Von Juan E. Alemann
Das statistische Amt (INDEC) hat im März die Zahl der Armen auf Grund der periodischen Erhebung, die bei Haushalten in 31 städtischen Bezirken erfolgt, auf 18,1 Mio. Menschen berechnet, was sich mit 15,6 Mio. ein Jahr zuvor vergleicht. Das ergibt 39,5% der Bevölkerung, gegen 34,6% im Vorjahr. Gleichzeitig werden von diesen Menschen 11,2% (Vorjahr 8,6%) als extrem arm (“indigentes”) eingestuft. Bei den Armen im Allgemeinen reicht das Einkommen nicht aus, um den minimalen Bedarf zu decken, und bei den extrem Armen, nicht einmal um den Lebensmittelbedarf zu befriedigen. Im Jahr 2020 stieg die Armut im zweiten Quartal auf 47,2%, sank dann im dritten auf 38,8% und stieg im vierten auf 45,3%. Diese großen Schwankungen wurden offiziell nicht erklärt, und uns fällt auch keine Erklärung ein.
Diese Zahlen sollte man mit Vorsicht genießen. Einmal ist eine Hochrechnung von ca. 10.000 Familien auf ca. 10 Mio., die es im ganzen Land gibt, rein statistisch nicht zulässig. Dann ist die Armut in städtischen Gebieten ganz anders als in ländlichen, wo meistens Naturaleinkommen, wie eigenes Obst und Gemüse, Eier aus Hühnerzucht u. dgl. mehr hinzukommen. Ebenfalls macht das statistische Amt keine Rückfragen, wie sie z.B. bei Menschen notwendig sind, die ein besonders niedriges Einkommen angeben, aber gut ernährt aussehen. Auch ermittelt das INDEC die Wohnungsbedingungen u.a. Umstände nicht, die eine qualitative Dimension der Armut darstellen.
Doch auch wenn es die Hälfte wäre und die Zunahme von einem Jahr aufs andere keine 2,5 Millionen Menschen beträgt, wie es das INDEC angibt, ist die Armut hoch. Sie ist auch so in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen und reimt sich nicht mit einem Land wie Argentinien zusammen, das Lebensmittel im Überfluss erzeugt und in großen Teilen des Landes den Anbau von Gemüse, die Hühnerzucht u.a. Tätigkeiten erlaubt, die Familien eine Ernährungsbasis geben.
Das Armutsproblem wird politisiert und zu einer Schuldfrage gemacht, statt vernünftig untersucht und dargestellt zu werden. Und dabei geschieht eben kaum etwas, um die Armut weitgehend zu überwinden, was objektiv gesehen, durchaus möglich sein sollte. Und zwar in wenigen Jahren.
In der Staatsstruktur gibt es ein Sozialministerium, dass sich mit dem Problem befasst, das bis vor kurzem von Daniel Arroyo geleitet wurde. Das Sozialinstitut der katholischen Universität bescheinigt ihm eine gute Leistung mit seiner AlimentAr-Karte, mit der Millionen arme Familien Lebensmittel unentgeltlich beziehen. Ohne die Karte, so die Universität, wäre die Ernährung dieser Menschen erheblich schlechter gewesen. Außerdem werden die etwa 10.000 Anstalten, die Menschen unentgeltlich ein warmes Essen bieten, vom Staat mit allerlei Nahrungsmitteln versorgt. Über dies wird jedoch nicht berichtet. Das System könnte verbessert und erweitert werden. Ziel muss es für die Regierung sein, dass alle Menschen zumindest essen können, und dann auch, dass sie eine ausgeglichene Nahrung erhalten. Das ist für die Staatsfinanzen tragbar. Doch dabei sollte man auch einen Schritt weiter gehen, und sich bemühen, die hohe Marge, die beim Gemüsehandel besteht, zu verringern, vom Landwirt bis zum Konsumenten steigt der Preis von eins auf fünf.
Um die Armut effektiv zu überwinden bedarf es der Sozialassistenten, die es für diesen Zweck nicht gibt. Sie müssen den Armen zunächst beistehen, damit sie ärztlich betreut werden, dann bei Stellensuche, bei Ausbildung u.s.w., und schließlich sollten sie den zuständigen Beamten des Sozialministeriums Vorschläge unterbreiten. Denn diese haben nur allgemeine Vorstellungen, denken bürokratisch und hängen weitgehend von den sozialen Organisationen ab, mit denen Leute wie Grabois u.a. Politik machen.
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