Von Juan E. Alemann
Der sogenannte Pariser Klub ist ein faktischer Verein von Staaten, die Maschinen und Anlagen an Argentinien geliefert haben, die mit einer mittel- oder langfristigen Finanzierung zählten, die von staatlichen Kreditversicherungsinstituten (Hermes in Deutschland, Coface in Frankreich usw.) gegen politische Risiken garantiert wurden. Wenn der Käufer des Kapitalgutes nicht zahlt, dann handelt es sich um ein kommerzielles Risiko, und die Bank muss sehen, wie sie einen säumigen Kredit eintreibt. Wenn der Kredit jedoch nicht termingemäß zurückgezahlt wurde, weil der Staat (über die Zentralbank) die Zahlung verhindert hat, dann handelt es sich um ein politisches Risiko,
Argentinien hat schon 2015, unter der Regierung von Cristina Kirchner und mit Axel Kicillof als Wirtschaftsminister, eine damals bestehende hohe Schuld dieser Art umgeschuldet, und Ende Mai ist eine Quote von u$s 2,41 Mrd. fällig. Die Regierung hat einen formellen Antrag gestellt, um diese Zahlung hinauszuschieben. Ohnehin kann bis Ende Juli gezahlt werden, ohne dass das Land formell in Default gerät. Doch dabei wird ein Strafzins erhoben. Die Regierung befürchtet, dass die Zahlung des fälligen Betrages die ZB-Reserven verringert, die ohnehin schon zu niedrig sind, um einen eventuellen Ansturm zu vertragen.
Auch will die Regierung das gesamte Abkommen neu gestalten, mit Verlängerung der Zahlungsfrist und niedrigeren Zinsen. Kicillof hatte seinerzeit nicht gut verhandelt, und auch Strafzinsen zugestimmt, die meistens in diesen Fällen erlassen oder stark verringert werden. Doch dabei sollte verhindert werden, dass Argentinien erneut als fauler Schuldner erscheint. Denn, wie wir weiter unten erklären, ist der Pariser Klub besonders wichtig, um ein geordnetes Finanzschema aufzubauen, bei dem keine Gefahr eines neuen Defaults besteht.
Der Name Pariser Klub hat einen eigenartigen Ursprung. Im Jahr 1956 hatte Argentinien schon eine Schuld angehäuft, die auf unbezahlten Zinsen und Amortisationszahlungen auf Kredite beruhte, die für Kapitalgüterlieferungen bestimmt waren. Der damalige Schatzminister, Roberto Verrier, verhandelte in Paris über das Thema. Da Verrier in der Sorbonne studiert hatte, kannte er zufällig den französischen Finanzminister persönlich aus seiner Studienzeit. Bei der Verhandlung sandte ihm dieser eine Karte, die er mit dem Gruß “avec les compliments du club der Paris” (“mit dem Gruß des Pariser Klubs”) schloss. Seither blieb die Bezeichnung für diese Art Schulden, die Argentinien danach mehrmals angehäuft hat.
Doch im Grunde ist die Bezeichnung nicht zutreffend, weil Frankreich einen sehr geringen Anteil an den Forderungen gegenüber Argentinien hat. Der größte Anteil entfällt auf Deutschland, Japan und die Vereinigten Staaten. Spanien und Portugal, die Präsident Fernández bei seiner Europareise auf dieses Thema angesprochen hat, sind in diesem Klub unbedeutend. Frankreichs Präsident Macron, zeigte gegenüber Präsident Fernández zwar guten Willen, was konkret wenig bedeutet, wies aber beiläufig darauf hin, dass eine neue Umschuldung ein Abkommen mit dem IWF voraussetze. Das hatte der offizielle Vertreter des Pariser Klubs schon vorher gefordert.
Für Argentinien ist es gegenwärtig sehr wichtig, gegenüber dem Pariser Klub keinen Konflikt zu schaffen. Wenn jetzt Zinsen und Amortisationsquoten nicht pünktlich bezahlt werden, dann können die beteiligten Staaten keine Staatsgarantien für weitere Kredite erteilen, die bei Kapitalgüterlieferungen gewährt werden. Es stehen jetzt mehrere solche Kredite in Aussicht.
