Von Juan E. Alemann
Der Staat, und ganz besonders der argentinische, ist als Unternehmer prinzipiell sehr ineffizient. Das kommt meistens in Verlusten zum Ausdruck, die die Staatskasse belasten, aber auch in einer mangelhaften Leistung, in Investitionen, die zwei und drei Mal so viel kosten wie private, und in vielen Fehlentscheidungen, die Schaden beim Staat und auch bei der Privatwirtschaft anrichten. Dabei gibt es gewiss auch Ausnahmen, wobei man sich auch bei diesen fragen muss, ob ein Privatunternehmer nicht ein besseres Ergebnis erwirtschaften würde.
Die Unfähigkeit des Staates, Unternehmen zu verwalten, wird gelegentlich “nur” auf Korruption zurückgeführt. Doch das hat meistens nur eine zweitrangige Bedeutung. Die Ineffizienz des Staates als Unternehmer beruht grundsätzlich auf seiner Starrheit, seinem bürokratischen Verhalten, und der Politisierung, die mit der Ernennung von Geschäftsführern und weiteren leitendem Personal führt, die eine politische Karriere haben, und der jeweils regierenden Partei angeschossen sind, aber alles andere als Manager sind. So wurde z.B. Malena Galmarini von Alberto Fernandez zur Leiterin von AySA (das Unternehmen, dass die Wasserversorgung und -entsorgung in der Bundeshauptstadt und Umgebung betreibt) ernannt, nur weil sie die Gattin des Deputierten Sergio Massa und Tochter eines bekannten Peronisten ist. Aber sie hat nie in ihrem Leben ein Unternehmen geleitet oder sich unternehmerisch betätigt. Dieses Beispiel wiederholt sich bei anderen Staatsunternehmen.
Die Staatsunternehmen werden auch verwendet, um politischen Freunden einen Arbeitsplatz zu beschaffen. Als AySA durch Rückverstaatlichung von Aguas Argentinas geschaffen wurde, wurden als erstes an die tausend zusätzliche und völlig unnötige Arbeitnehmer eingestellt. Als die Regierung von Cristina Kirchner 2012 das Mehrheitspaket von YPF übernahm, wurde die Belegschaft in kurzer Zeit um etwa 10.000 Personen erhöht. Bei YPF sei daran erinnert, dass das Unternehmen 1992 52.000 Personen beschäftigte, die José Estenssoro dann, als er mit der Privatisierung beauftragt wurde, zunächst auf 6.000 verringerte, bei gleichzeitig zunehmender Leistung. Danach wurde die Belegschaft, unter privater Verwaltung, wieder auf 10.000 Personen erhöht, aber im Rahmen einer starken Expansion. Als Menem Staatsunternehmen weitgehend privatisierte, blieben über 200.000 Personehn ohne Arbeit, was die Arbeitslosigkeit in jenen Jahren in die Höhe trieb
Perón setzte zunächst auf Verstaatlichung. Diesen Kurs schlug er schon nach dem Militärputsch vom 4. Juni 1943 ein, an dem er maßgeblich beteiligt war, und setzte ihn dann 1946 als gewählter Präsident fort. Doch schon 1954 hatte er es satt, sich mit den unlösbaren Problemen zu befassen, die ihm die Staatsunternehmen stellten. Er wollte damals das Monopol von YPF bei der Erdölförderung brechen, und hatte in diesem Zinn einen Konzessionsvertrag mit einer Filiale der Standard Oil ausgehandelt, der die ganze Provinz Santa Cruz betraf. Doch er konnte nicht über seinen Schatten springen, und seine Parteigänger meuterten, so dass das Vorhaben scheiterte. Erst Präsident Frondizi gelang es, vier Jahre später, Privatunternehmen für die Erdölförderung zu verpflichten, aber mit den Trick, dass es keine Konzessionen waren, sondern nur Lieferverträge. Heute ist dieses Vorurteil überwunden, und das ganze System beruht auf Konzessionen, was bedeutet, dass die Unternehmen, auch YPF, Gebiete für Forschung und Förderung durch Ausschreibung zugeteilt erhalten, und eine Gebühr auf die Produktion zahlen, die seit der Verfassungsreform von 1994 von den Provinzen erhoben wird.
