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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Der Default wurde in letzter Minute vermieden

Von Juan E. Alemann

Am Donnerstag der Vorwoche traf Präsident Alberto Fernández schließlich die Entscheidung, ein Umschuldungsabkommen mit dem Internationalen Währungsfonds abzuschließen und die unmittelbar fälligen Amortisationszahlunen von u$s 1,1 Mrd. (davon u$s 731 Mio. am Freitag der Vorwoche) zu zahlen. Die Finanzwelt hat aufgeatmet, und die Wirtschaft zeigte sofort Zeichen der Entspannung. Bei dieser Einigung mit dem IWF zeigte dieser Verständnis für die finanzielle und politische Lage Argentiniens, mehr als erwartet wurde, und verschob die harten Entscheidung, auf die es schließlich ankommt, für später. Doch der Fonds gibt seine grundsätzliche Haltung nicht auf: Argentinien muss seine Staatsfinanzen in Ordnung bringen, ein dauerhaftes Gleichgewicht der Zahlungsbilanz erreichen und die Inflation zumindest auf ein zivilisiertes Ausmaß (unter 10% pro Jahr) senken.

Die Verzögerung hat der argentinischen Wirtschaft einen enormen Schaden zugefügt, weil inzwischen viele Geschäfte stillstanden, in Erwartung des Abkommens, wobei auch die Aussicht auf einen eventuelle Default paralisierend wirkte. Halten wir fest, dass das Abkommen schon vor zwei Jahren hätte abgeschlossen werden können, vor der Umschuldung mit den Investmentfonds. Das Bruttoinlandsprodukt könnte heute um gut 10% höher sein, wenn das Problem mit dem IWF vor zwei Jahren gelöst worden wäre, wobei die Sanierung, die der Fonds fordert, zum Wachstum beigetragen hätte.

Dass der Präsident die Entscheidung so lange hinausgeschoben hat, beruht grundsätzlich auf der Haltung von Cristina Kirchner. Wenn man ihre jüngste Rede in Honduras wörtlich nimmt, in der sie den Fonds mitverantwortlich für den internationalen Drogenhandel u.a. Übel machte, so wollte sie einen Bruch, also einen Default. Das ist die These des extrem linken Flügels des Kirchnerismus, der sich dabei vorstellt, dass Argentinien ohne Zahlungen von Amortisationen und Zinsen auf die Staatsschuld besser auskommt. Nach dem Default von 2001 hat Argentinien dreieinhalb Jahre nichts gezahlt, und das hat zur Überwindung der Krise beigetragen, allerdings auch private Investitionen verhindert und allerlei Schwierigkeiten geschaffen. Cristina hat sich dieser These unterschwellig auch angeschlossen, auch wenn sie gelegentlich zu verstehen gab, dass sie für ein Umschuldungsabkommen einträte. Dem hat sich jedoch im gleichen Atemzug widersprochen, indem sie das Abkommen an Bedingungen knüpfte, die der Fonds nicht annehmen konnte.

Die Haltung von Cristina wird auch dahingehend interpretiert, dass sie sich bewusst ist, dass es heller Wahnsinn ist, es auf einen Default mit dem Fonds ankommen zu lassen, aber die Verantwortung für die Härten eines Abkommens (der verpönte “ajuste”, also die Wirkung der Sparmaßnahmen), auf den Präsidenten abschieben will, um ihr politisches Kapital zu erhalten. Der Rücktritt ihres Sohnes Máximo als Vorsitzender der Regierungsfraktion in der Deputiertenkammer, die er mit seiner Ablehnung des IWF-Abkommens begründete, spricht für diese These, obwohl er sagte, seine Mutter sei damit nicht einverstanden. Das nimmt ihm niemand ab.

Die passive und zweideutige Haltung von Cristina hat Alberto Fernández erlaubt, sich als Präsident zu behaupten. Denn er übernimmt die volle Verantwortung für die Entscheidung, sich mit dem Fonds zu einigen. Zum ersten Mal hat er seine Rolle als Präsident unmissverständlich aufgenommen. Das muss er jetzt durchhalten, was voraussetzt, dass er Cristina bei Seite lässt und weitere Entscheidung trifft, die ihr gegen den Strich gehen. Er muss sich jedoch bewusst sein, dass sie weiter störend wirken wird. Denn im Grunde betrachtet sie sich als Präsidentin und hat eine ganz andere Vorstellung der Wirtschaft als Fonds.

