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Die bleibenden Änderungen nach der Pandemie

Von Juan E. Alemann

Alberto Fernández (M.) mit Horacio Rodríguez Larreta (l.) und Axel Kicillof
Alberto Fernández (M.) mit Horacio Rodríguez Larreta (l.) und Axel Kicillof. (Foto: Presidencia)

Die Pandemie dürfte erst nächstes Jahr überwunden werden, sofern die Impfstoffe, die in letzter Zeit bekanntgegeben wurden, wirksam sind und allgemein eingesetzt werden. Vorher werden wir eben mit Quarantäne und anderen Maßnahmen auskommen müssen, die den Kontakt unter Menschen beschränken, auch mit öfterem Händewaschen und Mundschutz. Eventuell gibt es eine Lockerung, auch wenn dabei mehr Fälle von Infektionen und Toten in Kauf genommen werden müssen. Die Störungen, die die Wirtschaft weltweit erlebt hat, können eventuell gemildert werden, aber sie dauern an. In Argentinien kommt noch hinzu, dass sich die Wirtschaft schon vor Auftreten der Pandemie in einer rezessiven Phase befand, mit ungelösten strukturellen Problemen, die weiter bestehen.

Wenn die Pandemie vorüber ist, dann muss die Wirtschaft zunächst mit ihren Folgen fertig werden. Der normale wirtschaftliche Kreislauf wird nicht von heute auf morgen wieder hergestellt, auch wenn die Wirtschaft reichlich mit Liquidität ausgestattet ist, was zur Herstellung der Nachfrage verhilft, sofern die Wirkung nicht durch hohe Inflation annulliert wurde. Inzwischen müssen die Unternehmen sich bemühen, um wieder kostendeckend tätig zu sein, und einen Überschuss zu erwirtschaften, mit dem sie den Schuldenberg langsam abtragen, den sie in der Krise angehäuft haben. Wir nehmen an, dass ihnen die AFIP und auch die Banken, die als Gläubiger auftreten, Zeit geben, und sie nicht in den Konkurs treiben. Ob die Regierung dies durch Reformen bei der Konkursgesetzgebung u.a. Normen sicherstellt (wie wir es an dieser Stelle empfohlen haben), wissen wir nicht.

Der Staat hat jetzt stärker und direkter in die Wirtschaft eingegriffen als bisher, und das dürfte weitgehend so bleiben. Das Verhältnis von Staat zu Privatwirtschaft ist anders geworden, und muss jetzt gründlich durchdacht werden. Es ist in Ordnung, dass der Staat eingreift, um zu verhindern, dass Unternehmen in Zeiten einer tiefen Krise zusammenbrechen. Auch die Vereinigten Staaten u.a. Staaten haben während der bedeutenden Finanzkrise von 2008 hohe Mittel bereitgestellt, um Großbanken, die größte Versicherungsgesellschaft und Kfz-Unternehmen zu retten, unter dem Motto “too big to fail”, was bedeutet, dass ihr Zusammenbruch eine Wirkung hätte, die weit über das Unternehmen hinausgeht. In Argentinien denkt man mehr an kleine und mittlere Unternehmen (Pymes). Indessen nimmt der Staat bei allen eine wichtige Rolle ein, was auch die Gefahr in sich birgt, dass Unternehmen verstaatlicht werden. Die Zusammenarbeit zwischen Staat und privaten Unternehmen, besonders den großen, muss noch gründlich durchdacht werden, auch um gesetzliche Bestimmungen zu schaffen, die den zuständigen Beamten die Möglichkeit geben, Unternehmen zu helfen, ohne verdächtigt zu werden, ein Schmiergeld oder sonst einen Vorteil erhalten zu haben.

Was zunächst verbleibt ist eine viel höhere Arbeitslosigkeit, auch eine geringere Zahl von kleinen und mittleren Unternehmen, und eine höhere Zahl von Armen als vor der Seuche. Die Regierung wird sich gezwungen sehen, die Sozialprogramme, an erster Stelle die Lebensmittelhilfen, die in diesem Jahr eingeführt wurden, beizubehalten und eventuell zu erweitern. Beiläufig sei bemerkt, dass die Lebensmittelprogramme recht gut funktioniert haben: Lebensmittelkarte AlimentAr, Erteilung von Mahlzeiten durch Einheiten des Heeres, und Vergebung von Lebensmitteln in hohem Ausmaß an die unzähligen Essanstalten, die besonders in den armen Vierteln der Umgebung von Buenos Aires, aber auch in anderen Orten tätig sind. Minister Daniel Arroyo schätzt deren Zahl auf 10.000.

