Von Marion Kaufmann
Chaco, Formosa, Salta, wo auch immer: das Bild ist stets das Gleiche. Spindeldürre, dehydrierte Kinderkörper; hungrige Kinder. Vor einiger Zeit zirkulierte in allen Medien das Bild eines kleinen Mädchens, das nur „ich habe Hunger nach Wasser“ sagen konnte. Geographisch gehört der Norden zu Argentinien, kein Zweifel. Aber man hat ihn vergessen. Manchmal wird eine kleine Klinik oder eine Brücke eingeweiht, da erscheinen die Funktionäre, halten Reden, Schulkinder singen die Nationalhymne; die Herren und Damen aus der Stadt versprechen Vieles und fahren wieder weg.
So habe ich es gesehen, als ich 2014 mit einer Gruppe nach Chaco fuhr, und was man jetzt darüber erfährt, erweckt den Eindruck, dass sich nichts geändert hat. Wir verzichteten damals Resistencia kennen zu lernen, und fuhren direkt nach Castelli und von dort, nach einem Buswechsel, zum Impenetrable. So undurchdringlich, wie es der Name bezeichnet, ist es allerdings nicht, denn im Urwald verstreut leben Menschen, allerdings nicht in Dörfern sondern in einsamen, unter sich entfernten Hütten. Meistens trifft man da nur die Frauen mit den Kindern, weil die Männer in entlegenen Orten Bäume fällen: es ist die einzige Arbeit, die es gibt, denn im Dorf werden Ziegel gebrannt, und die Öfen funktionieren mit Holz. Wir sprachen mit einer dieser Frauen, die mitten im Urwald lebt und sagte, dass es nirgends dort Wasser gäbe, aber einmal in der Woche käme ein Lastwagen mit großen Wasserflaschen. Doch dann fügte sie hinzu, dass der Fahrer jedes Mal 80 Peso verlangt, sonst lässt er keine Flaschen da. Das war damals – 2014 – für die Frau viel Geld, aber es blieb ihr nichts anderes übrig als zu zahlen. Korruption im Urwald!
Wir sahen uns auch die Toba-Schule an. Der Lehrer unterrichtet die kleinen und größeren Kinder zusammen in einem Raum; er ist der einzige, der Spanisch spricht. Die Schüler -Tobas, Wichis oder von anderen Stämmen kommend- lernen Spanisch wie eine Fremdsprache. Die Mädchen schenkten uns, verlegen kichernd, Ketten aus Samenreihen oder kleine Tiere aus Gräsern und Zweigen. Leider konnten wir wegen des Sprachproblems nicht mit ihnen reden. Aber dann spielte unser Reiseleiter mit den Jungens Fußball – da war jede Sprache unnötig. Ein paar Männer und Frauen versuchen mit handgemachten Puppen oder Beuteln (das Material liefert die Natur mit Pflanzen, Blättern, Zweigen und Steinen) oder selbst gemachten Holzfiguren, ein paar Peso zu verdienen, aber wer kauft sie? ... Diese Dörfer stehen in keinem Tourismus-Programm.
In den Städten und auch in Buenos Aires, gibt es Gruppen von Frauen, die mit Geld, Kleidung und Nahrungsmitteln die Menschen in den Dörfern unterstützen. Aber das ist nicht genug: man braucht fahrbare Wege, Brunnen, Lehrer, Ärzte. Man muss endlich aufhören, den Norden zu ignorieren.
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