top of page
  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Der Hitler-Wahnsinn und die Folgen

Aufstieg und Fall des Dritten Reichs

Von Juan Alemann

Reichspräsident Paul von Hindenburg und Adolf Hitler
Reichspräsident Paul von Hindenburg und Adolf Hitler. (Foto: Bundesarchiv)

Buenos Aires (AT) - Als Adolf Hitler 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, befand sich Deutschland in einer tiefen Krise, mit einer Arbeitslosigkeit, die um die 30 Prozent der aktiven Bevölkerung lag, wobei viele Arbeitslose schon über zwei Jahre keine bezahlte Beschäftigung hatten. Das hat Hitler in kurzer Zeit überwunden. Zwei Jahre später gab es schon Vollbeschäftigung. Kein Wunder, dass unzählige Mitglieder der kommunistischen Partei und auch anderer Parteien auf den Nationalsozialismus übergingen.

Dieser wirtschaftliche Erfolg beruht auf einem extrem keynesianischen Programm, obwohl Lord John Maynard Keynes sein berühmtes Buch erst 1935 veröffentlichte. Hjalmar Schacht, der für Wirtschaftspolitik verantwortlich war, hat hervorragende Arbeit geleistet. Ab 1934 wurde in Deutschland nicht nur ein Netz von Autobahnen gebaut, sondern es fand eine kolossale Aufrüstung statt. Die Produktion von Waffen aller Art, Panzern, U-Booten, Kriegsschiffen und Kriegsflugzeugen wurde in großem Umfang aufgenommen. Das hatte eine enorme Wirkung auf die ganze Wirtschaft, an erster Stelle auf die Stahlindustrie und dann auf alles andere. Auch der VW-Käfer entstand damals. Er war ursprünglich als Automobil für den Krieg gedacht, wobei die Luftkühlung des Motors auch damit zusammenhängt, dass das Fahrzeug in besonders kalten Gegenden, lies Sowjetunion, problemlos eingesetzt werden konnte.

Wenn das viele Geld für Friedenszwecke statt für den Krieg eingesetzt worden wäre, also für Infrastruktur und produktive Investitionen, wäre der wirtschaftliche Aufschwung größer, besser fundiert und qualitativ viel besser gewesen, eventuell auch mit guten Wohnungen für die Armen, besseren Hospitälern u.s.w.

Diese Aufrüstung wurde mit Geldschöpfung und Ausgabe von Staatstiteln finanziert. Gleichzeitig gab es eine strenge Preiskontrolle, mit einem System, das wohl nur in einem Polizeistaat funktionieren konnte, wie es Deutschland damals einer war. Die Großindustrie nahm dies hin, weil der vorangehende Krisenzustand, bei dem die Produktion stark geschrumpft war, viel schlimmer für sie war. Die größeren Unternehmen mussten ihre Kosten nach einem bestimmten Schema berechnen, und auf diese wurde ihnen ein Bruttogewinnmarge erlaubt. Das wurde allgemein eingehalten.

Hitler benutzte seine starke militärische Stellung zunächst, um Frankreich und England davon abzuhalten, gegen Deutschland vorzugehen. Der Anschluss des Saarlandes, von Österreich und mit dem Sudetenland eines Teils der Tschechoslowakei, wurde von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges geduldet, obwohl es teils schlichte Invasionen waren, ohne militärischen Widerstand, die elementare Regeln der internationalen Rechtsordnung verletzten. Aber weder Großbritannien noch Frankreich konnten damals einen Krieg riskieren. Sie waren einmal militärisch nicht vorbereitet, und dann hätten die Regierungen keine politische Unterstützung dafür gehabt. Die Gesellschaften beider Länder waren noch kriegsmüde. Wenn Hitler es dabei hätte bewenden lassen, hätte er lange an der Macht bleiben können, wie Franco.

Nazis feiern Hitlers Ernennung zum Reichskanzler
Nazis feiern Hitlers Ernennung zum Reichskanzler. (Foto: Bundesarchiv)

Als der Krieg 1939 schließlich doch ausbrach, hätten ihn Großbritannien und Frankreich ohne amerikanische Hilfe verloren. Denn sie konnten kurzfristig nicht nachholen, was Hitler ab 1934 an Aufrüstung vollzogen hatte. Das gelang nur den Vereinigten Staaten, die ab 1939 bei der Aufrüstung ein wahres Wunder vollbrachten, das auch Hitler nicht erwartet hatte.

