Von Juan E. Alemann
Normalerweise erfolgt der Ausgleich der Zahlungsbilanz entweder durch Käufe und Verkäufe der Zentralbank, oder über den Wechselkurs. Wenn die Devisennachfrage das Angebot übersteigt, dann nimmt der Kurs zu, so dass weniger importiert und mehr exportiert wird. Doch wenn das Ungleichgewicht hoch ist und zu einer bedeutenden Abwertung führt, dann kommt es zu einer Rezession, und die Inflation wird angetrieben. Nachdem dies ohnehin schon bevorsteht, will die Regierung vermeiden, dass sie sich vertieft, wie es bei einem freien einheitlichen Wechselkurs der Fall wäre. Verfügbare ZB-Reserven sind nicht mehr vorhanden, und Minister Massa bemüht sich jetzt um Kredite, um im Notfall intervenieren zu können. Auf alle Fälle wirkt eine gewisse Reserve, die im Abkommen mit dem Fonds auf u$s 5 Mrd. veranschlagt wurde, beruhigend auf den Markt. Der Abwertungsrhythmus, der bisher höchstens halb so hoch wie de interne Inflation war, wurde jetzt auf ca. 6% monatlich erhöht, so dass der Wechselkurs nicht weiter zurückbleibt. Aber ein Sprung, von 20% und mehr, wie er von vielen erwartet wird, soll ausbleiben.
Um den Kurs verwalten zu können, also mit Abwertungen, die höchstens mit der internen Inflation einhergehen, müssen die Importe kontingentiert werden, und die Exporte fallweise gefördert werden, sei es mit einem Sonderkurs, wie er jetzt bei Sojabohne gilt, oder durch steuerliche oder finanzielle Maßnahmen. Allein, das Einzige, was sofort wirkt und ein messbares Ergebnis hat, ist die Importkontingentierung. Beiläufig sei darauf hingewiesen, dass eine Devisenbewirtschaftung dieser Art schon in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts eingeführt und von der 1935 gegründeten Zentralbank verwaltet wurde. Die Krise der 30er Jahren führte für Argentinien zu einem plötzlichen und bedeutenden Rückgang der Preise der damals wichtigsten Exportprodukte, Rindfleisch und Wolle. Der Rindfleischimport wurde von Großbritannien, damals der bei weitem wichtigste Käufer, zunächst gesperrt und dann begrenzt. Damals gab es keine Inflation, und die Regierung wollte vermeiden, dass eine plötzliche Abwertung inflationäre Folgen haben würde.
Die Devisenbewirtschaftung wurde während des Krieges und danach beibehalten, bis sie ab 1955 schrittweise abgeschafft und die Normalität wieder hergestellt wurde. Dabei wurden hohe Zölle eingeführt, und es gab auch ein Importverbot für Automobile, und bei Stahl und Stahlprodukten musste eine Genehmigung eingeholt werden.
Inzwischen hat sich die Struktur der Wirtschaft stark verändert. Die Importe sind zwar im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt im internationalen Vergleich anormal gering, aber der allergrößte Teil entfällt auf Güter, die für Produktionsprozesse eingesetzt werden. Die Landwirtschaft benötigt vornehmlich Düngemittel, sowie Unkraut- und Insektenvertilgungsmittel, die nicht im Land hergestellt werden, und die Industrie benötigt Maschinen, Anlagen und allerlei Produkte, die einem Produktionsprozess einverleibt werden. Es hat hier schon eine bedeutende Importsubstitution stattgefunden, aber diese ist schließlich in den meisten Fällen an eine Grenze gestoßen, weil es sich um Produkte handelt, die technologisch stark entwickelt sind, oder woanders eben in großen Mengen und viel billiger (und qualitativ besser) hergestellt werden.
Die Begrenzung der Importe ist heute viel schwieriger als in früheren Zeiten, wo es hauptsächlich um Konsumgüter ging. Wenn der Import dieser Güter begrenzt wird, dann betrifft das den Konsum, wobei Argentinien prinzipiell keine Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs zu importieren braucht. In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat diese Importbegrenzung zur Entwicklung der Textilindustrie und bestimmter Bereiche der Metallindustrie geführt.
Aber jetzt stellt sich ein schwieriges Problem, dessen Handhabung der Regierung schwer fällt. Die Regierung hat in letzter Zeit den Kontakt zu den Unternehmerverbänden zunehmend enger gestaltet. Dazu trägt auch der Umstand bei, dass Massa, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, gute Beziehungen zur Unternehmerschaft pflegt. Bei den Kirchners waren diese Beziehungen, sofern es sich nicht um befreundete Unternehmer handelte, mit denen die Kirchners Geschäfte machten, gestört. Das entspricht auch dem marxistischen Weltbild dieser Leute.