Perón hat schon 1954 seinen Privatisierungswillen in einem anderen Fall zum Ausdruck gebracht: bestimmte Linien von Kleinomnibussen (“colectivos”) wurden den Chauffeuren übergeben. Das wurde dann nach der Revolution von 1955 unter Präsident Aramburu auf alle diese Omnibusse ausgedehnt. Das System hat sehr gut funktioniert, mit einer Erneuerung der Einheiten und einem guten Dienst. Argentinien ist seither das einzige Land auf der Welt mit einem ausgedehnten privaten städtischen Omnibusdienst. Beiläufig bemerkt: Alan Walters, Privatisierungsberater von Margaret Thatcher, erzählte in einem Vortrag, den er anlässlich seines Besuches in Buenos Aires hielt, Großbritannien habe dieses argentinische System bei der Privatisierung des staatlichen Lastwagenunternehmens als Vorbild genommen.
Zurück zu Perón: als er zum dritten Mal Präsident wurde, hielt er einige Monate vor seinem Tode einen Vortrag im Theater Cervantes, in dem er sich kategorisch für Privatisierungen aussprach. Er sagte wörtlich: “Die Staatsunternehmen haben uns nur Unannehmlichkeiten bereitet, und ich wünsche, dass die Herren Unternehmer sie alle übernehmen.” Dieses letzte Mandat von Perón hat Präsident Carlos Saul Menem erfüllt. Wer behauptet, Menem sei von der peronistischen Doktrin abgewichen, irrt. Er hat das letzte Mandat von Perón erfüllt. Viele Peronisten haben eben den Wandel von Perón nicht begriffen, und bleiben beim Perón der ersten Regierungsjahre.
Menem ist bei den Privatisierungen viel weiter gegangen, als die kühnsten Privatisierungsbefürworter empfohlen hatten. Der Erfolg des Duos Menem-Cavallo (und ab 1996 mit Roque Fernández) ist nicht auf die Konvertibilität zurückzuführen, sondern auf die Privatisierungen. Ohne diese, die zu hohen Auslandsinvestitionen und einem phänomenalen Effizienzschub führten, wäre die Konvertibilität (mit einem Pesokurs von eins zu eins zum Dollar) in kurzer Zeit geplatzt. Unter der Menem-Regierung wurde eine zivilisierte Inflationsrate, wie in fortgeschrittene Staaten, erreicht (die als Stabilität angesehen wird), das Bruttoinlandsprodukt stieg um ca. 60%, und es gab unzählige qualitative Fortschritte, angefangen mit dem Telefonwesen, bei dem es einen gigantischen Sprung in die Modernität gab.
Néstor Kirchner war ein entschiedener Gegner der Privatisierungen, und vollzog in mehreren Fällen, an erster Stelle beim Wasserversorgungs- und Entsorgungsunternehmen von Groß Buenos Aires, Aguas Argentinas, heute AySA, eine illegale Rückverstaatlichung. Bei Privatunternehmen, die auf Konzessionsverträgen beruhten und Kraftwerke, den Stromferntransport und die Verteilung betrieben, und auch in anderen analogen Fällen, hat er nicht direkt verstaatlicht, aber die Konzessionsverträge beiseitegelassen, und die Unternehmen von willkürlichen staatlichen Entscheidungen abhängig gemacht, wobei sie Verluste hatten und von Staatssubventionen abhingen. Es war eine Art kalte Verstaatlichung. Die Macri-Regierung hat sich bemüht, die Beziehung zu Unternehmen, die Konzessionen betrieben, zu ordnen, und auch eine unternehmerfreundliche Haltung eingenommen. Aber sie ist auf halber Strecke stehen geblieben, und hat ebenfalls auch sonst nur ausnahmsweise privatisiert.
Die Regierung von Alberto Fernández hat sofort einen Verstaatlichungskurs eingeschlagen, und Wärmekraftwerke, die privat betrieben wurden, verstaatlicht. Und jetzt fragt man sich, ob sie grundsätzlich auf einen Staat zusteuert, der auch Unternehmen direkt betreibt und seinen Einfluss auf andere ausweitet, oder zumindest die schon privatisierten Unternehmen beibehält, und Konzessionsverträge nur korrigiert, aber prinzipiell beibehält, oder sie abschafft oder so stark beschränkt, dass die Konzessionäre ihren Charakter als Privatunternehmer verlieren.
Das Thema ist jetzt bei den Eisenbahnen und der Baggerung des Paraná-Flusses aufgekommen. Die Vororteisenbahnen, die den städtischen Personenverkehr in Groß Buenos Aires betreiben, waren von Menem in Konzession an private Unternehmen übertragen worden, und wurden schon unter den drei Kirchner-Regierungen auf staatliche Verwaltung übertragen. Der tragische Unfall auf dem Bahnhof Once hat dazu beigetragen, die private Betreibung zu diskreditieren. Es verbleiben noch private Konzessionäre, aber das dürfte nicht mehr lange dauern, zumal der Staat sich auch nicht bemüht hat, eine Rahmenordnung einzuführen, die privaten Betreibern eine juristische Grundlage gibt, um zu investieren.