In Großbritannien kam damals eine politische Diskussion auf. Premierminister Neville Chamberlain vertrat die Auffassung, dass die Alliierten des Ersten Weltkrieges die territoriale Expansion Deutschlands passiv zugelassen hätten und Hitler alles gegeben hätten, was er wollte. Somit würde er nicht mit weiteren Invasionen fortschreiten, die keinen Sinn hätten und zu einem Krieg führen würden. Doch Winston Churchill, damals Abgeordneter, dachte anders. Er war überzeugt, Hitler wolle den Krieg. Er wies darauf hin, dass die gigantische Aufrüstung sonst keinen Sinn hätte. In der deutschsprachigen Gemeinschaft in Argentinien vertrat Ernesto F. Alemann, mein Vater, damals Direktor des Argentinischen Tageblatts, die gleiche Auffassung, während ein großer Teil der deutschen Gemeinschaft eher mit Chamberlain einverstanden war. Alemann schrieb damals einen Leitartikel über das Thema, in dem er auf das große Leid hinwies, dass Hitler dem deutschen Volke verursachen werde, denn ein neuer Weltkrieg würde eine wahre Katastrophe herbeiführen. Was schließlich geschehen ist, war jedoch unverhältnismäßig schlimmer, als er es sich damals vorstellen konnte.

Leider behielten Winston Churchill und Ernesto Alemann recht. Chamberlain und viele andere waren davon ausgegangen, dass Hitler schließlich vernünftig handeln würde, während Churchill und Alemann begriffen hatten, dass er nicht nur kriminell veranlagt, sondern geistig gestört war. In der Tat hatten weder die massive Ermordung von Juden, noch der Überfall auf Polen, noch der Feldzug gegen die Sowjetunion und vieles andere einen vernünftigen Sinn. Admiral Canaris, der Leiter des militärischen Geheimdienstes, war dabei, als Hitler die Entscheidung traf, Polen zu besetzen. Gleich danach sagte er zu seinen Mitarbeitern, er halte Hitler für verrückt. Andere haben dies in Deutschland erst bemerkt, als es schon zu spät war. Erstaunlich ist dabei, dass sich so viele Deutsche dem Wahnsinn Hitlers angeschlossen haben.

Weder die Invasion von Frankreich, noch die von Polen, der Sowjetunion u.a. Staaten hatten einen vernünftigen Sinn. Nehmen wir an, Deutschland hätte den Krieg gewonnen. Dann hätten entweder diese Staaten zu Teilen Deutschlands erklärt werden müssen, was kaum vorstellbar ist, oder es hätte ein Staatsvertrag mit den einzelnen eroberten Ländern abgeschlossen werden müssen, bei dem sie dann nach und nach wieder unabhängig geworden wären. Wozu das Ganze? Diese Frage bleibt bis heute unbeantwortet. Die These vom “Lebensraum”, die die Nazis damals erwähnten, macht den Fall noch absurder. Denn das bedeutete im Grunde, dass Deutschland andere Völker ausrotten wollte, um dort Deutsche anzusiedeln.

Angenommen Hitler hätte rational gehandelt und sich mit den ersten Annektionen zufrieden gegeben, dann hätte er lange regieren können, ohne Krieg und eventuell mit zunehmendem Wohlstand Deutschlands. Und wenn er die verbrecherische Judenverfolgung beiseitegelassen hätte, die nicht den geringsten vernünftigen Sinn hatte, dann hätten auch die Juden, die ermordet wurden oder ausgewandert sind, zur Wirtschaftsleistung beigetragen, und dieser Beitrag war gewiss nicht gering, besonders wenn man an Fälle wie den von Albert Einstein denkt. Die Judenverfolgung ist umso absurder, als die Juden sich in Deutschland seit Beginn des 19. Jahrhunderts voll in die Gesellschaft integriert hatten, und im Wesen genauso deutsch wie alle anderen Deutschen waren. Sie waren Deutsche jüdischen Glaubens oder nur jüdischen Ursprungs. Ein jüdischer Freund meines Vaters war erst kurz vor Kriegsbeginn ausgewandert. Als ich ihn fragte, warum er nicht vorher gekommen sei, was sicherer gewesen wäre, antwortete er, er konnte bis zum Schluss nicht glauben, was in Deutschland vor sich ging. Denn er sei genau so deutsch wie die anderen.

Die Rassentheorie der Nazis macht den Fall noch absurder, denn die Juden waren ursprünglich ein Volk, das in Judäa (im heutigen Staat Israel) lebte, und als sie sich danach in Europa verstreuten, kennzeichneten sie sich nur durch ihre Religion. Es gibt nur semitische Sprachen (Arabisch und Hebräisch), aber keine semitische Rasse. Die Nazis haben in dieser Beziehung einen unglaublichen Blödsinn verzapft, der gewiss nicht zu einem kultivierten Land wie Deutschland passt.

