Von Juan E. Alemann
Im ersten Quartal hat sich die Wirtschaft weiter erholt, Wirtschaftler rechnen für das erste Quartal 2021 mit einer BIP-Zunahme von 5% gegenüber dem 4. Quartal 2020. Wirtschaftsminister Martín Guzmán rechnen damit, dass das BIP ganz 2021 um 7% über dem Vorjahr liegen wird, und die Weltbank rechnet jetzt mit 6,4%, unter der Voraussetzung, dass ein Abkommen mit dem IWF zustande kommt. Diese hohe Wachstumsrate, bei der das Bruttoinlandsprodukt immer noch um ca. 4 Prozentpunkte unter dem von 2019 liegen würde, beruht auf drei Faktoren: 1. Der Spiralfedereffekt, also die Aufholung eines Teils der bedeutenden vorangehenden Abnahme, der durch eine Teilnormalisierung der wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzt hat; 2. Die stark gestiegenen Preise von Sojabohne, Mais und Sonnenblume, die das Exportniveau trotz geringerer Mengen hoch halten und einen Handelsbilanzüberschuss sichern; 3. Die strukturellen Änderungen und Effizienzfortschritte, die Pandemie und Quarantäne angespornt haben.
Hinzu sollte noch die Wirkung von Investitionen kommen, die mit Krediten der Weltbank, der BID u.a. Banken, an erster Stelle chinesischen, finanziert werden. Es stehen viele Investitionen in Aussicht, die jedoch warten, dass die Lage mit dem Internationalen Währungsfonds und dem Pariser Klub geregelt wird. Und jetzt kommt noch die Erhöhung des Betrages der Ziehungsrechte des IWF hinzu, von denen u$s 4,3 Mrd. auf Argentinien entfallen, was das unmittelbare Finanzproblem erleichtert.
Dass Cristina zuerst, und der Präsident kurz danach, gesagt haben, Argentinien werde dem Fonds nichts zahlen, weil es kein Geld habe, ist eine kolossale Dummheit, und hat zur Folge, dass allerlei Kreditmöglichkeiten und Geschäfte stillstehen. Bisher hatte Guzmán darauf hingewiesen, dass Argentinien Wachstumsimpulse erhalten müsse, wobei dann das Wachstum auch Mittel schafft, um die Schulden zu bedienen. Was dabei nicht gesagt wird, ist, dass bei einer Beruhigung der Lage neue Kredite kommen, die bei der Zahlungsbilanz die Amortisation der bestehenden Schulden zumindest zum Teil ausgleichen. Kein Land auf der Welt kann seine Staatsschulden kurzfristig voll zahlen, ohne neu aufzunehmen. Doch das funktioniert, solange man die Spielregeln achtet, die weltweit für die Finanzen gelten.
Im Fall Argentiniens sei noch darauf hingewiesen, dass eine Teillösung des finanziellen Problems auch darin bestehen könnte, dass man sich ernsthaft bemüht, schwarzes Vermögen weißzuwaschen, so dass es einmal für Arbeitskapital von Unternehmen eingesetzt wird, und dann auch für Finanzierung staatlicher und privater Investitionen. ZB-Präsident Miguel Pesce hat in der Vorwoche in einer Videokonferenz mit anderen Zentralbankleitern gesagt, dass der schwarze Dollarbestand, den die Menschen in Bankfächern oder versteckt zu Hause hielten, u$s 130 Mrd. betrage. Er sagte nicht, wie er zu dieser Zahl gekommen ist, und ebenfalls wies er nicht auf die Bedeutung des Betrages in der gegenwärtigen Finanzlage Argentiniens hin, noch dass es einer oder mehreren Weißwaschungen bedarf, um diesen Betrag effektiv einsetzen zu können. Beiläufig sei bemerkt, dass mit der Hälfte des genannten Betrages, das gesamte Schuldenproblem gelöst werden könnte, weil die Restschuld dann tragbar wäre. Es ist unbegreiflich, dass diese Erklärung von Pesce keine Reaktion in der Regierung, in der Wirtschaftswelt und in der Fachwelt der Ökonomen entfacht hat. Wir scheinen die einzigen zu sein, die dieses Thema hervorheben.
Es ist schwer zu verstehen, warum Präsident Alberto Fernández sich selbst die Schlinge um den Hals bindet. Er könnte weiter auf seiner bisherigen These beharren und die Worte von Cristina dabei so auslegen, dass man dem Fonds nicht so zahlen kann, wie es unter Macri vereinbart wurde. Was selbstverständlich ist. Ebenfalls ist der Austritt aus der Lima-Gruppe unbegreiflich. Denn das kommt bei den Vereinigten Staaten, der EU u.a. Staaten, die im Fondsvorstand das Wort haben, sehr schlecht an. Außerdem ist die Unterstützung des Maduro-Regimes in Venezuela, die dabei zum Ausdruck kommt, ein verheerendes Signal. Denn in Argentinien geht es darum, klar zu zeigen, dass das Land nicht in Richtung Venezuela geht. Ist der Präsident von allen guten Geistern verlassen? Oder will er die großen Staaten nur erschrecken, damit sie bei der Verhandlung mit dem IWF nachgiebiger werden? Man kann eher davon ausgehen, dass sie es darauf ankommen lassen, dass die Lage explodiert, so dass es dann zu einem Neuanfang kommt, wobei dann die Gesellschaft und das politische Establishment Dinge hinnehmen, die sie noch kurz vorher frontal abgelehnt hatten. Auf alle Fälle sollte der Präsident es vermeiden, mit dem Schicksal Argentiniens Poker zu spielen.
Die Haltung, die der Präsident in letzter Zeit eingenommen hat, in der er sich selbst aufgibt und sich Cristina unterwirft, führt zu noch mehr Ungewissheit in der Wirtschaftswelt, die lähmend wirkt. Denn wenn man davon ausgeht, dass es keine makroökonomische Strategie gibt und die Rezession sich vertieft, dann handelt man entsprechend, und das beschleunigt die Fahrt in die Hölle.
Argentinien steht jetzt erneut vor einer Grundentscheidung: entweder die Korrekturen, die bei den Staatsfinanzen und anderen Aspekten der Wirtschaftspolitik notwendig sind, werden rationell vollzogen, was der Bevölkerung ein beschränktes Opfer auferlegt, oder die Korrektur wird durch die Vertiefung der Krise herbeigeführt, bei der das Opfer unermesslich höher ist. 2001, als sich eine ähnliche Alternative stellte, hat Präsident Fernando de la Rúa seinen Wirtschaftsminister Ricardo López Murphy nicht unterstützt, als er gemäßigte Korrekturen vorschlug, und zwang ihn zum Rücktritt. Das führte schließlich im Dezember zu einem Zusammenbruch, der der für die Bevölkerung ein unverhältnismäßig größeres Opfer bedeutet hat. Lernen die argentinischen Politiker, und auch das wirtschaftliche Establishment, nichts aus der Erfahrung der Vergangenheit? Begehen sie den gleichen Fehler immer wieder? So scheint es jetzt zu sein, wenn kein Wunder geschieht.
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