Von Juan E. Alemann
Bei den Gesprächen, die in Washington zwischen Fachleuten des Internationalen Währungsfonds und hohen argentinischen Beamten, die für Staatsfinanzen zuständig sind, stattgefunden haben, hat der IWF auf die Notwendigkeit hoher ZB-Reserven hingewiesen, als Voraussetzung sine qua non für ein realistisches Umschuldungsabkommen. In der Tat erscheint dies fast als selbstverständlich, da niedrige Reserven stets einen Abwertungssprung in Aussicht stellen, der gelegentlich auch eintritt, was die ganze Wirtschaft durcheinanderbringt. In einer so stark dollarisierten Wirtschaft wie der argentinischen, muss die ZB in der Lage sein, den Wechselkurs unter Kontrolle zu halten. Was nicht bedeutet, dass er hinter der internen Inflation zurückbleibt, sondern, dass er nicht unerwartet davonspringt. Und zu diesem Zweck sind hohe Devisenreserven notwendig, die andere Länder nicht benötigen, die die Inflation im Griff haben, und deren Gesellschaften nicht entfernt so dollarabhängig wie die argentinische sind.
Die ZB-Reserven werden mit ca. u$s 38 Mrd. ausgewiesen, was jedoch grundsätzlich nicht stimmt. Denn der größte Teil dieser Reserven kann nicht für Kurspflege eingesetzt werden. Die ausgewiesenen Reserven bestehen aus nicht ausgeliehenen Bankdepositen in Dollar, einem Kredite der Bank für Internationalen Zahlungsausgleiche (in Basel), und einem chinesischen Kredit, der nur für Deckung von Ungleichgewichten beim bilateralen Handel eingesetzt werden darf. Was die ZB effektiv auf dem Markt einsetzen kann, dürfte bei höchstens u$s 4 Mrd. liegen. Wenn man davon ausgeht, dass die ZB im August u$s 1,28 Mrd. an Reserven verloren hat, im September u$s 1,67 Mrd., im Oktober u$s 1,06 Mrd. und im November u$s 1,21 Mrd., dann sieht die Zukunft trübe aus. Erst im Dezember hat sich die Lage geändert, was jedoch darauf zurückzuführen ist, dass mehr Pesos notwendig sind, um den zusätzlichen halben Jahreslohn und das Weihnachts- und Neujahrsgeschäft zu finanzieren.
Die ZB verhindert einen weiteren Devisenabfluss mit einer verschärften Devisenbewirtschaftung, bei der Importe behindert und die Genehmigungen für die notwendigen Devisen verzögert werden. Das hat auf breiter Ebene zu Knappheitserscheinungen und dabei auch zur Unterbrechung von Fabrikationsprozessen geführt, bei denen auch importierte Teile eingesetzt werden. Wenn dies in einer Periode tiefer Rezession eingetreten ist, kann man sich vorstellen, wie es bei besserer Konjunktur sein wird.
Die Wirtschaftsführung hat nicht die geringste Ahnung, wie sie das Problem angehen soll. Wenn nichts getan wird, kommt es unvermeidlich gelegentlich zu einer Erschöpfung der verfügbaren Reserven, und dann springt der Kurs in die Höhe, oder es kommt zu einer noch strengeren Devisenbewirtschaftung, die die wirtschaftliche Tätigkeit noch mehr behindert, als es schon der Fall ist. Es ist höchste Zeit, dass das Thema gründlich untersucht wird.
Wir haben an dieser Stelle schon mehrere Vorschläge gemacht, die jedoch weder von der Regierung noch sonst zur Kenntnis genommen wurden. Halten wir fest:
1. Der schwarze Devisenmarkt muss in einen legalen Markt umgewandelt werden. Denn weil der Markt schwarz ist, werden Devisenüberweisungen im Zusammenhang mit Investitionen oder Finanzierung von Geschäften oder andere Zwecke gehemmt. Denn das Geld wäre dann hier auch schwarz, und der Verantwortliche könnte dann ein Problem mit dem Steueramt haben. Der Devisenschwarzmarkt ist strukturell unausgeglichen, was bedeutet, dass der Kurs eine Tendenz hat, sehr hoch zu bleiben. Die hohe Marge zwischen offiziellen und schwarzem Kurs hat eine verheerende Wirkung auf die Wirtschaft,
2. Als zweites muss es gezielte Weißwaschungen für Dollarguthaben geben, die für bestimmte Zwecke eingesetzt werden. Seit einigen Monaten ist die Rede von einer Legalisierung von Beträgen, die für Finanzierung von Bauprojekten und eventuell auch Kauf von Wohnungen, eingesetzt werden. Aber konkret gab es nichts, wobei Minister Guzmán angeblich dagegen ist. Die Weißwaschung müsste auch andere Bereiche umfassen: Zahlung von Steuerschulden, Arbeitskapital für Unternehmen, private Investitionsprojekte und Zeichnung von Staatstiteln. All das würde den freien Kurs, der nicht mehr schwarz wäre, drücken, die Marge mit dem offiziellen Kurs stark senken und den Devisenmarkt beruhigen.
3. Es muss eine effektive Exportpolitik geben, was bedeutet, dass die Produktion von Exportprodukten gefördert werden muss. Das beginnt mit der Angleichung des absurd hohen Exportzolles von 33% für Sojabohne an den Satz, der allgemein für Getreide und Ölsaaten gilt. Das würde den Anbau von Sojabohne in Grenzgebieten und allgemein, eine intensivere Sojaproduktion, u.a. mit höherem Einsatz von Düngemitteln, fördern. Weitere Exportmöglichkeiten müssen aufgedeckt werden, und auch Vorschläge von Unternehmern angeregt werden. Diese Exportpolitik führt beiläufig zu einer Einkommensumverteilung zu Gunsten der Produzenten von Exportgütern, und zu Lasten der Bevölkerung allgemein. Doch das muss man hinnehmen. Denn eine Zahlungsbilanzkrise, die sich in kurzen Abständen wiederholt, kommt dem Land auf alle Fälle viel teurer zu stehen.
4. Der Import muss auch in Grenzen gehalten werden. Als erstes müsste wieder eine private Importkontrolle eingeführt werden, wie sie von 1997 bis 2001 bestand, oder ähnlich. Die Fälschung von Importwerten und auch Mengen und Qualitäten, ist enorm. Einmal ist das Zollamt bei seinen Kontrollen überfordert, weil die Beurteilung eines angegebenen Preises oft sehr schwierig ist, und dann besteht eine große Korruption.
5. Darüber hinaus muss der Anteil lokaler Zulieferanten bei Kfz und vielen anderen Produkten erhöht werden. Produktionsminister Matías Kulfas arbeitet schon intensiv an diesem Thema, muss aber noch viel mehr tun.
All diese Aspekte des Zahlungsbilanzproblems müssten auch mit dem IWF besprochen werden. In früheren Zeiten war der Fonds sehr dogmatisch, und lehnte Maßnahmen, wie wir sie hier vorschlagen, grundsätzlich ab. Doch jetzt ist er pragmatischer geworden, und dürfte wohl bereit sein, sie zuzulassen. Ebenfalls müsste das Gespräch mit der Welthandelsorganisation (WTO) aufgenommen werden, um einen Konflikt mit diesen Maßnahmen zu vermeiden. Beiläufig müsste auch eine Klage gegen Staaten eingebracht werden, die Maßnahmen treffen, die argentinische Exporte behindern.
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