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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Der Mercosur in der Sackgasse

Von Juan E. Alemann

Der vor 30 Jahren geschaffene gemeinsame Markt zwischen Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay, genannt Mercosur, befindet sich in einer tiefen Krise, in der entschieden werden muss, ob er bleibt, wie er ist, grundsätzlich geändert oder aufgelöst wird. Das Ziel, einen gemeinsamen Markt zu erreichen, ohne Zölle noch andere Beschränkungen beim Handel zwischen den vier Partnern, und einem gemeinsamen Zollsatz gegenüber Drittländern, wurde nicht entfernt erreicht. Und jetzt ist es in noch weitere Ferne gerückt. Der große Schub, den der Handel im Mercosur am Anfang aufwies, ist seit Langem Vergangenheit.

Gegenwärtig setzt sich Brasilien für eine allgemeine Senkung der Zölle gegenüber Drittstaaten ein. Abgesehen davon, dass noch nicht einmal erreicht wurde, dass alle vier Mitglieder den gleichen Zollsatz haben, sträubt sich Argentinien dagegen. Uruguay hat seinerseits die Initiative vorgelegt, dass Freihandelsabkommen nicht nur vom Mercosur abgeschlossen werden können, sondern auch von den einzelnen Staaten. Das ist jedoch mit dem Konzept des gemeinsamen Marktes unvereinbar, weil dann Produkte, die in Uruguay hergestellt werden, aber auch Teile enthalten, die anderswo erzeugt wurden, verbilligt werden und dabei mit Produkten der anderen Mercosur-Partner konkurrieren, deren Erzeuger diesen Vorteil nicht genießen. Dies würde reine Montagewerke in Uruguay fördern, wie in Feuerland. Beiläufig sei bemerkt, dass das Problem der Sonderzonen, in Feuerland und in Manaos, die mit den Mercosur-Regeln unvereinbar sind, auch ungelöst bleibt.

Argentinien befindet sich in einer Lage, die es gezwungen hat, die Mercosur-Regeln nicht einzuhalten. Die Devisenbewirtschaftung, mit Hemmung von Importen durch Verweigerung oder Kürzung von Importlizenzen und Verzögerung der ZB-Genehmigungen für Zahlung von Importen, wird auch bei Importen aus Brasilien, Uruguay und Paraguay angewendet, was dem Mercosur-Abkommen widerspricht. Aber Argentinien muss die Zahlungsbilanz streng verwalten, um zu vermeiden, dass sich die ZB-Reserven erschöpfen und der Wechselkurs dann in die Höhe springt und die ganze Wirtschaft durcheinander bringt.

Abgesehen davon gab es schon von Anfang an Beschränkungen von Mercosur-Importen, an erster Stelle bei Zucker. Brasilien produziert über zehn Mal so viel Zucker wie Argentinien, hat niedrigere Kosten und subventioniert den Zucker indirekt über das Spaltprodukt Alkohol, das zu Ethanol verarbeitet wird und dem Benzin beigemischt wird. Bei freiem Zuckerimport würde die ganze Zuckerindustrie in Tucumán, Salta und Jujuy verschwinden. Auch bei Stahlprodukten besteht eine Beschränkung, da das argentinische Stahlwerk Sidinsa (früher Somisa), das zum Techint-Konzern gehört, höhere Kosten hat, was sich auf Bleche u.a. Stahlprodukte überträgt. Bei Sportschuhen und Denim-Stoffen wurden vor Jahren schon Importkontingente vereinbart. Auf der anderen Seite wurde vereinbart, dass Argentinien Reis erst dann liefert, wenn der brasilianische untergebracht worden ist. Von freiem Handelsaustausch kann gewiss nicht die Rede sein. Und die Abschaffung dieser Hindernisse ist eine Illusion.

Paraguay stellt beim Mercosur ein eigenartiges Problem. Das Land dient als Drehscheibe für einen bedeutenden Schmuggel. Allerlei Waren, besonders technologische, gelangen nach Paraguay und werden von dort aus nach Brasilien und Argentinien geschmuggelt. Der Umfang dieses Schmuggels ist angeblich gesunken, aber er besteht weiter, und in Paraguay lebt Ciudad del Este davon.

Der Außenhandelsexperte Marcelo Elizondo weist in einem Artikel in der Zeitung “Clarín” darauf hin, dass die Mercosur-Staaten seit seiner Gründung unterschiedliche Wege begangen haben, und heute unter sich viel anders als vor 30 Jahren sind. Brasilien und Uruguay haben ihren Gesamtexport seit 1990 um ca. 600% erhöht, Argentinien nur um ca. 300% . Die Auslandsinvestitionen sind in diesem Jahrhundert in Argentinien um 18% gefallen, während sie in Brasilien um 470% zugenommen haben, in Uruguay 1.700% und in Paraguay 400%. Das hat sich auf die interne Wirtschaft der einzelnen Länder ausgewirkt. Brasilien, Uruguay und Paraguay haben sich viel mehr in die Weltwirtschaft eingegliedert als Argentinien.

