notmaßnahmen löst, die dann weitere Probleme schaffen, wobei die echten Lösungen erschwert werden.
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