Bei den Strecken, die Buenos Aires mit dem Landesinneren verbinden, wurde jetzt beschlossen, die noch bestehenden Konzessionen nicht zu erneuern. Die Regierung hat ein neues Schema entworfen (wir berichteten letzte Woche), bei dem die Infrastruktur, also Schienen, Stationen und Bahnhöfe und was dazugehört staatlich sind, aber private Betreiber von Frachtzügen zugelassen werden, die dann eine Gebühr zahlen. Das System muss noch ausgearbeitet werden, und von der Art und Weise, wie es gestaltet wird, hängt es ab, ob ein effektives privates Interesse für dies besteht, oder nicht, so dass dann auch die Züge staatlich betrieben werden. Die Entscheidung steht noch aus, wobei der Kirchnerismus eine totale staatliche Betreibung befürwortet, andere in der Regierung jedoch nicht. Wo Präsident Alberto Fernández steht, weiß man nicht. Er hat keine tiefen Überzeugungen, wenn Guzmán u.a. ihm das Effizienzproblem erklären, das bei der Betreibung des Frachtdienstes auftritt, dürfte er sich für die private Lösung entscheiden. Aber sicher ist dabei nichts.
Auch bei der Paraná-Baggerung gab es zunächst einen Schritt in Richtung Verstaatlichung. Die Konzession an den bestehenden Betreiber, die belgische Jan de Nul, mit oder ohne den lokalen Partner Emepa, verbleibt. Cristina will, dass Emepa ausgeschlossen wird, weil Gabriel Romero, der Inhaber der Firma, vor Gericht zugegeben hat, das er ihr ein Schmiergeld gezahlt hat, und das belastet sie bei einem ihrer Korruptionsprozesse. Doch auf alle Fälle wird Jan de Nul die Baggerung weiter vollziehen, weil es unmittelbar keine andere Möglichkeit gibt. Gelegentlich wird dann diese Konzession neu ausgeschrieben. Doch zunächst wurde das System dahingehend geändert, dass die Hafenverwaltung (AGP) die Gebühren einnimmt, die die Schifffahrtsunternehmen zahlen, und dann an Jan de Nul zahlt. Und dabei kann schon ein Konflikt entstehen, u.a. weil Cristina bestimmt etwas für ihre Gruppe abzweigen könnte. Die harten Kirchneristen wollen eine totale Verstaatlichung, auch mit staatlicher Betreibung. Aber, nachdem die Schifffahrtsunternehmen und die Exporteure von Getreide und Ölsaat den Präsidenten gewarnt haben, dass es sich um eine schwierige Arbeit handelt, und eine schlecht durchgeführte Baggerung den Schiffsverkehr behindern könnte, besteht er angeblich auf privater Betreibung. Ob jedoch die bisherigen Spielregeln beibehalten werden, die wirklich sehr gut funktioniert haben (was allgemein anerkannt wird) ist nicht sicher.
Wirtschaftsminister Martín Guzmán ist sich klar bewusst, dass er die Staatsausgaben senken muss. Er dürfte wissen, dass jede Rückverstaatlichung mit höheren Staatsausgaben verbunden ist, und sich somit gegen Initiativen in diesem Sinn stemmen. Ob er jedoch an weitere Privatisierungsmöglichkeiten denkt, die es gewiss gibt, ist nicht so sicher. Sie würden nicht nur die Staatsausgaben verringern, sondern eine allgemeine Effizienzwirkung haben, und dabei muss man sich klar darüber sein, dass der Weg zu einem dauerhaften Wirtschaftswachstum besonders auf einem allgemeinen Effizienzsprung beruht. Privatisierungen beziehen sich nicht nur auf Unternehmen, sondern auch auf bestimmte staatliche Tätigkeiten, die Kontrollen u.a. Bereiche umfassen. So wurden unter Menem, mit Roque Fernández als Wirtschaftsminister, bestimmte Zollkontrollen und die Prüfung der Staatskäufe an private Firmen übertragen. Das müsste jetzt wieder eingeführt werden. Es würde dem Staat mehr Einnahmen bringen und mehr Ausgaben sparen, als damals.
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