Die argentinischen Exporte nach Brasilien stiegen von 1990 bis 2013 von u$s 1,42 Mrd. auf u$s 17,44 Mrd. Doch danach sanken sie auf unter u$s 10 Mrd. Dabei spielen die Kfz-Exporte eine große Rolle, bei denen es sich um einen verwalteten Handel handelt, weil Exporte und Importe im Prinzip wertmäßig ausgeglichen sein müssen, wobei eine bestimmte Abweichung geduldet wird. Brasilien will jetzt, dass diese Regel abgeschafft wird, und auch hier freier Handel besteht. Argentinien hat unter Macri eine weitgehende Liberalisierung zugestanden, die jedoch nachher nicht erfüllt wurde. Bei freiem Handel würde die argentinische Kfz-Industrie stark schrumpfen, da Brasilien niedrigere Kosten hat.

Abgesehen von all diesen Fakten muss man auch berücksichtigen, dass der Welthandel sich in seiner Natur geändert hat. Neben dem Warenhandel ist ein bedeutender und zunehmender Handel von Dienstleistungen aufgekommen, den das Internet (das es 1990 noch nicht gab) gefördert hat. Hubert Escaith, hat von der WTO aus gesagt, der Austausch von Produkten zwischen Ländern sei nur die physische Stütze für die Fähigkeit, Leistungen verschiedener Art und Dienstleistungen zu bieten. Die grundsätzliche Änderung der Natur des Welthandels wirkt sich auch auf den Mercosur aus, der dies nicht berücksichtigt.

Nicht zuletzt muss noch darauf hingewiesen werden, dass Argentinien ein Land mit chronischer Hochinflation ist, und weit davon entfernt ist, sie bändigen zu können, während die anderen drei Partner die Inflation in den Griff bekommen haben und sehr niedrige Preiszunahmen aufweisen. Das schafft ein großes Problem beim Handel unter den Mercosur-Staaten. Streng genommen müsste der Mercosur eine gemeinsame Währung haben (den “Merco”), wie der Euro in der Europäischen Union, doch das würde für Argentinien bedeuten, dass die Staatsfinanzierung mit Geldschöpfung nicht mehr möglich wäre, oder eben nur beschränkt, im Rahmen einer Quote, die unter den Mitgliedern verteilt wird. Da Argentinien auch bei der Finanzierung über zusätzliche Staatsverschuldung an eine Grenze gelangt ist, würde dies bedeuten, dass der Staat seine Ausgaben zum Teil nicht decken kann. Und das wäre gewiss sehr problematisch.

Kehren wir jetzt zurück zum Anfang dieses Artikels. Das der Mercosur formell so beibehalten wird, wie er ist, aber in der Praxis kaum eingehalten wird, führt zu zunehmenden Problemen, die in einem großen Krach enden. Eine Lösung, die viele Ökonomen befürworten, besteht in der Aufgabe des Zieles, einen gemeinsamen Markt zu bilden, und statt dessen den Mercosur in ein multilaterales Freihandelsabkommen unter den vier Partnern umzuwandeln, bei dem eventuell auch die Länder eingeschlossen werden, mit denen der Mercosur Freihandelsabkommen hat, nämlich Chile und Bolivien. Eine Freihandelszone erlaubt, die Bereiche des freien Handels auf bestimmte Produkte zu beschränken, eventuell auch Quoten einzuführen und besondere Situationen zu berücksichtigen. Man könnte den Mercosur auch in eine unvollkommene Zollunion umwandeln, bei der es allerlei Ausnahmen gibt. Das wäre vielleicht politisch einfacher, ist aber im Wesen das Gleiche wie eine Freihandelszone.

Bisher hat sich keiner der vier Partner getraut, dass Thema offen aufzuwerfen und darüber zu verhandeln, um schließlich eine Entscheidung zu treffen. Aber auch die argentinische Regierung sollte sich auf dies vorbereiten, wenn die Initiative von einem der anderen Partner aufkommt. Dann könnte Brasilien den Zollsatz gegenüber Drittstaaten problemlos senken, Uruguay Freihandelsabkommen mit Dritten abschließen und Argentinien seine Devisenbewirtschaftung beibehalten, bis die Zahlungsbilanzkrise vorüber ist.


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