Von Juan E. Alemann
Argentinien hat eine wirklich eigenartige Regierung. Nicht nur wurde der Präsident von der Vizepräsidentin aufgestellt, sondern sie beherrscht auch das Parlament und mischt sich in Themen ein, für die sie nicht zuständig ist. Bei der Ernennung von Ministern und anderen hohen Beamten hat sie viele treue Anhänger durchgesetzt, und wenn ein hoher Beamter ihr nicht gefällt, fordert sie seinen Rücktritt, um ihn durch einen zu ersetzen, der ihr ohne mit der Wimper zu zucken gehorcht.
Präsident Alberto Fernández ist sich bewusst, dass Cristina Kirchner die politische Macht in der Regierung hat. Er weiß aber auch, dass er, und nur er, laut Verfassung für die Entscheidungen der Regierung verantwortlich ist. Wenn alles einigermaßen gut geht und die Wahlen die Stellung der Regierungskoalition bestätigen, dann wird Cristina den Erfolg für sich beanspruchen. Aber wenn die Wahlen für die Regierung schlecht ausfallen, wie es sehr wahrscheinlich sein wird, dann wird sie den Präsidenten dafür verantwortlich machen. Schon jetzt äußert sie sich gegenüber Vertrauenspersonen abfällig über ihn. Und das weiß er.
Man sollte jedoch den Präsidenten nicht unterschätzen. Gewiss ist er kein großer Staatsmann, kein Intellektueller, und er hat auch keine starke Persönlichkeit. Aber er ist gewiss nicht dumm, hat politische Erfahrung (und hat in dieser Hinsicht viel von Néstor Kirchner gelernt) und weiß als Jurist und Dozent des Strafrechts, wie die Rechtsordnung funktioniert. Er hat auch einen gesunden Menschenverstand, der ihm sagt, was man auf alle Fälle nicht tun sollte.
Alberto und Cristina denken grundsätzlich verschieden. Das hat er klar zum Ausdruck gebracht, als er sich in den Jahren nach seinem Rücktritt als Kabinettschef im Jahr 2008 wiederholt äußerst kritisch über Cristina äußerte. Wenn der Journalismus gelegentlich an vieles erinnert, dass er damals gesagt hat, erscheint es unbegreiflich, dass Cristina ihn als Partner gewählt hat. Für sie ging es nur darum, die Wahlen von 2019 zu gewinnen, und dazu brauchte sie einen gemäßigten Partner, der bei traditionellen Peronisten besser ankam als sie. Doch dabei wäre es schwierig, die Macht in der Regierung zu teilen. Und deshalb ist sie in kleinen Schritten vorgegangen, um sich durchzusetzen und Alberto in die Enge zu treiben.
Für Cristina geht es an erster Stelle um ihre bösen Prozesse, und sie unterstellt alles Andere dem Ziel, die Justiz zu beherrschen und zu erreichen, dass die Prozesse eine für sie günstige Wende nehmen oder versanden. Deshalb sind auch die Novemberwahlen so wichtig, denn dabei geht es um die Mehrheit in der Deputiertenkammer. Abgesehen davon kommt bei ihr stets die marxistische Ideologie zum Vorschein, die sie in ihrer Studienzeit von ihren Montonero-Freunden übernommen hat. Sie will viel Staat, Unterjochung der Privatwirtschaft und Abschottung von der Welt.
Alberto Fernández hingegen ist sich der Grenzen der Beeinflussung der Justiz bewusst und hat als Pragmatiker, der er grundsätzlich ist, einen klaren Sinn für die Realität. Er weiß auch, dass er schließlich für ein Versagen der Regierung verantwortlich gemacht wird. Auch steht er unter direktem Einfluss von Wirtschaftsminister Martín Guzmán, der vernünftig denkt und so bald wie möglich Abkommen mit dem Fonds und dem Pariser Klub abschließen will. AF ist damit einverstanden. Cristina nicht. Im Fall der Eisenbahnen und der Paraná-Baggerung hat er zunächst nachgegeben, kämpft aber weiter für private Beteiligung.
Ohne es auf eine offene Konfrontation mit Cristina ankommen zu lassen, bemüht er sich um Vernunft und Pragmatismus, im Gegensatz zur Ideologie und den Launen von Cristina, ohne es an die große Glocke zu hängen. Und das wird in der Politik als kalter Krieg eingestuft.
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