In anderen Ländern wurden die Gettos viel später abgeschafft als in Deutschland und die Juden auch viel später wie normale Bürger behandelt. In Deutschland wurden sie in die Zivilregister lange vor anderen Ländern eingetragen, und erhielten dabei auch Nachnamen, die sie nicht hatten, die in den meisten Fällen normal und in wenigen ausgefallen sind, je nachdem ob die einzelne Richter judenfreundlich eingestellt waren oder Vorurteile hatten. Heinrich Heine, einer der größten deutschen Lyriker, und viele andere auf einzelnen Gebieten prominente Deutsche, waren Juden. Es hatte auch schon vor 1934 unzählige Mischehen gegeben. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte eine jüdische Großmutter.

Der grausame systematische Mord an sechs Millionen Juden stellt jedoch nur einen Teil der Toten dar, die Hitler zu verantworten hat. Gelegentlich werden dabei die anderen vergessen. Einschließlich der Toten des sinnlosen Krieges, den er bewusst eingeleitet hat, hat das Hitler-Abenteuer insgesamt 50 Millionen Menschenleben gekostet. Das hat der britische Historiker Paul Johnson berechnet und in seinem Buch “Modern times” veröffentlicht. Zu den Juden kommen noch weit über 10 Millionen nicht jüdische Deutsche, viele Polen, Russen u.a. hinzu.

Abgesehen davon hinterließ Hitler ein zerstörtes Deutschland, mit Trümmern überall (von denen die letzten erst 50 Jahre nach Kriegsende in Berlin aufgeräumt wurden), und vielen menschlichen Tragödien, wie die der Frauen, für die es im Nachkriegsdeutschland keine Männer gab, weil sie im Krieg umgekommen waren. Von den Männern, die in Deutschland zwischen 1915 und 1925 geboren wurden, sind kaum 20 Prozent am Leben geblieben. Als die Generäle die Front in der Sowjetunion nicht mehr halten konnten, forderten sie die Erlaubnis zum Rückzug, die Hitler verweigerte. Einer trat trotzdem den Rückzug an, und wurde dann von einem Militärgericht zum Tode verurteilt und erschossen. General von Paulus war mit etwa 250.000 Mann nach Stalingrad gelangt und wurde eingekesselt. 150.000 fielen durch Kampfhandlungen, verhungerten oder erfroren. Mehr als 100.000 gerieten in Gefangenschaft. 6000 überlebten. Auch Paulus wurde das Gesuch verweigert, sich vorher zurückzuziehen. Leider gehorchte er.

Sowjetische Soldaten am 2. Februar 1943 im zerstörten Stadtzentrum von Stalingrad
Sowjetische Soldaten am 2. Februar 1943 im zerstörten Stadtzentrum von Stalingrad. (Foto: RIA Novosti)

Benito Mussolini regierte in Italien zwei Jahrzehnte, und wäre wohl noch lange an der Macht geblieben, wenn er sich nicht mit Hitler verbündet hätte. Das hat ihm schließlich die Macht und das Leben gekostet. Es ist unbegreiflich, dass ein intelligenter Mann wie Mussolini sich mit einem Verrückten verbündet hat, den er am Anfang verachtete. Der erste Eindruck ist oft der richtige. Francisco Franco hingegen, der seinen Sieg beim spanischen Bürgerkrieg der Hilfe von Hitler verdankt, hat sich dennoch nicht mit ihm eingelassen, am Weltkrieg nicht mitgemacht, und gleich nach Kriegsschluss gute Beziehungen zu den Amerikanern aufgebaut. So konnte er bis zu seinem Tode im Jahr 1975, 30 Jahre nach Kriegsende, im Amt bleiben. Dumm war er gewiss nicht. Er traf sich nur einmal, mit Hitler, und dieser schäumte danach vor Wut und wollte ihn nicht wiedersehen. Genau das wollte Franco auch.

Die Geschichte ist nur zum Teil rational zu erklären. Unvernünftige und auch absurde Entscheidungen haben wesentlich zum Gang der Ereignisse beigetragen. Und wenn man es genau untersucht, vielleicht sogar noch mehr als rationale. Die Ernennung von Hitler zum Reichskanzler, der in keiner Weise für dieses Amt qualifizierte, der Zweite Weltkrieg, der Aufstieg und Untergang des Dritten Reichs, sind der beste Beweis für diese These.

0 visualizaciones
bottom of page