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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Der Präsident ist überfordert und gibt falsche Signale

Von Juan E. Alemann

In einer so tiefen Krise, wie sie Argentinien erlebt, bedarf es eines Präsidenten, der weiß, was er will, feste Überzeugungen hat, ein klares Grundkonzept von Wirtschaft und Wirtschaftspolitik hat, es auch klar übermittelt, und Führungsqualitäten aufweist. Im Sturm braucht ein Schiff einen Kapitän, der der Lage gewachsen ist. Doch genau das ist nicht der Fall. Es handelt sich nicht nur darum, dass sich Alberto Fernández dem Willen von Cristina fügt, für die ihre bösen Prozesse das Hauptproblem des Landes sind, und sonst ideologisch gefärbte und falsche Konzepte über Wirtschaftspolitik hat, sondern darum, dass er keine grundsätzlichen Überzeugungen über Wirtschaft und Gesellschaft hat, und mit Gemeinplätzen und Notmaßnahmen an den Problemen vorbeigeht. Der Präsident sollte sich auf alle Fälle Zeit nehmen, um nachzudenken, sich mit Ökonomen von Format zu unterhalten (die nicht in der Regierung tätig sind) und dabei ein Grundkonzept entwickeln, das ihm als Leitfaden dient. Und dieses Konzept muss er dann der Gesellschaft vermitteln.

Der Präsident bewegt sich zwischen Pragmatismus und Notmaßnahmen auf der einen Seite, und der Ideologie von Cristina auf der anderen. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass er Maßnahmen ergreift, um unmittelbare Probleme zu überwinden, die sich auf sozialen Notstand und Verhinderung eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs beziehen. Aber er muss gleichzeitig eine mittel- und langfristige Perspektive geben, bei der u.a. der staatliche Ausgabenüberschuss abgebaut wird. Es genügt nicht, dass dies in den Zahlen des Budgets für 2021 eingeplant ist, die niemand Ernst nimmt, nicht einmal Minister Guzmán, der beiläufig sagte, seine Erläuterungen zum Budgets seien ein Geschwätz (“sarasa”). Es kommt auf konkrete Maßnahmen an, mit denen die Ausgaben stark verringert werden, von denen im Haushaltsprojekt für 2021 nichts steht.

Das wirtschaftliche Establishment und auch viele Fachökonomen sind entsetzt, weil die Wirtschaftspolitik von einem Präsidenten bestimmt wird, der nicht die geringste Ahnung hat, was er tun muss, um die verfahrene Lage einzurenken. In diesen Sinn kommt auch der Gedanke auf, dass es eines mächtigen Wirtschaftsministers bedarf, dem der Präsident diese Aufgabe überträgt, ihn machen lässt und politisch stützt, wie es Menem seinerzeit mit Cavallo getan hat. Das war damals sehr erfolgreich. Allein, gegenwärtig ist niemand in Sicht, der diese Rolle übernehmen könnte.

Gegenwärtig gibt es formell einen Wirtschaftsminister in der Person von Martín Guzmán, der jedoch in Wirklichkeit Finanzminister ist, und, streng genommen, nur Umschuldungsminister. Die wirtschaftspolitischen Entscheidungen teilt er mit Produktionsminister Kulfas, ZB-Präsident Pesce, Landwirtschaftsminister Basterra, Kabinettschef Cafiero und dessen Staatssekretärin Cecilia Todesca. Und wenn es unter diesen nicht zu einer Einigung kommt, dann entscheidet der Präsident, der gelegentlich auch wirtschaftspolitische Entscheidungen trifft, ohne sein Kabinett zu fragen, meistens weil ihm Cristina einen Befehl erteilt hat. Das Problem ist jetzt, dass besonders Cristina keinen starken Wirtschaftsminister will, weil sie selber diese Rolle übernimmt. Wie weit sie sich dabei von Kiciloff oder anderen beraten lässt, sei dahingestellt. Die Zeitung “La Nación” berichtet z.B., dass ihr Guzmán ein Haushaltsprojekt für 2021 mit einem primären Defizit von 2,5% des BIP vorgelegt habe, und sie es auf 4,5% erhöht hat. Das wurde nicht dementiert. Schlimm!

Als der Zweite Weltkrieg beendet war und die Bundesrepublik Deutschland von null aufgebaut wurde, stand das Land vor einer viel schlimmeren Lage, als sie jetzt in Argentinien besteht. Berlin war ein Trümmerhaufen, und andere Städte wiesen auch große Bombenschäden auf. Viele Fabriken waren auch durch Bomben zerstört oder schwer beschädigt. Die Wirtschaft funktionierte kaum, und Millionen Menschen waren arbeitslos. Es war ein Glücksfall, dass die politische Leitung damals auf einen Staatsmann vom Format eines Konrad Adenauer und die Wirtschaftsleitung auf einen Mann mit einer felsenfesten marktwirtschaftlichen Überzeugung wie Ludwig Erhard entfiel. Ebenfalls war es ein Glücksfall, dass die Vereinigten Staaten Deutschland mit einer Geldspritze halfen (nicht ein Kredit, sondern ein Geschenk), die Marshall-Plan benannt wurde und zu heutigen Werten an die u$s 100 Mrd. betragen dürfte, die vernünftig eingesetzt wurde. Der Erfolg, benannt Wirtschaftswunder, war erstaunlich. Heute gehört Deutschland zu den fortgeschrittensten Ländern der Welt. Mit Menschen vom Schlage von Alberto Fernández und Martín Guzmán wäre dies gewiss nicht möglich gewesen. Und noch weniger wenn eine eigenartige Frau wie Cristina Kirchner im Hintergrund mitregiert, und eigentlich effektiv regiert hätte. Außerdem: Einen Marshall-Plan gibt es jetzt bestimmt nicht. Auch nicht in Form eines Kredites des Internationalen Währungsfonds. Denn dieser wurde schon gewährt und muss jetzt zurückgezahlt werden.

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