Peter Eisenman ist 90
New York (dpa) - Peter Eisenman konstruierte einige der eindrücklichsten Bauten der Moderne - die Deutschen kennen ihn als Architekt des Holocaust-Mahnmals in Berlin. Dabei zeichnete ihn gerade aus, dass er sich auf keinen durchgehenden Stil festlegte. Am 11. August wurde Eisenman 90 Jahre alt.
Sein Vermächtnis ist riesig und für Deutungen offen. Doch das kümmert den Mann nicht, der immer wieder Linguistik und philosophische Konzepte in seine Arbeit einfließen ließ: „Ich kann nichts dagegen tun, was die Leute sagen oder denken. Sie können sagen oder denken, was auch immer sie wollen, solange sie meinen Namen richtig schreiben“, sagte er kürzlich im Interview mit einem Fachmagazin.
Die Frage, ob ein international gefragter Architekt ohne eigene Handschrift, ohne Markenzeichen erfolgreich sein kann, hat Eisenman immer wieder klar mit „Ja“ beantwortet. Vor einigen Jahren sagte der aus Newark (New Jersey) stammende Theoretiker: „Ich könnte in Santiago, Berlin oder Phoenix nicht dasselbe Gebäude machen. Deshalb habe ich keinen Stil.“ Und tatsächlich: Eine einheitliche Marke ist in Eisenmans Holocaust-Mahnmal in Berlin, in seinem Haus am Berliner Checkpoint Charlie oder seinem Football-Stadion für die University of Phoenix nicht zu erkennen.
„Wenn ich meine Arbeit auf meiner Website ansehe, denke ich mir, könnte jemand Peter Eisenman erkennen? Ich bin nicht sicher“ sagte er weiter. Und das sei gut. Die Bauten seiner Kollegen Frank Gehry oder Michael Graves würden dagegen nämlich alle gleich aussehen. Theoretische Ansätze mit Bezügen zu Jacques Derrida und Friedrich Nietzsche oder dem Linguisten Noam Chomsky beschäftigten Eisenman lange Jahre mehr als der Bau eigener Werke.
In den 60er und 70er Jahren stand er an erstklassigen Hochschulen wie Princeton, Cambridge und der New Yorker Cooper Union als Dozent im Lehrplan. In Harvard, Yale sowie an der University of Illinois und der Ohio State University nahm er eigene Professuren wahr. Das Nachdenken, Schreiben und Diskutieren über die Kunst des Bauens schienen den Sohn aus einer deutsch-jüdischen Familie offenbar am meisten zu begeistern.
In den 1980er Jahren wandte er sich mehr der praktischen Architektur zu, doch ließ sich weiter von der Theorie leiten: Für die Kulturstadt Galicien in Santiago de Compostela führte er verschiedene Raster zusammen - darunter das Straßengitter der Innenstadt, die Topographie der Region und die Form einer Jakobsmuschel - und ließ diese am Computer zu einer Matrix verschmelzen. Er sprach dabei von „post-semiotische Sensibilität“ - ein Ganzes, das sich aus einer Reihe von Spuren zusammenfügt.
Während seine Bauten „House I“ bis „House IV“ von starrer Geometrie strotzten, blieben seine dekonstruktivistischen Würfel mehr abstraktes Experiment als praktische Umsetzung eines Wohnorts: Säulen hatten teils keine tragende Funktion, Treppen führten ins Nichts. Mit seinem Wexner Center for the Arts in Columbus (Ohio) verdrehte Eisenman das herkömmliche Verständnis von Funktion und Ordnung und irritierte so manchen Besucher. Die „New York Times“ lobte das Gittergebilde als „Museum, das die Theorie baute“.
Mit dem 2005 eröffneten Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin machte sich Eisenman auch in Deutschland einen Namen. Es gehe beim Gang durch die 2711 Stelen um die Erfahrung und nicht darum, einen verborgenen Sinn zu entschlüsseln, erklärte Eisenman einst. „Man bekommt merkwürdige körperliche Empfindungen wie Wellenbewegungen, Kippen, Neigen und man spürt Verwirrung, Isolation, Orientierungslosigkeit; man weiß nie, wo man sich befindet.“
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