Argentinien kann seine Staatsschulden nur zahlen, wenn gleichzeitig neue Kredite gewährt werden, die zahlungsbilanzmäßig einen Teil der Amortisation der alten Kredite decken. Sonst geht die Rechnung nicht auf, selbst wenn die Leistungsbilanz einen Überschuss aufweist. Kein Land kann seine Staatsschulden zahlen, ohne gleichzeitig neue aufzunehmen. Diese neuen Kredite scheint Minister Guzmán viel zu wenig zu berücksichtigen.
Aber abgesehen von der Wirkung neuer Kredite auf die Zahlungsbilanz, decken sie gleichzeitig beim Staatshaushalt einen Teil des Defizits. Das ist der Fall bei Krediten für Staatsinvestitionen. Bei Krediten an Privatunternehmen ändert sich dabei nichts bei den Staatsfinanzen, wohl aber bei der Zahlungsbilanz.
Es wäre auf alle Fälle gut, wenn der Betrag der Staatsinvestitionen genau bestimmt würde, so dass man weiß, welcher Teil des Defizits mit Krediten gedeckt werden kann. In Deutschland gilt die Regel, dass das Defizit nicht über dem Betrag liegen darf, der für Staatsinvestitionen bestimmt ist. Was voraussichtlich in der Pandemieperiode genau so wenig eingehalten wird, wie die Beschränkungen des Maastricht-Abkommens, von 3% des BIP beim Defizit und 60% des BIP bei der Staatsverschuldung. Die argentinische Regierung wäre gut beraten, wenn sie die gleiche Regel wie in Deutschland einführen würde. Dann würde das Staatsdefizit weniger dramatisch gesehen und besser verstanden. Denn die bestehende staatliche Buchführung, die laufende Ausgaben und Kapitalausgaben zusammenzählt und nicht differenziert, schafft Konfusion. In der privaten Buchhaltung werden nur die Amortisationen auf Investitionen als laufende Ausgabe betrachtet.
Als erstes können neue Kredite von der Weltbank, der BID, der Andenkörperschaft und der chinesischen Förderungsbank erwartet werden. Es kann gewiss erreicht werden, dass der Betrag der neuen Kredite dieser Finanzanstalten die Amortisationen und eventuell auch die Zinslast übersteigt. Doch darüber hinaus können auch hohe Kredite von Handelsbanken für Kapitalgüterlieferungen erwartet werden. Der Export von Maschinen und Anlagen ist für Deutschland sehr wichtig, wohl auch für Italien u.a. Länder. Die Regierungen der betroffenen Länder werden sich diese Exporte nicht entgehen lassen, umso mehr als China jetzt auch als großer Lieferant von Kapitalgütern auftritt und die Gelegenheit wahrnehmen kann, den Platz zu besetzen, den Deutschland u.a. Länder eventuell freilassen. China gehört bisher nicht zu den Gläubigern des Pariser Klubs, ist also durch das bestehende Problem mit diesem nicht betroffen. Der Fall liegt somit anders, wobei China auch als größter Käufer argentinischer Exportprodukte, Druckmöglichkeiten hat, wenn Argentinien Schulden wegen Kapitalgüterlieferungen nicht zahlt.
Die große Welt hat gegenwärtig einen hohen Kapitalüberschuss, der in niedrigen Zinsen zum Ausdruck kommt. Das Geld für Kredite für Kapitalgüterlieferungen ist vorhanden, und die Banken bemühen sich, es zinsbringend einzusetzen. Exportkredite sind eine gute Gelegenheit für diesen Zweck, und die argentinische Regierung sollte sich bemühen, sich so zu verhalten, dass Kredite, die für Kapitalgüterlieferungen an Argentinien gewährt werden, nicht auf Hindernisse stoßen. Ist es so schwer, dies zu verstehen?
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