Von Juan E. Alemann
Eine tiefe Rezession, eine hohe Inflation, gestiegene und hohe Arbeitslosigkeit und allerlei Einzelprobleme, die damit zusammenhängen, vermitteln den Eindruck, dass die Regierung von Präsident Mauricio Macri total versagt hat. Doch das stimmt nicht. Abgesehen davon, dass Macri auf dem nicht-wirtschaftlichen Bereich große Erfolge erzielt hat, wie bei der Bekämpfung des Drogenhandels und -konsums, der Verbesserung der persönlichen Sicherheit und vielen qualitativen Aspekten des täglichen Lebens, gab es auch bei der Wirtschaft bedeutende Fortschritte. Wenn Macri sagt, man müsse nur am gegenwärtigen Kurs festhalten, bis sich die positiven Ergebnisse zeigen, so hat er grundsätzlich recht. Gewiss: er hat auch viele Fehler begangen, und die gegenwärtige Wirtschaftspolitik ist in wichtigen Aspekten, besonders der monetären Politik, nicht die Richtige.
In folgenden Aspekten wurde ein großer Fortschritt erreicht:
Das Defizit der Finanzen des Bundesstaates ist von über 6% (mit nicht gebuchten Ausgaben sind es etwa 8%) des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Jahr 2015 und 6,5% im Jahr 2017, dieses Jahr stark zurückgegangen, und dürfte 2019 mit 3% bis 4% schließen. Das umfasst das primäre Defizit, das stark eingedämmt wurde, und die Zinsen, deren Betrag gestiegen ist.
Dabei ging die Staatsquote (gesamte Ausgaben des Bundesstaates, der Provinzen und der Gemeinden, bezogen auf das BIP) von etwa 45% im Jahr 2015 auf ca. 40% zurück. Das wurde durch die drastische Verringerung der Subventionen für öffentliche Dienste, geringere Staatsinvestitionen in Infrastruktur, viele kleine Ersparnisse, und auch durch einen Reallohnverlust bei den öffentlichen Angestellten erreicht. Dabei spielt auch die Ausmerzung der gigantischen Kirchner-Korruption und die Abschaffung der chaotischen Durchführung öffentlicher Bauten eine Rolle. Die Qualität der staatlichen Leistungen hat sich unter Macri verbessert, so dass die Gesellschaft mehr vom Staat erhält. Auch bei staatlichen Infrastrukturinvestitionen wird jetzt mit dem gleichen Betrag (in konstanter Währung oder in Dollar berechnet) viel mehr gemacht, nicht nur weil die Überpreise wegfallen, sondern auch, weil besser geplant und vollzogen wird.
Besonders wichtig war die Korrektur der Tarife für öffentliche Dienste, die 2015 und vorher durchschnittlich um die 20% der Kosten deckten, während es jetzt um die 80% sind. Das hat die Staatskasse stark entlastet, zu einem rationelleren Konsum geführt, und Investitionen auf dem Energiegebiet möglich gemacht. Die nächste Regierung geht von einer weitgehend normalisierten Lage aus.
Die hohe Steuerhinterziehung wurde erfolgreich bekämpft, obwohl sie immer noch viel höher als es in einer Gesellschaft wie der argentinischen sein sollte. Bei der MwSt. liegt die Hinterziehungsrate jetzt unter einem Drittel des theoretischen Gesamtbetrages, bei der Gewinnsteuer (Einkommenssteuer) sind es bei physischen Personen und Kleinunternehmen um die zwei Drittel, bei Großunternehmen, die eine geordnete Buchführung haben und stark kontrolliert werden, nur sehr wenig. Und bei anderen Steuern ist die Lage unterschiedlich. Eine hohe Hinterziehung besteht auch bei Importzöllen, wo eine Unterfakturierung von bedeutendem Ausmaß stattfindet. Nur der direkte Schmuggel, der unter den Kirchners sehr groß war, und Teil der K-Korruption war, besteht kaum noch. Die Macri-Regierung hat schon große Erfolge bei der Erfassung von Bereichen erzielt, in denen die Hinterziehung anormal hoch war, wie die Fleischwirtschaft, wo die Schlachthöfe, die den Binnenkonsum bedienen, kaum Steuern zahlten, und die Grossisten (“matarifes”) und die Metzger auch nicht. Dabei konnten auch Landwirte ihre Rinder schwarz halten und verkaufen. Im gesamten Bereich der Rindfleischwirtschaft lag die Hinterziehung bei über zwei Dritteln, und jetzt liegt sie unter einem Drittel. Ebenso wurde der Einzelhandel besser erfasst, mit obligatorischer Einrichtung eines Postnet-Gerätes, so dass eine Zahlung mit Karten nicht mehr verweigert werden kann. Die AFIP jagt jetzt auch außerhalb des Zoos, und das macht einen wesentlichen Unterschied aus. Auch gibt es hier keine Korruption mehr, wie sie vorher mit der Duldung und Förderung der Hinterziehung durch K-Unternehmer (besonders Lázaro Báez und Cristóbal López) bestand. Die Senkung des Steuerdrucks, der auch nach der Steuerreform von Macri für diejenigen, die ihre Steuern korrekt zahlen, unerträglich hoch ist, kann nur erreicht werden, wenn die Hinterziehung stark zurückgeht.
