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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Der qualitative Fortschritt wird nicht gemessen

Von Juan E. Alemann

Wenn wir den Wohlstand der in Argentinien wohnenden Menschen nur am Bruttoinlandsprodukt messen, gelangen wir zu einer deprimierenden Schlussfolgerung: das BIP pro Kopf der Bevölkerung ist heute niedriger als vor zehn Jahren, und wohl auch als vor 20 Jahren. Doch die Wirklichkeit ist anders. Die neue Technologie hat unser Leben grundsätzlich verändert und auch verbessert, mit einer phänomenalen Breitenwirkung.

Das beginnt beim Fortschritt der Medizin, der in den letzten Jahrzehnten gewaltig war. Das hat dazu beigetragen, dass die Menschen allgemein länger und auch gesünder leben Und wenn die Menschen nicht rauchen, sich besser ernähren und mehr bewegen würden, wie es die Ärzte empfehlen, wäre das Ergebnis noch viel besser.

Als zweiten Faktor der Veränderung sei die neue Mobiltelefonie erwähnt. In Argentinien ist noch hinzugekommen, dass sich auch die traditionelle Telefonie seit der Privatisierung von 1990 grundsätzlich verbessert hat. Von 2,7 Mio. Telefonlinien, die es damals gab, die mangelhaft funktionierten, sind wir auf über 8 Mio. übergegangen, mit minimalen Pannen. Und hinzu kommen noch über 50 Mio. Mobiltelefone, also mehr als die Bevölkerung. Dabei haben heute auch viele von denen, die als arm eingestuft werden, ein Mobiltelefon. Das hat unser Leben grundsätzlich verändert. Die Menschen haben sich gewöhnt, ständig zu telefonieren. Das macht Freundschaften enger, und erleichtert auch das Arbeitsleben, mit einer Produktivitätserhöhung, weil Entscheidungen, die mit einem Chef oder einem anderen Angestellten abgesprochen werden müssen, der sich nicht im Büro befindet, sofort getroffen werden können.

Hinzu kommt der persönliche Computer, in seiner tragbaren Laptop Form, der auch weit verbreitet ist. Das erlaubt, Arbeiten überall zu erledigen (seit der Quarantäne weitgehend zu Hause), wobei der Computer an sich schon die Arbeit vereinfacht. Der Übergang auf eine traditionelle Schreibmaschine wäre für jemand, der sich an den Computer gewöhnt hat, eine wahre Qual. Denn im Computer können Texte beliebig korrigiert und auch gespeichert werden, und auch auf andere Computer (irgendwo in der weiten Welt) übertragen werden. Die Welt ist dabei zusammengewachsen, und es ist eine neue internationale Arbeitsteilung aufgekommen.

Zum Computer ist auch Internet hinzugekommen, in den letzten Jahren auch “Internet in den Wolken”, also Speicherung der Information in fernen Datenzentren, und jetzt auch der Zoom, also die Möglichkeit von Konferenzen über den Bildschirm, bei denen die Beteiligten an verschiedenen Orten sitzen. Das vereinfacht das Leben. Wir mussten unlängst in einem Prozess als Zeugen aussagen, und haben dies per Zoom vollzogen, was weniger als einer halbe Stunde beanspruchte. Mit dem traditionellen Verfahren hätten wir viele Stunden verloren.

Internet und Google geben uns auch sofortigen Zugang zu einer immensen Information, das ist für Journalisten besonders wichtig, da sich dabei Archive und Bibliotheken erübrigen, die viel Platz beanspruchen, wobei die Suche nach Information auch zeitraubend ist. Wir staunen immer noch über all das, was wir dank Google finden. Besonders Studenten erleichtert dies die Arbeit. Wer sich besser ausbilden will, auch nach dem formellen Studium, hat heute eine Möglichkeit, die es bis vor einigen Jahren nicht gab.

Auch das Fernsehen hat unser Leben grundsätzlich verändert, und viel Langeweile abgeschafft, besonders bei älteren Menschen. Die Qualität der Apparate hat sich stark verbessert (mit großen Plasmageräten), und die Vielzahl der verfügbaren Kanäle, auch das Aufkommen von Netflix, hat unser Leben erleichtert. Dies hat auch die Politik verändert, die sich jetzt weitgehend über Fernsehsendungen abspielt. Das erlaubt uns, besser informiert zu sein und rationeller bei der Politik mitzumachen. Das verbessert schließlich auch die Demokratie.

Allein, abgesehen von der Elektronik und der Computertechnologie, haben sich auch Automobile, Flugzeuge und vieles Andere grundsätzlich verbessert. Es gab einen qualitativen Sprung. Des Weiteren haben Kunststoffe unserr Leben verbessert, wobei der Fortschritt hier so rasant war, das ein Problem bei der Entsorgung aufgetreten ist, an dem noch viel gearbeitet werden muss. Unsere Bekleidung hat sich dank Kunststoffen verändert und ist dabei auch billiger geworden. Die Bettdecken aus “Polar” (einem Polyethylenproduktion) sind mindestens halb so teuer wie Wolldecken, und haben mehrere weitere Vorteile: sie sind leichter, waschbar und mottenfrei. Kunststoffe sind in vielen Bereichen in unser Leben eingedrungen, und haben neue Bequemlichkeiten geschaffen. Motorboote, Segeljachten u.dgl. werden nicht mehr mit Holz hergestellt, sondern mit glasfaserverstärktem Polyester. Sie sind leichter, brauchen nicht ständig gestrichen zu werden, dauern länger, und sind viel billiger. Hinzu kommt hier die Entwicklung der Außenbordmotoren, die früher nur mit wenigen PS ausgestattet waren und jetzt mit mehr als 100 und gelegentlich auch 200 PS.

Auch beim Wohnungsbau hat sich vieles verändert. Röhren aus Stahl, die mit der Zeit verrosten und Feuchtigkeit an Wänden herbeiführen, sind durch Kunststoffröhren (PVC) ersetzt worden, die ewig dauern. Gelegentlich werden interne Wände durch vorfabrizierte Platten ersetzt, die den Bau beschleunigen und verbilligen, und bei Büros erlauben, sie jeweils zu verlegen, um die einzelnen Räume dem Bedarf anzupassen. Eisschränke, Waschmaschinen u.a. Haushaltsanlagen sind besser und effizienter geworden, und die Beleuchtung erfolgt dank Sparlampen mit geringerem Stromkonsum. Luftkühlapparate, die vor einem halben Jahrhundert eine Seltenheit waren, werden allgemein eingesetzt. Sie sind real billiger, besser und verbrauchen weniger Strom.

Das Thema, das wir hier erläutern, hat noch viele andere Aspekte, in denen eine bessere Lebensqualität zum Ausdruck kommt. Diese qualitative Entwicklung, die die Menschheit von Anfang an begleitet hat, hat in den letzten drei Jahrzehnten einen phänomenalen Impuls erhalten. Das macht den Fall anders als in früheren Zeiten.

Wir schreiben hier keine Doktorarbeit, sondern bemühen uns nur zu zeigen, dass wir trotz niedrigem Bruttoinlandsprodukt (das, beiläufig bemerkt, in Argentinien nicht korrekt berechnet wird und in Wirklichkeit viel höher ist) besser Leben als frühere Generationen. Wobei es schwierig, wenn nicht unmöglich ist, diesen qualitativen Fortschritt quantitativ auszudrücken.


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