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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Der konjunkturelle Aufschwung wurde unterbrochen

Von Juan E. Alemann

Im Jahr 2021 hat die argentinische Wirtschaft den Verlust von 2020 ungefähr aufgeholt, allerdings mit großen Unterschieden in den einzelnen Bereichen, mehreren strukturellen Änderungen, und ohne die Beschäftigung wieder herzustellen. Von den 4,2 Mio. Arbeitsplätzen, die 2020 verloren gingen, wurden 3,2 Mio. wieder besetzt, so dass eine Million fehlt. Außerdem war es kein echtes Wachstum, wie es der US-Ökonom Joseph Stiglitz in einem Artikel dargestellt hat. Stiglitz, mit dem Martín Guzmán in der Columbia-Universität of New York zusammengearbeitet hatte, und der auch in den USA für mehr Sozialpolitik und mehr Staatsintervention einsteht, hat den Fall nicht begriffen, oder eben seinem ehemaligen Mitarbeiter Guzmán helfen wollen. Ein Nobelpreisträger wie Stiglitz sollte sorgfältiger sein.

Wenn Restaurants, Bars u.a. Lokale wieder geöffnet und allerlei pandemiebedingte Verbote und Beschränkungen ganz oder teilweise aufgehoben werden, ist es normal, dass die wirtschaftliche Tätigkeit sich wieder normalisiert. Dies wurde durch die weiche monetäre Politik erleichtert, die in viel Geld für Konsum, Stundung von Steuerschulden, weichen Krediten für die Finanzierung von dauerhaften Konsumgütern, Subventionen für den internen Tourismus und auch durch die Einfrierung der Tarife öffentlicher Dienste erleichtert, die den Haushalten mehr Geld für den Konsum erlaubte. Hinzu kam noch die Wirkung einer guten Ernte von Getreide und Ölsaat in der Periode 2020/21, die zu hohen Preisen verkauft wurde und den Exporterlös stark erhöht hat, was die schwelende Zahlungsbilanzkrise hinausschob.

Doch dieser Aufschwung, der nach der offiziellen Auffassung in ein dauerhaftes Wachstum übergehen sollte, verlangsamte sich in den letzten Monaten, und die Ökonomen, auch die der Weltbank, tippten auf eine wesentlich niedrigere Wachstumsrate im Jahr 2022, mit einer Zunahme des BIP von 2% bis 4%. Diese schwächere Konjunktur wird durch die Verlagerung der Tätigkeit auf die Tourismusorte vertuscht, die diesen Sommer Hochkonjunktur erleben.

Doch jetzt sind mehre Umstände fast gleichzeitig eingetreten, die die Aussichten noch verschlechtern. Halten wir fest:

Die neue Pandemiewelle hat dazu geführt, dass in vielen Industriebetrieben 20% bis 30% der Belegschaft nicht am Arbeitsplatz erschien, was die Produktion behindert. Die Ausbreitung der Infektionen hat auch weitere negative wirtschaftliche Wirkungen.

Die Hitzewelle hat nicht nur Ausfälle bei der Stromversorgung verursacht (die dank effizienter Verwaltung der privaten Betreiber des Netzes auf ein Minimum beschränkt wurden), sondern allgemein auf die Wirtschaftstätigkeit negativ gewirkt.

Die hohen Temperaturen im ganzen Land haben die schon vorher bestehende Dürre, die besonders die zentrale Gegend des Landes betraf, stark verstärkt, so dass man jetzt mit einer viel niedrigeren Ernte der Periode 2021/22 rechnet. Es werden keine 145 Mio. Tonnen Getreide und Ölsaaten sein, wie es vor zwei Wochen noch hieß (was ein Rekord gewesen wäre) sondern um die 130 Mio. Wenn es kurzfristig allgemein ausreichend regnet, kann es mehr sein, und wenn die Dürre andauert, noch weniger. Dank direkter Aussaat, die die Bodenfeuchtigkeit erhält, ist die Wirkung von Dürren heute viel geringer als früher, als gepflügt wurde und der Boden von der Sonne ausgetrocknet wurde. Ebenfalls wurde bei Weizen u.a. Arten ein Samen entwickelt, der gegen Dürre resistenter ist. Dabei wurde ein Gen der Sonnenblume genommen, die an sich resistenter gegen Dürre ist, und dem Weizensamen einverleibt. Schließlich trägt auch die Düngung dazu bei, dass sich die Pflanzen von Mais, Sojabohne u.a. Arten nach einer Dürreperiode schneller erholen.

