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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Deutsche Sprache und Kultur in Argentinien

Eine Betrachtung zur Bedeutung und Geschichte

Von Juan Alemann

Johann Alemann
Tageblatt-Gründer Johann Alemann. (AT)

Buenos Aires (AT) - Das Argentinische Tageblatt hat von Anfang an einen großen Beitrag zur Erhaltung der deutschen Sprache und Kultur geleistet. Obwohl der Gründer, mein Urgroßvater Johann Allemann, in Argentinien zu Juan Alemann umbenannt, aus der Schweiz stammte, war seine Muttersprache Deutsch, zunächst in Form des Schweizer Dialekts, aber in der Schule schon Hochdeutsch, und seine Kultur die deutsche.

Deutsch wurde in Argentinien lange Zeit viel gesprochen. Die periodischen Einwanderungswellen brachten Deutsche, Österreicher und Schweizer ins Land, die erst nach und nach Spanisch lernten, es aber auch dann vorzogen, sich auf Deutsch zu unterhalten und sich über eine deutschgeschriebene Zeitung zu informieren. Die erste große Einwanderungswelle fand in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts statt, als Argentinien voll in die moderne Welt eintrat und einen phänomenalen Aufschwung erlebte. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich von 1880 bis 1890 nach neuen Berechnungen etwa verdreifacht, und dazu trug die hohe Immigration auch bei, wobei die Einwanderer aus dem deutschsprachigen Bereich auch dank ihres relativ hohen kulturellen Niveaus einen großen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisteten. Denn sie brachten eine Arbeitskultur mit sich, und oft auch Kenntnisse über Landwirtschaft und Bereiche der Industrie. Die vielen Menschen, die damals Deutsch sprachen, erlaubten Alemann, von der 1878 gegründeten Wochenzeitung im Jahr 1889 auf eine Tageszeitung überzugehen, die erst wieder ab 1981 nur einmal in der Woche erscheint.

Die deutschsprachigen Einwanderer und ihre Nachkommen stellten nicht nur eine sprachliche Gemeinschaft dar, sondern auch eine kulturelle. Es entstanden unzählige Schulen, Vereine, Sportklubs, Religionsgemeinschaften, Altersheime und nicht zuletzt das Deutsche Hospital. Der größte Teil dieser Institutionen besteht heute noch, und das Argentinische Tageblatt berichtet über sie. Viele deutsche Unternehmen siedelten Tochterfirmen im Land an, so dass Deutschland vor dem Krieg nach Großbritannien an zweiter Stelle bei Auslandsinvestitionen stand.

Die deutsche Sprache war in der Vorkriegszeit sehr präsent im Land, wurde aber ab etwa 1960 zunehmend vom Spanischen verdrängt. Die Entwicklung geht in die Richtung der Vereinigten Staaten, wo es viele deutsche Vereine gibt, in denen nur Englisch gesprochen wird.

Die Erhaltung der Sprache erfordert eben, dass ständig Einwanderer kommen, die die Deutschsprechenden im Land zwingen, auf Deutsch zu reden, eben weil sie kein Spanisch sprechen. Die Einwanderung aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ist nach einem letzten Schub in der unmittelbaren Nachkriegszeit stark geschrumpft, wobei auch Nachkommen von Deutschen, Österreichern und Schweizern in das Land ihrer Vorfahren zurückkehrten, in denen sich bessere Möglichkeiten bieten als in Argentinien. Diesen Schrumpfungsprozess bekommen auch wir, das Argentinische Tageblatt, zu spüren. Aber wir kämpfen weiter, um die deutschsprachige Gemeinschaft zu erhalten, was auch eine Bemühung um die Sprache und die Kultur ist. In den deutschen Schulen ist schon lange die Zeit vorbei, in der die meisten Schüler von Haus aus fließend Deutsch sprachen. Die Kategorie „Deutsch als Muttersprache“ gibt es kaum noch. Jetzt wird Deutsch als erste Fremdsprache gelehrt, und das ist nicht das Gleiche.

Erste Ausgabe des Tageblatts
Die erste Ausgabe des Tageblatts vom 29. April 1889. (AT)

„Deutsche Sprache, schwere Sprache” heißt ein Sprichwort. Gewiss hat die deutsche Sprache einen komplexen Aufbau, der das Lernen der Sprache schwierig macht. Wobei auch viele, die Deutsch fließend sprechen, gelegentlich nach einem Wort oder einer Ausdrucksweise suchen und dabei manchmal direkt auf Spanisch übergehen, das eine viel einfachere Sprache ist. In den letzten Jahrzehnten ist noch das Englisch hinzugekommen, das zur Weltsprache geworden ist, besondere Ausdrücke für die moderne Welt geschaffen hat, und den Vorteil hat, dass man mit einem geringen Wortschatz zurechtkommt, aber auch ein kultivierteres Englisch sprechen kann, mit mehr Worten und komplexeren Ausdrucksformen.

Englisch verdrängt nicht nur weltweit Deutsch als Umgangssprache, auch in Argentinien, sondern dringt in die deutsche Sprache ein. Ein Arbeitsplatz wird auch in deutschen Texten als Job bezeichnet, ein Luftfahrtunternehmen als Airline u.s.w. Wir haben uns im Tageblatt zunächst gegen diese Tendenz gesträubt. Aber nachdem auch die Nachrichtenagentur DPA zunehmend englische Wörter in ihre Texte einschleust, mussten wir nachgeben. Aber doch nicht ganz, denn die deutsche Sprache liegt uns am Herzen. Mein jüngster Sohn sagte mir vor Jahren schon, er habe 15 Jahre lang Deutsch gelernt (in der Pestalozzi-Schule) und spreche jetzt fließend Englisch. Vielen Absolventen deutscher Schulen dürfte es ähnlich ergehen. Englisch kommt eben überall auf die Menschen zu, besonders im Fernsehen.

Mit der schwindenden deutschen Sprache geht jedoch nicht die deutsche Kultur verloren, die weit über die Sprache hinausgeht. In Europa besteht ein eigenartiges Phänomen, das darin zum Ausdruck kommt, dass einzelne Länder auf bestimmten Gebieten eine dominierende Stellung einnehmen. England ist führend auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaft, und hat auch fast alle Sportarten erfunden (Tennis, Fußball, Golf u.a.). Frankreich ist führend bei moderner Malerei, und Italien ist das Land der Oper. Deutschland reserviert sich einen absoluten Spitzenplatz auf dem Gebiet der Philosophie, die ohne Kant, Hegel, Schopenhauer, Heidegger, Husserl und vielen anderen schlicht undenkbar ist. Die deutsche Sprache eignet sich vorzüglich für abstraktes Denken. Bestimmte Begriffe, wie Weltanschauung, sind unübersetzbar.

Auch bei klassischer Musik steht Deutschland an der Spitze, mit Beethoven, Bach und vielen anderen Komponisten. Und der Österreicher Mozart gehört schließlich auch zur deutschen Kultur. Ebenfalls nimmt Deutschland einen hohen Stellenwert in der Literatur ein, und auf diesem Gebiet auch in der Lyrik. Gewiss ist Goethe eine Weltfigur, aber andere Länder haben ihre, die auch weltweit anerkannt sind, wie etwa Shakespeare, Molière und Cervantes.



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