Der Wahlsieg von Inacio „Lula“ da Silva über Jair Bolsonario in Brasilien wirft auch die Frage des Mercosur auf. Für Bolsonaro ging es mehr um die Öffnung Brasiliens gegenüber der Welt als um die Integrierung mit Argentinien. Lula hingegen hat mehr Interesse an der regionalen Verbindung mit Argentinien gezeigt. Er hat vor kurzem auch erklärt, man sollte eine gemeinsame Währung für den Mercosur erwägen. Und das ist für Argentinien ein interessanter Vorschlag. Eine Mercosur-ZB würde nicht unter dem Einfluss der lokalen Politik stehen, wobei Brasilien ohnehin die monetäre Politik schon im Griff hat. Eine gemeinsam Währung würde Argentinien zu einer Diskussion zwingen, die mit der Währungsstabilität einhergeht, und das wäre positiv für das Land. Zum Unterschied zu einem Übergang auf den Dollar, bei dem Argentinien automatisch das Recht auf eine Beteiligung an der Geldschöpfung verliert, die das Wachstum begleitet, kann dies in einer Mercosur-ZB leicht geregelt werden.
Abgesehen davon muss der Mercosur von Null auf neu durchdacht werden, und das ist eventuell bei einer Regierung von Lula einfacher als bei der von Bolsonaro. Gegenwärtig wird das Abkommen einfach nicht eingehalten, weil Argentinien die Devisenbewirtschaftung auch bei Importen aus Brasilien anwendet. Darüber hinaus sei bemerkt, dass der gemeinsame Markt, mit Handel ohne Zöllen u.a. Hindernissen, in mehreren Fällen nie stattgefunden hat, u.a. weil er nicht möglich war. Für die Kfz-Industrie gilt ein Sondersystem des kompensierten Austausches (mit Importen gleich Exporten), das gut funktioniert hat und eine Spezialisierung der Fabriken auf bestimmte Modelle herbeigeführt hat, was die Kosten gesenkt hat. Das Abkommen ist formell abgelaufen, wird jedoch noch eingehalten. Es sollte formell ratifiziert und verbessert werden, eventuell mit Einschluss von Kfz-Zubehörteilen. Auch bei Zucker und Stahl ist der Freihandel nicht möglich, und hat auch nicht stattgefunden. In beiden Fällen würde dabei die argentinische Industrie praktisch verschwinden. Schließlich sei bemerkt, dass der gemeinsame Zollsatz für Importe aus Drittländern nie vollzogen wurde.
Die Frage ist jetzt, ob der Mercosur in einen „unvollkommenen“ gemeinsamen Markt umgewandelt wird, also ein gemeinsamer Markt mit Ausnahmen, oder ob man auf ein Freihandelsabkommen übergeht, bei dem vornherein fallweise vorgegangen wird. Der Regierungswechsel in Brasilien ist eine gute Gelegenheit, um das Problem aufzuwerfen. Wobei man selbstverständlich Klarheit über das Thema in der argentinischen Regierung haben muss, was vorläufig nicht der Fall ist.
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