Das jetzt mit dem IWF abgeschlossene Abkommen ist keines auf zehn Jahre, das der Fonds in die Kategorie der “extended facilities” einstuft, sondern nur ein provisorisches Abkommen auf zweieinhalb Jahre, in denen weiter verhandelt wird, um zum endgültigen Abkommen zu gelangen. Der Fonds war dabei sehr großzügig. Auf der einen Seite zahlt Argentinien seine Schulden termingemäß, angefangen mit den u$s 1,1 Mrd. die unmittelbar verfallen (davon u$s 731 Mio. am vergangenen Freitag). und auf der anderen Seite erstattet der Fonds Argentinien schon gezahlte Amortisationen der Schuld für angeblich u$s 4,5 Mrd. zurück, und schiebt die unbezahlbar hohen Zahlungen dieses Jahres, die im März beginnen, hinaus. Der Fonds hat eine Pause von 2 Jahren und sechs Monaten eingeschaltet. Dabei ist eine Karenzfrist von 4,5 Jahren und eine Frist von 10 Jahren für die Zahlung der gesamten Schuld vorgesehen. Der Fonds war wirklich großzügig: er hat Argentinien eine weitere Gelegenheit gegeben (die letzte?) um im System zu bleiben.

Das bedeutet jedoch nicht, dass der IWF auf das unvermeidliche Sanierungsprogramm verzichtet. Die harte Verhandlung über die konkreten Maßnahmen kommt noch. Sie beginnt mit dem Stromtarif, den die Regierung nicht entfernt so viel erhöhen will, wie es notwendig ist und der IWF fordert. Hinzu kommt noch der Gastarif, und danach alle öffentlichen Dienste, also auch Wasser und Personentransport.

Dabei besteht auch die Gefahr, dass das jetzt abgeschlossene Abkommen vorzeitig abgebrochen wird, wenn die argentinische Regierung stark von den jetzt gesetzten Zielen abweicht und keine konkreten Sparmaßnahmen ergreift. Man sollte nicht vergessen, dass der Fonds im Oktober 2001 eine vorgesehene Zahlung nicht vollzogen hat, weil die Regierung die Auflagen des Abkommens nicht erfüllt hatte. Damals hatte Wirtschaftsminister Cavallo die Pensionskassenbeiträge der Unternehmer aufgehoben, um die Konjunktur anzutreiben. Doch genau das erhöhte dann das Defizit, was nicht sein durfte. Das war der Auslöser der Megakrise von Ende 2001.

Das Abkommen der Vorwoche sieht vor, dass im Jahr 2022 das primäre Defizit 2,5% des BIP nicht überschreiten darf. 2023 sollen es dann 1,9% sein, 2024 0,9% und 2025 Null. Gleichzeitig soll die Finanzierung des Defizites der Staatsfinanzen durch die Zentralbank, die dabei reine Geldschöpfung betreibt, im Jahr 2022 auf 1% des BIP beschränkt werden, dann 2023 auf 0,6% und 2023 ganz aufhören. Die Einhaltung dieser Ziele ist nicht einfach. Dieses Jahr werden die Steuereinnahmen von vornherein real geringer als 2021 sein, weil der Export von Getreide und Ölsaat stark zurückgeht, und somit weniger an Exportzöllen eingenommen wird. Außerdem fällt der Erlös der “einmaligen” Steuer auf hohe Vermögen aus. Wenn man vom primären Defizit von 3,5% des BIP von 2021 ausgeht und diese Sondereinnahmen abzieht, gelangt man für 2022 auf ein Defizit von 5% des BIP. Um das Defizit unmittelbar um 2,5 Prozentpunkte zu verringern, muss sehr viel geschehen, sowohl bei Staatseinnahme, wie bei Staatsausgaben.