Das Leistungsbilanzdefizit, das zunächst unter Macri stark gestiegen war und 2017 u$s 31 Mrd. erreichte, wird dieses Jahr voraussichtlich auf u$s 7,5 Mrd. sinken. Das bedeutet, dass ein Defizit von 5% des BIP auf 1,5% abnimmt. Doch dies wurde durch den real hohen Wechselkurs und die Rezession erreicht. Die Regierung sollte sich überlegen, wie dies erhalten bleibt, wenn die Konjunktur wieder aufwärts geht und der Wechselkurs real nicht mehr so hoch ist. Mit höheren Exporten allein ist das Problem nicht gelöst. Es muss auch eine Beschränkung der Importe geben, was an erster Stelle eine private Mitwirkung bei der Kontrolle der angegebenen Importpreise erfordert, um die bestehende phänomenale Unterfakturierung auszumerzen, die importierte Produkte verbilligt und den Import derselben erhöht.
Die Landwirtschaft verzeichnet einen großen Sprung. Die Rekordernte von Getreide und Ölsaat, die dieses Jahr erreicht wird und jetzt auf 145 Mio. Tonnen berechnet wird (gegen knapp über 100 Mio. Tonnen im Vorjahr und 125 Mio. Tonnen, die noch vor einigen Monaten für diese Ernte geschätzt wurden)) ist nicht nur auf günstige klimatische Verhältnisse zurückzuführen, sondern auch die Politik der Macri-Regierung, die den Landwirten den (fast) vollen Preis sichert, und auch dem technologischen Fortschritt einen Impuls verliehen hat. Die Landwirtschaftspolitik der Macri-Regierung hat auch zu einer bedeutenden Zunahme des Rinderbestandes geführt, die jetzt in einer höheren Fleischproduktion und stark steigenden Exporten zum Ausdruck kommt.
Bei der Ausbeutung des Schiefergas- und Erdöllagers Vaca Muerta, in Neuquén, hat ab 2015 ein großer Fortschritt stattgefunden, mit hohen Investitionen, die allein 2018 u$s 4,2 Mrd. betrugen. In diesem Gebiet stieg die Gasförderung 2018 gegenüber dem Vorjahr um 233% und die von Erdöl um 81%. Die Energiebilanz beim Außenhandel ging von einem hohen Defizit (wegen Importen von teurem verflüssigtem Gas in Schiffen) auf einen Überschuss über. Während unter den Kirchners die bestehenden hohen Erdöl- und Gasreserven weitgehend aufgebraucht wurden, sind jetzt Reserven von Vaca Muerta von 24 Mrd. Tonnen Erdöl (bei Gas, auf Erdöleinheiten umgerechnet) hinzugekommen, die 300 Mal den gegenwärtigen jährlichen Konsum von Erdöl und Gas darstellen.
Der Eisenbahntransport hat sich spürbar verbessert, ganz besonders bei der Belgrano-Bahn (Buenos Aires bis Jujuy), so dass im März 2019 die beförderte Fracht gegenüber dem Vorjahr um 271% gestiegen ist. Ebenfalls wurde das Straßennetz verbessert und ausgebaut. Der Frachtentransport ist jetzt effizienter geworden, und das hat eine grosse Wirkung auf die Wirtschaft des Landesinneren.