Nicht zuletzt kommt die Stockung der Verhandlung mit dem Internationalen Währungsfonds hinzu, die die Regierung provoziert hat. Das Umschuldungsabkommen hätte schon vor über einem Jahr abgeschlossen werden können, und das hätte dazu geführt, dass allerlei Kredite, von der Weltbank, der BID, der Andenkörperschaft, chinesischer u.a. Förderungsbanken gewährt und effektiv ausgezahlt worden wären. Über 20 Projekte dieser Art sind uns bekannt, die auf der Warteliste stehen, und jede Woche kommen weitere hinzu, letzte Woche einer für Erneuerung und Erweiterung des Stromnetzes in der Umgebung der Bundeshauptstadt, und eine Woche vorher für die Elektrifizierung der San Martín-Bahn. Dass die Regierung sich nicht bemüht, das IWF-Abkommen abzuschließen, ist heller Wahnsinn. Es würde genügen, ein dutzend Maßnahmen zu treffen, um Staatsausgaben zu sparen. Wir sind bereit, dem Wirtschaftsministerium eine Liste vorzulegen. Auf einen seriösen Weg, um die Staatsausgaben zu verringern, beschränkt sich im Wesen der ganze Wirtschaftsplan, von dem in letzter Zeit so viel die Rede ist.

Die Regierung vermittelt den Eindruck, dass sie nicht weiß, was sie tun soll, um diese Lage zu überwinden. In dieser schweren Stunden müsste der Präsident es verstehen, der Bevölkerung zu erklären, wie er sich die Überwindung der kritischen Lage vorstellt, ohne Demagogie, und mit konkreten Maßnahmen, von denen er die ersten gleichzeitig ankündigen müsste. Leider ist der Präsident unfähig, so etwas zu tun. Er hat verworrene Gedanken, versteht von Wirtschaft überhaupt nichts, und tappt im Dunkeln. Guzmán ist auch nicht der Geeignete, um ihn aufzuklären, den er vertritt selber eine grundsätzlich verkehrte Auffassung, die er vom Sozialisten Stiglitz übernommen hat. Argentinien braucht jetzt nicht mehr Sozialismus, sondern mehr Marktwirtschaft, nicht politisches Wunschdenken, sondern Sinn für Realität, Vernunft und Effizienz.

Die Aussichten auf das Jahr 2022 werden auch dadurch getrübt, dass mit einer Zunahme der Inflationsrate gerechnet wird. Nachdem 2021 mit 50,9% abgeschlossen hat, bei einer “Kerninflation” von 54,9% (bei der saisonale Schwankungen und staatlich regulierte Preise ausgenommen werden), rechnen die Wirtschaftler, die Consulting-Firmen betreiben (und Unternehmer beraten), wird für 2022 mit einer Mindestinflation von 54% gerechnet, die bis 60% steigen kann. Das setzt jedoch voraus, dass die Regierung die Lage im Griff hat, worüber Zweifel bestehen. Ökonomen weisen auch darauf hin, dass eine Inflationsrate von 100% nicht ausgeschlossen ist. Ebenfalls kann man die Möglichkeit einer Hyperinflationswelle (was 50% in einem Monat bedeutet) nicht ausschließen.

Allein die Möglichkeit, dass dies eintreten kann, wirkt hemmend auf die Wirtschaft. Bei hoher Inflation erscheint die Haltung von Dollarscheinen oder Dollardepositen im Ausland, als eine bessere Option als produktive Investitionen in Argentinien. Und bei der Aussicht auf Hyperinflation muss man schon jetzt vorsichtig wirtschaften und das Ziel der Erhaltung des Unternehmens vor Expansion stellen.



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