Das reale Einkommen der Bevölkerung wird für längere Zeit stark unter dem Stand liegen, der vor der Krise bestand, die Mitte 2018 einsetzte. Der Reallohn wird niedriger als vorher sein, und auch andere Einkommen werden geringer ausfallen. Mieten von Geschäften oder Büros sollten real auch niedriger sein, einfach weil die Nachfrage nach Lokalen und Büroräumen geringer sein wird.

Was dabei verbleibt ist zweierlei. Einmal haben viele Unternehmen gemerkt, dass sie mit einer geringeren Belegschaft auskommen, was besonders durch den Einsatz der Computertechnologie und Internet verstärkt zum Ausdruck gekommen ist. Es wird somit weniger Arbeitsplätze geben als vor der Krise. Als zweites verbleibt ein höherer Anteil an Heimarbeit, bei der die Arbeitnehmer Zeit sparen (oft bis zu 3 Stunden Reisezeit hin und zurück zum Arbeitsplatz) und sich gleichzeitig um Haushalt und Familie kümmern können, und die Unternehmen Platz, Strom u.a. Ausgaben sparen. Allgemein waren sich die Unternehmensleitungen nicht bewusst, wie viel Arbeit von der Ferne aus verrichtet werden kann. Auch wir hätten nie gedacht, dass wir unsere Zeitung “Argentinisches Tageblatt” ohne Präsenz im Büro machen konnten, in einigen Fällen sogar von Deutschland aus.

Diese Entwicklung führt auch dazu, dass mehr Arbeit im Abhängigkeitsverhältnis durch Arbeit ersetzt wird, die von selbstständig Tätigen verrichtet wird. Denn das ist von vornherein billiger für die Unternehmen, und eventuell auch vorteilhafter für den Beschäftigten, weil die hohen Soziallasten entfallen. Ohnehin hat der Anteil der selbstständig Tätigen an den Gesamtbeschäftigen in den letzten Jahren stark zugenommen. Wer im Büro eines Unternehmens arbeitet, kann nicht als Selbstständiger eingestuft werden. Wer zu Hause arbeitet wohl, muss aber dabei angeben, dass er für mehr als ein Unternehmen tätig ist. Sonst kann er bei Entlassung die Entschädigung fordern. Auf alle Fälle ist es empfehlenswert, das Arbeitsverhältnis mit Selbstständigen in einem schriftlichen Vertrag festzulegen.

Des Weiteren verbleibt auch ein höherer Anteil der über Internet getätigten Käufe, also über “Mercado libre” oder andere Plattformen. Und das führt auch dazu, dass weniger durch persönliche Präsenz im kleinen Einzelhandel gekauft wird. In der Stadt Buenos Aires mussten viele Einzelhandelsgeschäfte während der Pandemie geschlossen bleiben, und von diesen haben viele schon definitiv aufgegeben. Das tut einem Leid für die, die es betroffen hat, ist aber schließlich nicht so schlecht, weil der Einzelhandel bei vielen Branchen stark überbesetzt ist. Wenn weniger Geschäfte verbleiben, erhalten die Überlebenden eine besser Existenzbasis.

Eine bedeutende Änderung ist bei den Banken eingetreten, die in der Pandemie sehr stark auf Zahlungen an Kunden oder von diesen an andere über Internet übergegangen sind. Bei den lokalen Banken hat es lange gedauert, bis sie die Kostenersparnis erkannt haben, der sich bei Zahlungen über Internet statt per Scheck ergibt. Aber in der Pandemie sind sie voll in dieser Richtung fortgeschritten, was für die Banken, sowie ihre Kunden, von Vorteil ist. Es dürfte somit weniger Menschen in den Banken geben, und die üblichen Schlangen dürften verschwinden. Pensionäre können jetzt auch die Quittung für den Bezug ihrer Pension per Internet erhalten, und auch den Nachweis, dass sie noch am Leben sind, per Internet liefern, mit Photo und Augenzwinkern. Und das Bargeld können sie bei der automatischen Kasse der Bank abheben.

Die Pandemie hinterlässt bestimmt viele Änderung der Verhaltensweisen, die wir jetzt nicht klar erkennen. Werden viele Menschen versuchen, verlorene Ferien und Reisen nachzuholen? Werden sie Haushaltsausstattungen kaufen, die sie in dieser Zeit nicht kaufen konnten? Wir werden bestimmt viele Überraschungen erleben, und auf alle Fälle bemerken, dass die Pandemie viel mehr verändert hat, als wir angenommen hatten.


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