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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die Beziehung zum IWF und das Problem der Staatsschuld

Von Juan E. Alemann

Die Regelung der Schuld von u$s 44 Mrd. gegenüber dem Internationalen Währungsfonds muss so bald wie möglich abgeschlossen werden, um das Problem der Staatsverschuldung im Allgemeinen befriedigend lösen zu können, und eine Perspektive für eine normale Entwicklung der Wirtschaft, mit schneller Aufholung des BIP-Rückgangs von 2020, und Wachstum danach, bieten zu können. Doch dessen scheint sich die Regierung nicht bewusst zu sein. Präsident Alberto Fernández schon gar nicht, der einen Tag versichert, dass Argentinien die Schuld gegenüber dem IWF zahlen werden, und dann am nächsten Tag das Gegenteil sagt. Cristina auch nicht, die davon ausgeht, dass man zunächst nichts zahlen soll, etwa wie es von 2002 nach dem Megadefault bis Mitte 2005 der Fall war.

Martín Guzmán, der genau weiß, um was es geht, beugt sich dem Willen von Cristina, sagt den Unterhändlern des IWF, dass er vor den Wahlen keine Verpflichtungen eingehen kann, was bedeutet, dass man bestenfalls im November ein Umschuldungsabkommen erwarten kann, und bis dahin viele wichtige Entscheidungen der Wirtschaftswelt still stehen. Ebenfalls hat sich Guzmán, wenn auch ohne Überzeugung, der These angeschlossen, dass die Schuld auf 20 Jahre amortisiert werden muss, weil sonst die Amortisation mit den Zahlungsverpflichtungen zusammenfällt, die im Juni mit privaten Gläubigern vereinbart worden waren. Doch der Fonds hat eine starre Regelung, die Guzmán gut kennt: es gibt kein Programm auf 20 Jahre, sondern nur auf 10, genannt “extended facilities”, und daran muss man sich halten. Auch darf der Fonds laut Statuten keine Zinsen schenken. Die Signale, die die Regierung dem Finanzmarkt sendet, sind verheerend. So sehr, dass eventuell auch Cristina ihre Haltung ändert oder zumindest aufweicht.

Fangen wir jetzt von vorne an. Die totale Rückzahlung der Staatsschuld, sei es in 10 oder auch in 20 Jahren, ist eine Phantasie. Das ist einfach nicht möglich und wäre weltweit nur unter ganz außerordentlichen Umständen möglich, also z.B. wenn ein Land plötzlich hohe Erdöl- oder Gasvorkommen entdeckt, die ihm anormal hohe Deviseneinnahmen in Aussicht stellen. Sonst kann die Staatschuld verringert werden, indem der Betrag der Amortisationen höher als der der neuen Schulden ist, aber nicht getilgt werden.

Argentinien weist Ende des 3. Quartals 2020 eine gesamte Staatsschuld von u$s 332,24 Mrd. auf, was leicht über 100% des Bruttoinlandsproduktes ausmacht. Auch Ende des 1. Quartals 2021 dürfte der Betrag nicht viel höher sein. Doch das BIP ist in Wirklichkeit höher, weil die Berechnung auf der Grundlage der Wirtschaftsstruktur von 1994 beruht, und inzwischen als Folge der technologischen Revolution u.a. Umstände grundsätzliche Änderungen eingetreten sind. Es ist höchste Zeit, dass eine Neuberechnung in Angriff genommen wird, und die Vereinten Nationen über ihre Lateinamerikaabteilung CEPAL dafür verpflichtet werden. Wenn sich dann ergibt, dass das BIP bei u$s 500 Mrd. liegt, dann beträgt die Schuld nur 66,4% des BIP. Und dann sieht der Fall von vornherein anders aus.

Aber es gibt noch mehr. Von der gesamten Staatsschuld entfallen 40,7% auf innerstaatliche Schulden, also vom Schatzamt gegenüber der Zentralbank, dem Sonderfonds der ANSES, der Banco Nación u.a. staatlichen Stellen. Hier handelt es sich somit um eine Schuld des Staates gegenüber sich selber, was bedeutet, dass sie in Wirklichkeit nicht existiert. Es handelt sich nur um ein Problem der staatlichen Buchführung. In der Praxis werden diese Schulden bei Verfall automatisch erneuert.

Weitere 22,5% der Staatsschuld (gleich u$s 83 Mrd.) entfallen auf den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank, die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID), die Andenkörperschaft, chinesische u.a. Banken. Der IWF wird es nicht auf einen Default ankommen lassen und die Amortisation strecken. Die Schulden gegenüber der Weltbank, der BID und der Andenkörperschaft werden niedrig verzinst und langfristig amortisiert, so dass sie unmittelbar kein Problem darstellen. Außerdem besteht hier die ungeschriebene Regel, dass die neuen Kredite zumindest die Amortisation der bestehenden ausgleichen, so dass es kein Zahlungsproblem geben sollte.

