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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Der sinnlose Wirtschaftsrat

Von Juan E. Alemann

Am Freitag der Vorwoche gab Präsident Alberto Fernández die Schaffung des Wirtschafts- und Sozialrates bekannt, den er in der Wahlkampagne als einen Grundpfeiler seiner Regierung angekündigt hatte. Es geht dabei um das Konzept, dass sich Unternehmer, Gewerkschafter mit Regierungsvertretern u.a. über Grundlagen der Wirtschaftspolitik einigen, so dass die üblichen Konflikte verschwinden und alles sanft verläuft. Das ist leider eine große Phantasie, was allen Beteiligten von vornherein klar war. Die bedeutendsten unternehmerischen Persönlichkeiten waren bei der Ankündigung in Olivos nicht zugegen. Die Presse hat dem Thema überhaupt keine Bedeutung gegeben. Der Journalismus hat begriffen, dass es sich nur um eine politische Geste handelte.

Der durch Dekret gebildete Rat soll 30 Mitglieder haben, die die Unternehmerschaft, die Gewerkschaften, die Universitäten und sonstige Institutionen der Gesellschaft vertreten. Den Vorsitz übernimmt Gustavo Beliz, der als Staatssekretär für strategische Angelegenheiten im Präsidialamt über diese Dinge nachdenkt. Angeblich hat er sich jetzt bemüht, Information über ähnliche Wirtschaftsräte zu sammeln, die in verschiedenen Ländern bestehen. Beliz wollte eigentlich Präsident der interamerikanischen Entwicklungsbank werden, aber das ist ihm nicht gelungen, so dass er jetzt diese Ratspräsidentschaft als Trostpreis übernimmt.

Der Wirtschafts- und Sozialrat soll sich laut Anweisung von Präsident Fernández nicht mit den unmittelbaren Konjunkturproblemen befassen, wie Inflation, Lohnverhandlungen und persönliche Unsicherheit, sondern langfristige Richtlinien für die Staatspolitik der nächsten 30 Jahre ausarbeiten. Das mag schön klingen, besagt jedoch konkret überhaupt nichts.

Der Aufbau dieses Rates geht von der korporativen Struktur der Gesellschaft aus, ein Schema auf dem Benito Mussolini seinerzeit seinen Faschismus aufgebaut hat. Perón war von diesem Schema sehr beeindruckt und wollte es in seinen ersten Regierungen auf Argentinien übertragen. Doch als er zum dritten Mal Präsident wurde, hatte er dies ad acta gelegt und nahm sich das moderne Europa zum Vorbild.

In diesem neuen Rat wird jede Gruppe ihr Interesse verteidigen. Dass dabei ein Kompromiss zustande kommt, ist unwahrscheinlich. Und wenn, dann dürfte es so sein, dass jede Interessengruppe versucht, dabei Vorteile zu erhalten. Unternehmer und Gewerkschafter haben grundsätzlich ihre Interessen im Auge, und das kann nicht anders sein. Sie sind keine Philosophen, Ökonomen oder sonst wie Intellektuelle, die ein Programm für die Zukunft ausarbeiten könnten, wie es dem Präsidenten vorschwebt.

Der Wirtschafts- und Sozialrat müsste grundsätzlich anders aufgefasst werden. Er müsste sich aus Ökonomen, Soziologen, Arbeitsrechtlern und eventuell auch Philosophen u.a. Intellektuellen zusammensetzen und von einer Persönlichkeit geleitet werden, die von den Mitgliedern wegen ihres intellektuellen Niveaus geachtet wird. Ein Rat dieser Art sollte sich mit konkreten Themen befassen, wie Staatsstruktur und Staatsverbesserung, Arbeits- und Beschäftigungspolitik, Zahlungsbilanzpolitik, Steuerpolitik und, nicht zuletzt, mit der Inflationsproblamatik und Inflationsbekämpfung. Dabei sollten konkrete Vorschläge aufkommen, die der Regierung und dem Parlament als Grundlage für Initiativen dienen. Denn in der Regierung gibt es wenig Denkarbeit, weil alle leitenden Beamten vom täglichen Kram überdeckt sind und die Staatsangestellten ihre Routinearbeit erledigen, ohne sich weitere Gedanken zu machen.

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