Bei den Ausgaben sind zunächst keine konkreten Sparmaßnahmen in Sicht. Die Verringerung der Subventionen für öffentliche Dienste löst das Problem nur zum Teil, und auch nur effektiv, wenn die Subventionen auf ein Minimum begrenzt werden. Doch dagegen sträubt sich Cristina. Das Ziel des Abkommens könnte somit nur durch eine hohe Inflation erreicht werden, die den Reallohn der Staatsangestellten und die realen Pensionen und Hinterbliebenenrenten weiter senkt. Doch das ist sehr konfliktiv, zumal der Präsident mehrmals beteuert hat, er wolle den realen Stand von Gehältern und Pensionen wieder herstellen. Abgesehen davon sollte die Inflationsrate laut Abkommen sinken.

Die Frage, die sich jetzt stellt, ist die, wie weit dieses Abkommen ausreicht, um die zahlreichen versprochenen Kredite für Finanzierung von Infrastrukturprojekten in Gang zu setzen. Das Fondsabkommen erwähnt beiläufig auch die Bedeutung von finanziellen Beiträgen der internationalen Kreditinstitute und Banken im allgemeinen. In der Tat geht die Rechnung ohne diese Kredite rein zahlungsbilanzmäßig nicht auf. Der weitaus größte Betrag der schon bekanntgegebenen Kredite entfällt auf China. Die chinesische Regierung hat ein strategisches Interesse, ihre Wirtschaftsbeziehungen weltweit auszubauen, was auch Argentinien einschließt. Nachdem sich hier EU-Staaten u.a zurückgezogen haben, bietet sich eine gute Chance für Investitionen und Kredite.

Präsident Alberto Fernández reist demnächst nach Peking, um mit Präsident Xi Jinping über dies zu sprechen. Reicht das mit dem IWF abgeschlossene provisorische Abkommen aus, um die Kredite in Gang zu setzen? Das Gespräch in Peking hat entscheidende Bedeutung. Es würde genügen, dass ein oder zwei Projekte sofort in Gang gesetzt werden, um die Stimmung in der Wirtschaftswelt zu verbessern und weitere private Entscheidungen in dieser Richtung herbeizuführen.

Das Abkommen bezieht sich auch auf die Zahlungsbilanz und den Devisenmarkt, gibt aber keine befriedigende Antwort auf die kritische Lage. Der IWF bestätigt die Politik der Regierung, den Kurs weiter zu verwalten, mit geringen wöchentlichen Abwertungen, aber ohne einen Sprung. Über den freien und schwarzen Kurs hat sich der Fonds angeblich nicht ausgesprochen, oder es wurde vorerst nicht bekanntgegeben, was er empfiehlt. Dass die gegenwärtige Lage, mit einem freien Kurs der um die 100% über dem offiziellen liegt, unhaltbar ist, wissen die Fondsbeamten bestimmt. Ob sie eine Vorstellung haben, wie man auf einen normalen Zustand übergeht, mit einer geringen Differenz zwischen freiem und offiziellen Kurs, ist nicht so sicher. Denn das setzt voraus, dass sie den argentinischen Bimonetarismus, mit dem Dollar als Zweitwährung, verstehen, was bisher nicht der Fall war.

Schließlich besteht noch ein weiter konfliktiver Aspekt des Abkommens. Der Fonds vertritt die These der positiven Pesozinsen. Das stellt an erster Stelle ein Problem mit den Leliq, die die ZB schon in Höhe von ca. $ 1,5 Bio. ausgegeben hat, was 140% der monetären Basis darstellt. Bei höheren Zinsen kommt es zu einer unhaltbaren Lage, weil die ZB dann mehr Geld schöpfen muss, um die Zinsen zu zahlen. Die Inflation ist erfahrungsgemäß beim Rennen mit den Zinsen der Gewinner, und nur bei den Wucherzinsen, die im nicht kontrollierten Finanzsystem gelten, gewinnen die Zinsen. Die vernünftige Lösung besteht in der Umwandlung der Leliq in Papiere mit indexierten Zinsen. Doch das geht dem Fonds gegen den Strich.

Das Abkommen, so wie es bekanntgegeben wurde, lässt viele wichtige Fragen offen. Es fällt auf, dass der Fonds auf die Zahl des primären Defizites eingeht, wie es die Regierung berechnet, und ohne das Defizit der ZB zu berücksichtigen. Man kann vorwegnehmen, dass bei der Diskussion, die jetzt weitergeht und sich auch auf die alle drei Monate stattfindenden Kontrollen des IWF überträgt, viele Themen an die Oberfläche kommen, die beim Abkommen der Vorwoche nicht erwähnt wurden.



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