Von Juan E. Alemann
Von den drei Staatsgewalten, Parlament, Justiz und Exekutive, die die Regierung ausübt, ist letztere die wichtigste. Die Verfassung bestimmt, dass die Exekutivgewalt vom Präsidenten ausgeübt wird. Also nur von ihm und von niemand anderem. Gewiss: der Präsident muss sich an die Gesetze, Dekrete und Beschlüsse halten, aber er hat dennoch einen enormen Spielraum für Entscheidungen. Alberto Fernández ist sich dessen erst zwei Jahre und fünf Monate nach Übernahme seines Amtes bewusst geworden. Vorher hatte er der Vizepräsidentin eine Rolle eingeräumt, die sie laut Verfassung nicht hat, nämlich mit dem Präsidenten und sogar über ihm zu entscheiden. Die Blitzreise des Präsidenten nach Spanien, Deutschland und Frankreich dürfte den Zweck verfolgt haben, unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, dass er das Sagen hat. Denn viel Sinn hatte der Europaaufenthalt sonst nicht.
Die erste Autoritätsbehauptung bezieht sich auf die Stützung seines Wirtschaftsministers Guzmán, auch des Produktionsministers Kulfas und des Arbeitsministers Moroni, die Cristina beanstandet hatte. Sie hat dabei das Gegenteil erreicht, nämlich, dass diese Minister eine stärkere Stellung haben. Doch abgesehen vom persönlichen Aspekt, geht es hier um den Kernpunkt des Abkommens mit dem Internationalen Währungsfonds, nämlich die starke Verringerung des Staatsdefizits. Die Zunahme des Strom- und Gastarifs, die für diesen Zweck notwendig ist und von Cristina beanstandet wird, besonders was das notwendige Ausmaß der Erhöhung betrifft, stellt nur einen der vielen konflikthaften Entscheidungen dar. Die Gehaltspolitik im staatlichen Bereich, die Verringerung der aufgeblähten Strukturen und die Durchkämmung von Sozialausgaben, mit denen Politik betrieben wird und u.a. Massenkundgebungen, wie die vom Donnerstag der Vorwoche finanziert werden (Allein die zahlreichen großen Omnibusse, mit denen die Menschen ins Stadtzentrum gebracht wurden, haben ein Vermögen gekostet). Der Konflikt mit Cristina wird gewiss noch schlimmer, wenn es um Sparmaßnahmen, wie die Schließung des absurden Kohlebergwerks in Río Turbio, Provinz Santa Cruz, geht.
Cristina will das Abkommen mit dem IWF in den Papierkorb werfen und es dabei auf einem Default ankommen lassen. Sie befürwortet eine weiche Geld- und Lohnpolitik, hohe Staatsausgaben und zunehmende Subventionen für die Armen, ohne sich Sorgen über die Finanzierung dieser Ausgaben zu machen. Die Inflation scheint für sie kein Problem zu sein, und von Hyperinflation hat sie offensichtlich noch nichts gehört.
Allein, Alberto ist auch nicht ganz vom Kurs überzeugt, den ihm die Wirklichkeit aufzwingt. Er hat zwei Seelen in seiner Brust: Einmal hat er gesunden Menschenverstand und versteht sehr gut, was ihm Guzmán erklärt. Dumm ist er gewiss nicht, und eine gewisse Bildung kann man ihm nicht absprechen. Aber auf der anderen Seite denkt er wie ein populistischer Politiker und ist, wie diese, oberflächlich. Ebenfalls dürfte er kaum den Mut haben, den diese schwere Stunde von einem Präsidenten erfordert. Was Menem seinerzeit durchsetzte, nämlich die zahlreichen Privatisierungen und viele konfliktreiche Reformen, hätte Fernández niemals getan. Außerdem: Guzmán ist nicht Cavallo.
Menem bezog sich gelegentlich auf das Bibelzitat, dass Gott die Lauen verachtet. (“Dios vomita a los tibios”). Alberto Fernández gehört eindeutig zu dieser Kategorie. Und er hat auch keine starke Persönlichkeit, die ein Charisma ausstrahlt und ihm Anhänger bringt, sowohl in seiner Partei, dem Justizialismus, der den Kern der Regierungskoalition bildet, wie auch im wirtschaftlichen Establishment und in der Gesellschaft allgemein. Was man von ihm erwartet, mutet wie ein Wunder an.
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