Sowohl das Handelssekretariat, das heute auch den Außenhandel einschließt, geleitet von Matías Tambolini, wie die ZB, geleitet von Miguel Pesce, arbeiten eng mit den Unternehmerverbänden und auch einzelnen Unternehmen zusammen, um zu einer rationellen Kontingentierung zu gelangen, so dass die Produktion der einzelnen Güter, die auch importierte Teile enthalten, nicht gehemmt wird. Man staunt, wenn man erfährt, dass auch ein Produkt wie Margarine, das mit Speiseöl erzeugt wird, importierte Produkte enthält, bei denen der Import gehemmt wurde, so dass die Gefahr bestand, dass keine Margarine mehr erzeugt werden konnte. Ein weiterer Einzelfall, der jetzt aufgekommen ist, ist der Import von Reifen für Automobile, Pick-ups, Lastwagen und auch landwirtschaftliche Maschinen. Die lokalen Fabriken erleben einen Dauerkonflikt mit ihrer sehr aggressiven kommunistisch orientierten Gewerkschaft, der die Produktion etwa halbiert hat. Das Arbeitsministerium schaut einfach zu, und lässt geschehen. Ohne Importe könnten die Kfz-Fabriken nur eine beschränkte Menge von Fahrzeugen liefern. Auch bei der Pharmaindustrie sind Probleme aufgetaucht, weil diese prinzipiell die Wirkstoffe für die einzelnen Medikamente importiert.
Abgesehen von der intensiven Kleinarbeit, die sich in Gang befindet, und der Übertragung von immer mehr Importprodukten auf die Liste der nicht automatischen, die einer Sondergenehmigung bedürfen, bei der das Handelssekretariat oft die Mengen verringert, hemmt die ZB die Importe durch den Finanzierungszwang. Importe können erst ab 180 Tagen bezahlt werden. Das ist jedoch ein schlechtes System der Devisenbewirtschaftung, einmal weil es die Importe verteuert, und dann weil es multinationale Unternehmen bevorzugt, die leichten Zugang zu Finanzquellen haben, während rein lokale Unternehmen in dieser Hinsicht Schwierigkeiten haben, weil sie keine Garantien im Ausland bieten können. Die ZB hat in der Vorwoche verfügt, dass die obligatorische Finanzierung auf 180 Tage bis zum 31. Dezember 2022 verlängert wird. Hoffen wir, dass die dann nicht mehr notwendig ist.
Außerdem sollen die Importkontrollen verschärft werden, um Überfakturierungen bei Importen und Unterfakturierungen bei Exporten zu verhindern, die durch die hohe Marge zwischen dem offiziellen und den freien Wechselkurs angespornt werden. Das ist jedoch nicht ein Thema der ZB sondern des Zollamtes. Bei den Exporten von Produkten, die internationale Preise haben, die allgemein bekannt sind, wobei es sich in gewissen Fällen auch auf Preise bezieht, die sich bei Warenbörsen ergeben, ist die Kontrolle relativ einfach. Bei anderen Exporten treten Schwierigkeiten auf.
Bei Importen ist die Ermittlung des korrekten Preises in den meisten Fällen sehr schwierig. In vielen Fällen schwanken die Preise sehr stark, was den Fall noch erschwert. Die Zollämter anderer Länder verpflichten in vielen Fällen Privatfirmen für diese Arbeit. In Argentinien wurde 1997 ein System der privaten Kontrolle (zusätzlich zur offiziellen) für eine Reihe von Produkten eingeführt, bei denen die Preisermittlung schwierig war. Das hat gut funktioniert, wurde aber ab 2001 von Wirtschaftsminister Machinea abgeschafft, der sich von denjenigen überzeugen ließ, die von den Kontrollen bei ihrem “Geschäft” gestört wurden. Eine Naivität. Jetzt ist es unerlässlich wieder zu einer privaten Kontrolle zu greifen, die konkret nicht unbedingt wie die damalige sein muss. Die private Kontrolle ist umso notwendiger, als im Zollamt eine große Korruption besteht, wobei die Bestechungsgelder bei der hohen Kursdifferenz, die gegenwärtig besteht, sehr hoch sein können.
Wirtschaftsminister Sergio Massa ist grundsätzlich ein Pragmatiker, der Kontakt zu den Unternehmern hat und sich seiner Schwächen auf wirtschaftlichem Gebiet bewusst ist, und sich beraten lässt. Er ist nicht von den Vorurteilen von Cristina und ihrer Gefolgschaft belastet. Man kann von ihm eine Politik der kleinen Schritte erwarten, bei der er jeweils einzelne Probleme angeht, und dabei auch viele Entscheidungen delegiert. Doch schließlich kommt der Moment, wo es um grundsätzliche Entscheidungen geht, mit denen allgemein gültige Spielregeln geschaffen werden. Die Devisenbewirtschaftung kann nicht als ständige Methode gedacht werden. Gelegentlich muss Argentinien zu den Spielregeln zurückkehren, die weltweit gelten.
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