Es verbleibt somit ein Anteil von 36,8%, der auf private Gläubiger entfällt, vornehmlich Investmentfonds. Das wären somit u$s 88,32 Mrd., gleich 27% des BIP. Das sieht von vornherein ganz anders aus. Der Koeffizient ist im internationalen Vergleich niedrig. Die Titel dieser Schuld werden an der Börse zu Schleuderpreisen gehandelt, von etwa 30% des Nennwertes. Zum Börsenwert schrumpft die Schuld gewaltig. In letzter Zeit hat die ZB schon angeblich u$s 1,5 Mrd. aufgewendet, um diese Titel an der Börse zu kaufen, wodurch sie schon u$s 4,5 Mrd. der Schuld getilgt hat. Die ZB sollte hier weiter fortschreiten, und finanziellen Mitteln für diesen Zweck Priorität geben. Dann würde das Problem der Schuld gegenüber den Investment-Fonds stark entschärft. Wenn die ZB weiter Titel kauft, dann steigt der Kurs, und das verringert die Landesrisikorate, was eine positive Wirkung hätte. Das Wirtschaftsministerium könnte auch Dollar zu niedrigen Zinsen (bis zu 5%) aufnehmen, durch Ausgabe von Dollartiteln, die von Inhabern lokaler Dollarguthaben gezeichnet werden, die dabei weißgewaschen werden. Wenn mit dem Geld dann Titel zu einem Preis gekauft werden, der weit unter dem Nennwert liegt, ist das ein sehr gutes Geschäft, bei dem die Staatsschuld spürbar abgebaut wird.

Wenn es jetzt zu einer Regelung mit dem Fonds kommt, die das Schuldenproblem für einige Jahre aus der Welt schafft, und sich Argentinien einigermaßen vernünftig verhält, dann kommen bestimmt Investitionsprojekte auf, die mit Bankfinanzierung zählen. In diesem Sinn ist es wichtig, dass die Schuld gegenüber dem Pariser Klub bedient wird, die schließlich entstanden ist, weil Kredite für Kapitalgüterlieferungen aus Europa, den USA, und Japan nicht bedient wurden, und der Staat einspringen musste, der über Kreditversicherungsanstalten (Hermes, Coface u.a.) Garantien erteilt hat. Diese Garantien sind in Zukunft unerlässlich. Der Betrag von u$s 2,4 Mio. an Amortisation, der unmittelbar verfällt, sollte pünktlich gezahlt werden und nicht hinausgeschoben werden, wie es Guzmán angeblich will.

Es bestehen schon viele Investitionsprojekte, vor allem von chinesischen Firmen, die mit einer mittelfristigen Finanzierung begleitet werden. Jetzt wurde auch bekannt, dass Interesse für den Bau und die Finanzierung des Wasserkraftwerkes Chihuidos besteht, das am oberen Lauf des Limay-Flusses in Neuquén gebaut werden soll. Auch für Lithiumausbeutung besteht ein enormes Interesse, im Zusammenhang mit dem Übergang auf elektrisch angetriebene Automobile und Omnibusse, die leistungsfähige Batterien erfordern. Private Kfz-Firmen, wie Toyota und danach BMW, haben schon Investitionen für Lithiumausbeutung angekündigt. Es gibt auch größere Bergbauprojekte, bei denen nur das Problem der Überweisung von Gewinnen gelöst werden muss. Gesamthaft müsste man davon ausgehen, dass neue Kredite und Investitionen zahlungsbilanzmässig den größten Teil der Amortisationen decken, die bei der Staatsschuld schon verpflichtet wurden und noch verpflichtet werden. Der Betrag, der dabei als notwendig erscheint, ist gewiss nicht so hoch, dass er als unrealistisch eingestuft wird.

Der IWF wird Argentinien bestimmt unterstützen, wenn die Umschuldung, die unerlässlich ist, eine vernünftige Basis hat. Die Regierung muss ein Gesamtbild vorlegen, auch mit den erwarteten neuen Krediten und Investitionen. Doch dabei müssen auch die Staatsfinanzen saniert werden. In diesem Sinn will Guzmán nach der ersten Erhöhung der Tarife öffentlicher Dienste, im zweiten Halbjahr eine zweite hinzufügen, mit einer Differenzierung der Konsumenten gemäß ihrem Einkommen, so dass die Zunahme bei wohlhabenden Haushalten viel höher wäre. Abgesehen davon müssen weitere Maßnahmen getroffen werden.

Das primäre Defizit der Staatsfinanzen muss kurzfristig ausgemerzt werden, oder zumindest nur noch so hoch bleiben, dass es mit einer mäßigen Geldschöpfung gedeckt werden kann. Dessen ist sich Minister Guzmán bewusst. Bei Wachstum muss die Geldmenge ohnehin die reale Wirtschaft begleiten, um keinen monetären Engpass zu schaffen, der die Wirtschaft bremst. Den Staat in Ordnung zu bringen ist keine Kleinigkeit, ist aber unerlässlich. Ebenfalls müssen dann auch andere Probleme gelöst werden, die die Wirtschaft belasten. Doch zunächst sollte man mit dem unmittelbaren Problem anfangen, wie wir es oben dargestellt haben. Und wenn dies nicht begriffen wird, dann stehen schlimmer Zeiten bevor. Noch viel schlimmere als jetzt!

In diesem Artikel weisen wir auf die Notwendigkeit hin, die Problematik der Staatsverschuldung formell so darzustellen, dass sie mit gutem Willen gelöst werden kann. Ohne dies entsteht eine Weltuntergangsstimmung, die die Lösung erschwert oder unmöglich macht. Es sollte für die Regierung, an erster Stelle Wirtschaftsminister Martín Guzmán, nicht so schwer sein, dies zu verstehen.


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