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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Der falsche Weg

Von Juan E. Alemann

Der Abschluss des Umschuldungsabkommens mit dem Internationalen Währungsfonds ist die “conditio sine que non” für die Überwindung der kritischen Wirtschaftslage. Das dürften inzwischen auch Alberto Fernández und Cristina Kirchner begriffen haben. Aber ganz haben sie es offensichtlich immer noch nicht verstanden. Wenn ihnen dies von Anfang an klar gewesen wäre, dann hätten sie das Abkommen schon vor einem Jahr und auch vorher abschließen können. Jetzt besteht ein Termin, der nicht überschritten werden kann. Im März müssen u$s 3,9 Mio. an den Fonds gezahlt werden,und im ganzen Jahr 2022 sind es u$s 19 Mrd. Das kann das Schatzamt einfach nicht zahlen. Die ZB hat kaum noch effektive Reserven, und könnte den Betrag vom März nicht aufbringen, geschweige denn den Gesamtbetrag des Jahres. Für die Sommermonate wird eine Zahlungsbilanz mit einem geringen Überschuss erwartet, weil der Export der Grobernte (vor allem Sojabohne und Mais) erst im April beginnt. Ohnehin ist ein Überschuss als solcher nur möglich, wenn die Importe weiter stark beschränkt werden, mit einer noch strengeren Devisenbewirtschaftung, als es bisher der Fall war.

Die Fondsleitung will es nicht auf eine Katastrophe ankommen lassen. Schließlich ist der IWF da, um Staaten zu helfen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden. Aber es fällt eben schwer, jemand zu helfen, der sich nicht selber helfen will. Im Direktorium des IWF besteht auch keine Einigkeit, wobei die Vereinigten Staaten in der Person der Schatzsekretärin Janet Yellin eine sehr harte Haltung einnehmen. Der Fonds selber hat jetzt Ilan Goldfajn nach Buenos Aires geschickt, der als guter aber sehr harter Fachmann bekannt ist, und die Fondsbeamten Julie Kozak und Luis Cubbedu bei den Verhandlungen mit Martín Guzmán und seinen Leuten begleiten wird. Die Persönlichkeit des Unterhändlers ist sehr wichtig. Godfajn lässt sich bestimmt nicht zum Narren halten, mit leeren Versprechen statt konkreter Entscheidungen.

Als erstes fordert der Fonds etwas fast selbstverständliches, nämlich die progressive und haltbare Verringerung des primären Defizites der Staatsfinanzen. “Haltbar” bedeutet hier, dass dies mit Maßnahmen erreicht werden muss, die ein dauerhafte Wirkung haben, und nicht mit Tricks, die nur kurzfristig wirken, wie die Verschiebung von Ausgaben.

Als zweites fordert der Fonds, dass das Defizit nur zum geringsten Teil mit Geldschöpfung finanziert wird. In der Tat besteht schon ein hoher Geldüberhang, nachdem 2020 und 2021 eine hohe Geldschöpfung stattgefunden hat, die zum Teil durch die Pandemie gerechtfertigt ist, und deshalb wenig beachtet wurde. Aber jetzt ist Argentinien an einem Punkt angelangt, wo eine weitere Zunahme der Geldmenge leicht in Hyperinflation ausarten kann. Doch diese Forderung des IWF bedeutet, dass die Regierung sich mehr über Unterbringung von Staatstiteln auf dem lokalen Markt finanzieren muss. Denn der internationale Finanzmarkt ist für Argentinien verschlossen. Es ist jedoch fragwürdig, ob die Banken noch mehr Staatstitel zeichnen können, es sei denn mit einer weiteren Verringerung der Pflichtreserven. Doch das würde zu mehr Geldschöpfung führen.

Die Lösung, die vom Fonds jedoch nicht ausdrücklich erwähnt wird, besteht in einem höheren Umfang von langfristigen Krediten der Weltbank, der BID, der Andenkörperschaft, der chinesischen Förderungsbanken und eventuell noch anderer Banken. Gustavo Beliz, der als Staatssekretär im Präsidialamt tätig ist, kümmert sich intensiv um dies. Wirtschaftsminister Guzmán hatte auch Kredite dieser Art in das gescheiterte Haushaltsprojekt für 2022 eingebaut.

Ferner soll der Fonds eine Verringerung der Differenz zwischen offiziellem und freiem Kurs (was den Schwarzkurs und den Kurs umfasst, der sich über Kauf und Verkauf von Staatstiteln in Dollar ergibt) fordern, Doch der Fonds denkt dabei nur an eine Abwertung des offiziellen Wechselkurses, womit das Problem nicht gelöst ist. Angeblich will die Regierung jetzt den Verlust des realen Wechselkurses, der 2021 eingetreten ist, aufholen. Doch das treibt die Inflation noch mehr in die Höhe.

Die Verringerung der sogenannten “Kursbresche” (“Brecha cambiaria”) erfordert, dass ein höheres Angebot auf dem freien Markt auftritt. Denn dieser Devisenmarkt ist gegenwärtig unausgeglichen, mit viel Nachfrage und geringem Angebot. Wir haben an dieser Stelle schon eine Lösung vorgeschlagen: einmal muss der freie Markt voll legalisiert werden, für alle Kapitaltransaktionen, den Tourismus und eventuell noch andere Zahlungen. Und dann muss es gezielte Weißwaschungen für Beträge geben, die von Dollar in Pesos umgewandelt werden und für bestimmte Zwecke eingesetzt werden. An erster Stelle müsste es für Arbeitskapital von Unternehmen der Fall sein, das gegenwärtig einen Engpass darstellt, der die Tätigkeit vieler Unternehmen stört. Den Sparern muss die Gelegenheit geboten werden, ihr schwarzes Dollarvermögen, das sie entweder in bar oder in Auslandskonten halten, legal für wirtschaftliche Tätigkeiten im Land einzusetzen. Ohne dies geht die Rechnung nicht auf. Doch das scheinen auch die Fondsbeamten nicht zu verstehen, wobei es ihnen die argentinischen Unterhändler auch nicht erklären.