Obwohl die hohen Investitionen, die von einigen Optimisten in der Regierung erwartet wurden, nur bei der Erdöl-und Gaswirtschaft auftraten, gab es sehr viele kleinere Investitionen, die in vielen Fällen mit der technologischen Revolution verbunden sind und somit kostensenkend wirken und die Kapazität stark erhöhen. Die Produktionsstruktur ist unter Macri effizienter geworden, was einmal zur Überwindung der Rezession beiträgt, und dann eine viel höhere Produktion in Aussicht stellt..
Der Bau der Riesenröhre,die parallel zum Riachuelo läuft und die Abwässer der Gegend aufnehmen soll, die jetzt noch in den Fluss fließen, ist schon weit fortgeschritten und sollte 2020 fertig sein. Es handelt sich mit der Reinigungsanlage am Rìo de la Plata um eine Investition von insgesamt fast u$s 3 Mrd. Das begünstigt direkt 4,5 Mio. arme Menschen, die unter Verseuchung und Gestank leiden und oft auch erkranken.
Mit diesen Leistungen, und vielen anderen, wie der Anschluss an das Netz von fließendem Wasser und das Abwassersystem, und auch die Pflasterung der Erdstraßen in armen Gegenden von Groß Buenos Aires, ist das Problem noch nicht gelöst. Doch diese bedeutenden Fortschritte sollten die Reformen erleichtern, die noch fehlen, die das eigentliche Programm einer zweiten Macri-Regierung darstellen. Es sind schwierige Reformen, und es ist verständlich, dass Macri sie nicht erwähnt. Wie weit er sich selber über dies bewusst ist, sei dahingestellt. Doch wenn Cristina Kirchner die Regierung übernimmt, kann man nicht erwarten, dass diese Reformen durchgeführt werden. Es dürfte eher einen Rückschritt geben, mit einem Wechselkurs, der stark zurückbleibt, Tarifen öffentlicher Dienste, die die Kosten immer weniger decken, und weiteren populistischen Maßnahmen. Und andere Kandidaten aus dem peronistischen Lager würden eventuell nicht so weit wie Cristina gehen, aber doch in die gleiche Richtung.
Was jetzt noch fehlt ist folgendes:
Die Staatsausgaben müssen weiter real gesenkt werden. Das erfordert einmal eine Einfrierung der freiwerdenden Stellen, die durch durch Pensionierung, Rücktritt, Entlassung oder schwere Krankheiten und Tod entstehen, was insgesamt landesweit über 100.000 pro Jahr ausmacht. Dann eine muss eine gründliche Durchkämmung der einzelnen Ausgabenposten erfolgen, am bestehen mit der Methode des “Nullbudgets”, bei der die Ausgabenstruktur in jedem Amt von Null auf untersucht wird. Ebenfalls müssen Entscheidungen getroffen werden, die sich auf Ausmerzung unnötiger Ausgaben bezieht, wie die Schliessung des Kohlenbergwerkes von Rio Turbio.
Die Arbeitsgesetzgebung muss geändert werden, mit Reformen, die eine höhere Beschäftigung erlauben und die Effizienz erhöhen. Das schließt auch die Regelung der Arbeit ein, die zu Hause und nicht im Büro eines Unternehmens geleistet wird, bei der ein gesetzlicher Rahmen fehlt..
Es muss eine strenge Lohnpolitik geben, mit Begrenzung der Zunahmen. Bei den paritätischen Verhandlungen muss auch ein Vertreter des Produktions-und Arbeitsministeriums anwesend sein, wenn möglich mit Stimmrecht, der sich systematisch Erhöhungen widersetzt, die entweder auf die Preise übertragen werden oder Subventionen erfordern.
Das Finanzsystem muss auf Dollar übergehen. In einem Land, in dem die Bevölkerung weitgehend in Dollar spart, müssen die Banken auch vornehmlich in Dollar leihen, und der Staat muss sich in Dollar verschulden, Das bimonetäre System, das faktisch schon besteht, muss formell ausgebaut werden, so dass die absurden Pesozinsen, die gegenwärtig bestehen, verschwinden. Das würde auch zur Senkung des Staatsdefizits beitragen, das von den hohen Pesozinsen belastet wird. Mit diesen Maßnahmen hätte die Macri-Regierung in einer zweiten Amtszeit schon sehr viel zu tun, wobei ohnehin noch viel hinzukommt. Aber wenn die Konjunktur dann, wie zu erwarten und auch als Folge der schon geleisteten Arbeit, nach oben geht, ist alles viel einfacher.
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