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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Der Schritt in eine andere Welt

Deutsch-argentinisches Studium:

Kooperation zwischen Biberach und Tucumán

Von Anette Schober-Knitz

Tobias Benz
Tobias Benz studierte ein Semester in Tucumán. (Foto: Privat)

Buenos Aires (AT) - Argentinien und Deutschland befinden sich auf zwei unterschiedlichen Kontinenten, die beiden Länder trennt mehr als verschiedene Klima- und Zeitzonen. So liegen zwischen Biberach und Tucumán über 11.000 Kilometer. Gleichzeitig gibt es gerade hier eine enge Verbindung zwischen Oberschwaben und dem Nordwesten Argentiniens, denn die Hochschule Biberach (HBC) bietet seit sieben Jahren gemeinsam mit der Universidad de Tucumán (UNT) den binationalen Masterstudiengang Engineering Management an.

Fast 80 Absolventinnen und Absolventen haben das Studium seither abgeschlossen, drei Semester gemeinsam und im Wechsel in Biberach und Tucumán studiert. Dafür haben sie gleich zwei Titel erhalten: den deutschen Abschluss Master of Engineering Management der Hochschule Biberach und den argentinischen Titel Magister de Ingeniería der Universität von Tucumán. Eine davon ist Isabel María Salas Tonello. Die 28-Jährige ist für das Studium nach Deutschland gegangen - und dort geblieben, nachdem sie im Frühjahr dieses Jahres ihr Studium abgeschlossen hatte. Ihr ganzes Leben hat sie, so berichtet die junge Frau, in Tucumán verbracht, dort Chemie-Ingenieurwesen studiert, an einer Uni, die fast doppelt so viele Studierende zählt wie Biberach Einwohner.

Von Stadt und Hochschule in Deutschland war sie von Anfang an begeistert: Alles ist nah beieinander, ihre Ziele erreicht sie unkompliziert zu Fuß, braucht kein Auto und selten den Bus. Die städtische Infrastruktur ist in sehr gutem Zustand, die Hochschule bestens ausgestattet – „Biberach ist gemütlich“, sagt Salas Tonello und drückt damit aus, dass sie sich gleich wohl gefühlt hat, auch wenn ihr Leben in Deutschland völlig unterschiedlich ist zu dem, das sie in Argentinien geführt hat. Und auch, was sie anfänglich als distanziert oder gar unfreundlich empfunden hat, versteht sie jetzt als kulturellen Unterschied, mit dem sie umgehen kann. „Ich weiß, dass man sich hier nicht gleich zu Hause besucht - und freue mich, wenn es ja dann soweit ist.“

Tobias Benz (26) ist Student der HBC und im ersten Semester des Masterstudiums. In Biberach hat er bereits den Bachelorstudiengang Bau-Projektmanagement abgeschlossen und innerhalb dessen ein Jahr in Mittel- und Südamerika verbracht: sein Praxissemester absolvierte er auf einer Tunnelbaustelle in Honduras, ein Studiensemester in San Miguel de Tucumán. Verschiedene Kulturen und Sprachen sind seither kein Problem mehr für ihn, vielmehr neue Herausforderungen, an denen er wächst. Und aus Erfahrung weiß Benz: „Kommunikation und Offenheit sind wichtige Bausteine für einen gelingenden Austausch.“

Das binationale Studium eröffnet ihm Sichtweisen und vor allem Netzwerke, von denen er sich beruflich viel verspricht. Neben seinem Studium unterstützt er den Studiengang und insbesondere den verantwortlichen Professor Hartmut Veigele als Assistent in der Organisation des Austauschprogramms. Das binationale Masterstudium kennt er somit aus zwei Perspektiven und genau diese Einblicke beschreibt er als besonders wertvoll - auch für sein späteres Berufsleben. Der Projektmanager ist auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen und kann sich gut vorstellen, für einen Job auch nach Lateinamerika zu wechseln.

Diesen Schritt hat seine Kommilitonin bereits gewagt: Seit Juni ist sie im Beruf, lebt in Memmingen und sammelt erste Erfahrungen als international ausgebildete Projektmanagerin. Für ihr Erststudium des Chemie-Ingenieurwesens hat sie einen anderen Schwerpunkt als etwa Tobias Benz gewählt, die Werkzeuge, die im Management von Unternehmen benötigt werden, jedoch sind dieselben. Wie Salas Tonello und Benz kommen auch die Studierenden des Masterstudiengangs aus verschiedenen Ingenieurbereichen: Bauwesen, Maschinenbau, Elektrotechnik, Biotechnologie, Informatik - der Master of Engineering verbindet verschiedene Kulturen und unterschiedliche Disziplinen. Das macht das Angebot „so einzigartig“, sagt Salas Tonello und die Berufsmöglichkeiten „so breit gefächert“. Zu dem Managementstudium gehören neben den Ingenieurdisziplinen Recht, Wirtschaftlichkeit, Personalwesen, auch Softskills wie Soziale Kompetenzen und Teamarbeit stehen auf dem Programm.

Gruppe
Isabel Maria Salas Tonello (hinten, 2.v.l.) mit weiteren Teilnehmern am Deutschkurs für Ausländer in Biberach.

Was also bedeutet international Studieren? „Viel, viel, viel lernen“, sagt Isabel María Salas Tonello. Kultur, Sprache und Arbeitsweise in Argentinien und Deutschland unterscheiden sich stark. „Wer bereit ist, das zu erleben, wächst persönlich enorm.“ Und auch Tobias Benz, der - wenn die Pandemie es bis dahin erlaubt - sein Tucumán-Semester von August bis Dezember 2021 noch vor sich hat, erlebt den Austausch als Bereicherung: „Man lernt neue Perspektiven kennen und erweitert so seinen Horizont“, sagt er. Und was bedeutet Heimat, wenn man in der Ferne lebt? „Familie und Freunde“, sagt die Argentinierin, die sie vermisst und die sie seit eineinhalb Jahren nicht mehr besucht hat. Dieses Gefühl kennt auch ihr deutscher Kommilitone und weiß ein wirksames Gegenmittel: Verbundenheit in Gedanken.

Weitere Informationen:

Das Master-Studium Engineering Management wurde vom Deutsch-Argentinischen Hochschulzentrum (DAHZ) ins Leben gerufen. Deutsche Studierende erhalten für den Aufenthalt in Argentinien eine finanzielle Förderung von 1075 Euro pro Monat sowie eine Reisekostenpauschale von 1500 Euro. Die meisten Studierenden schreiben ihre Abschlussarbeit bei deutschen Unternehmen, die international aufgestellt sind. Berufsperspektiven finden die Absolventinnen und Absolventen dort oder in öffentlichen Einrichtungen wie z.B. bei öffentlichen Hoch- und Tiefbauämtern, Straßenbauverwaltungen oder bei der Deutschen Bahn.


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