Der Fonds besteht auf einer Erhöhung der Pesoszinsen, um die Sparer anzuziehen, die sonst ihr Geld in Dollar anlegen. Das funktioniert jedoch nicht. Höhere Zinsen werden die Inflation noch mehr antreiben, und die Sparer gewiss nicht davon abbringen, in Dollar zu sparen. Das Rennen zwischen Zinsen und Inflation gewinnt immer die Inflation. Weder der Fonds, noch die argentinische Regierung verstehen, dass in Argentinien de facto ein bimonetäres System besteht, das eine Tatsache ist, die sich nicht ändern lässt. Man muss somit das System legalisieren, und das bedeutet auch, dass es auch Dollarkredite für interne Geschäfte geben muss, was seit Anfang 2002 verboten ist. Wenn die Menschen ohne Hindernisse in Dollar sparen, und die Banken auch ohne Hindernisse in Dollar leihen, dann hat Argentinien wieder ein einigermaßen normales Finanzsystem. In Brasilien wurde das Problem vor Jahrzehnten schon mit einer Indexierung von Depositen und Krediten befriedigend gelöst. In Argentinien ziehen die Sparer jedoch den Dollar vor, weil sie bei Indexierungen misstrauisch sind. Die Indexfälschung von 2007 wird nicht so leicht vergessen.

Das Grundproblem bei einem Abkommen mit dem Fonds besteht in der Senkung der Staatsausgaben. Die Regierung will das Problem statt dessen durch Erhöhung der Einnahmen lösen, was der falsche Weg ist. Denn dabei wird der ohnehin schon unerträgliche Steuerdruck noch höher, und das wirkt wachstumshemmend. Die Steuer auf persönliche Güter wurde schließlich stark erhöht, und die Provinzen wurden angewiesen, ihre Steuern zu erhöhen, statt mehr Geld vom Bundesstaat zu erhalten. Dass die Bruttoumsatzsteuer jetzt in den meisten Provinzen erhöht werden soll, statt den unter Macri eingeschlagenen Weg der progressiven Verringerung weiter zu beschreiten, ist wirtschaftlicher Wahnsinn. Das wirkt inflationär und störend auf den wirtschaftlichen Kreislauf.

Angeblich gibt sich der Fonds zufrieden, wenn das Defizit mit höheren Einnahmen statt mit geringeren Ausgaben verringert wird. Das bedeutet zunächst, das die Tarife für öffentliche Dienste stark erhöht werden. Das ist unerlässlich, auch wenn es eine schwere Belastung für viele Haushalte darstellt. Doch darüber hinaus sind höhere Steuereinnahmen vorgesehen, und das ist ein konzeptueller Fehler, weil es wachstumshemmend wirkt. Der Fonds sollte dies weder ausdrücklich noch stillschweigend zulassen.

Es gibt gewiss Möglichkeiten, die Staatsausgaben zu verringern. Unter der Macri-Regierung wurde der Bestand der Staatsangestellten um ca. 80.000 verringert, was durch nicht-Erneuerung von vertraglich verpflichteten Angestellten (die keinen Beamtenstatus hatten) und durch nicht-Ersetzung der durch Pensionierung, Tod und Rücktritt freiwerdenden Stellen erreicht wurde. In den zwei Jahren der Fernández-Regierung wurde der Bestand um ca. 80.000 erhöht, was bei Berücksichtigung der normalen Verringerung ergibt, dass über 100.000 neue (meist unnötige) Angestellte ernannt wurden. Als erstes muss dies sofort aufhören.

Es gibt unzähligen Möglichkeiten für eine Verringerung der Staatsausgaben. Wir weisen in der Rubrik “Argentinien” auf den Fall Río Turbio hin, wo man sofort viel sparen kann. Doch außer den laufenden Ausgaben, kann und muss auch bei den Staatsinvestitionen gespart werden, die 2021 stark erhöht wurden, obwohl kein Geld dafür vorhanden war. Die einzelnen Investitionsprojekte müssen durchgekämmt, korrigiert und finanziell verringert werden, und die nicht oder kaum begonnenen müssen auf eine Warteliste gesetzt werden.

Mit dem falschen Weg, den die Regierung bei der Verhandlung mit dem IWF eingeschlagen hat, zu denen noch falsche Grundkonzepte des Fonds kommen, kann eventuell eine Defizitverringerung erreicht werden. Eventuell geschieht dies auch, wie schon gehabt, durch eine Verringerung des Reallohnes der Staatsangestellten und der realen Pensionen und Renten. Doch auch dass fällt in die Kategorie der nicht haltbaren Maßnahmen. Doch wenn das Defizit mit einer höheren Steuerbelastung erreicht wird, dann gibt es kaum Wachstum, und das bedeutet, dass der Bevölkerung ein Opfer auferlegt wird, das man gewiss vermeiden könnte.


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