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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Der Aufstand der Landwirte und die allgemeine Zustimmung

Von Juan E. Alemann

Gruppen von Landwirten verschiedener Orte der sogenannten “feuchten Pampa” kamen auf den Gedanken, mit ihren Traktoren auf die Plaza de Mayo zu gehen, um den Protest gegen die Regierungspolitik zum Ausdruck zu bringen. Die Initiative stammte nicht von den großen landwirtschaftlichen Verbänden, Sociedad Rural Argentina, Federacion Agraria u.a., sondern von einzelnen kleinen Landwirten, und wurde auch von den Verbänden weder unterstützt noch begleitet. Am vergangenen Samstag gelangten sie schließlich zu ihrem Ziel. Es waren nicht viele Traktoren. So wie dieser Protest gedacht war, wäre es nur eine pittoreske Anekdote gewesen.

Doch dann geschah das Unerwartete. Der Aufmarsch mit Traktoren wirkte als Zündstoff für Massenkundgebungen, bei denen sich vornehmlich Personen beteiligten, die kaum oder überhaupt nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben. Am Samstagnachmittag füllte sich die Plaza de Mayo und auch in anderen Gegenden der Stadt, und in Städten des Landesinneren gab es auch Massenkundgebungen. Aus einem Protest der Landwirte wurde ein allgemeiner Protest weiter Kreise der Bevölkerung gegen die Regierung, der spontan auftrat und im Wesen die miese Stimmung und eine harte Kritik an der Regierung zum Ausdruck bringt.


Die hohe Steuerlast der Landwirtschaft

Der Protest der Landwirte bezog sich nicht auf eine eventuelle Zunahme der Exportzölle. Die Regierungssprecherin Gabriela Cerruti wies darauf hin, dass diese Initiative fallen gelassen wurde, und dass die vorgesehene Steuer auf “unerwartete” Gewinne nur Großunternehmen erfasse, aber keine Landwirte. Doch die Leiter der Kundgebung wiesen darauf hin, dass es um viel mehr gehe, nämlich den überhöhten Steuerdruck, den die Landwirtschaft erleide, der Investitionen und Initiativen zur Produktionserhöhung hemme.

In der Tat ist es zunächst so, dass schon Exportzölle bestehen, für die meisten Arten von Getreide und Ölsaat von 12%, aber bei Sojabohne von 33%. Sojabohne verkauft sich gut auf der Welt, jetzt zu einem Rekordpreis von über u$s 600 pro Tonne (Börse von Chicago), etwa doppelt so viel wie vor einigen Jahren, und kann in Argentinien in viel höheren Mengen erzeugt werden, vor allem durch Ausdehnung des Anbaus auf trockenere Gegenden, wo die Erträge geringer und Dürren häufiger sind. Bei gleicher Behandlung würde Sojabohne auch Mais teilweise verdrängen, was günstiger für das Land ist, weil Soja pro Hektar mehr Dollar als Mais einbringt.

Aber außerdem ist der Wechselkurs weit hinter der internen Inflation zurückgeblieben, und der freie Kurs, schwarz und über Staatspapiere in Dollar, liegt mit über $ 200, über 70% über dem offizielle Kurs, zu dem der Export verrechnet wird. Bezogen auf den freien Kurs erhält ein Sojaproduzent somit nur um die 40% des Preises. Kein Wunder, dass Soja nach Paraguay und Brasilien geschmuggelt wird, von wo aus die Ware dann zum vollen Preis exportiert wird. Die Differenz ist so groß, dass auch Zollbeamten und Gendarmen, die dies kontrollieren müssten, ein Schmiergeld erhalten, bei dem sie nicht nein sagen können.

Zum Exportzoll kommen andere Steuern hinzu, als erste die Gewinnsteuer, dann die Vermögenssteuer, benannt “Steuer auf persönliche Güter” (die es in kaum einem anderen Land gibt), dann die provinziellen Steuern, besonders die Steuer auf den Bruttoumsatz und die Immobiliensteuer, und dann noch die Gemeindesteuern, die als Gebühren vorgestellt werden, obwohl es keine entsprechende Gegenleistung gibt. Alles zusammen ergibt eine erdrückende Steuerlast und auch viel bürokratische Arbeit. Man sollte sich somit nicht wundern, wenn viele Landwirte Steuern hinterziehen, um auf diese Weise überleben zu können.

Die Landwirte fordern jetzt eine Verringerung der globalen Steuerlast, und bei den Äußerungen der Leiter des Traktorenaufmarsches wurde klipp und klar darauf hingewiesen, dass die Staatsausgaben gesenkt werden müssen. Hier stellt sich der wesentliche Gegensatz zur Regierung auf: für diese soll das Gleichgewicht der Staatsfinanzen zum größeren Teil durch zusätzliche Staatseinnahmen erreicht werden, während die Vertreter der Privatwirtschaft (und nicht nur der Landwirte) den Akzent auf die Ausgabensenkung setzen, die nicht nur das primäre Staatsdefizit deckt, sondern darüber hinaus auch Steuersenkungen möglich macht. Die Erhöhung des Stromtarifs, um den hohen Subventionsbetrag zu senken, betrifft die Landwirte nicht, weil der Strompreis im Landesinneren ohnehin schon viel höher ist und nicht vom Bundesstaat subventioniert wird. Das wäre somit ein erster Schritt im Sinne der Forderungen der Landwirte.

Eine Gruppe von Landwirten hat die Gelegenheit genutzt, um ein Projekt über Abschaffung der Exportzölle vorzubringen. In der Tat bestehen diese Steuern nicht in den Ländern, die mit Argentinien beim Export von Getreide und Ölsaat konkurrieren, weder in Brasilien, noch in den USA, Kanada und Australien gibt es diese Exportzölle. Die Landwirte weisen auch darauf hin, dass Düngemittel, die für die Erreichung hoher Erträge unerlässlich sind, viel teurer und auch knapp geworden sind, was die höheren Preise zum Teil ausgleicht. Und schließlich beklagen sie sich über den akuten Mangel an Dieselöl, der sie zwingt, die Saatarbeiten zu unterbrechen, und dabei im Endeffekt auch höhere Kosten schafft.

Die Hinterziehungsproblematik bei der Landwirtschaft

Die Beamten, die für die Staatseinnahmen verantwortlich sind, sind wenig geneigt, auf die Einnahmen aus Exportzöllen zu verzichten, weil diese automatisch kassiert werden, und es prinzipiell keine Hinterziehung gibt. Sie zweifeln daran, dass der Ausfall dieser sicheren Einnahmen durch die Gewinnsteuer ausgeglichen wird. Denn einmal erfasst dieser Steuer nur 35% des Betrages der Exportzolles, und dann soll es viel Hinterziehung geben. Doch gerade beim Anbau von Getreide und Ölsaaten sollte die Steuerkontrolle einfach sein, einmal weil die bebauten Flächen nicht verheimlicht werden können, und heute sogar mit Drohnen gefilmt werden können, und dann weil der Verkauf über die Lastwagen kontrolliert werden kann.

Bei der Rinderwirtschaft fällt es den Landwirten viel leichter, Steuern zu hinterziehen. Der Rinderbestand und die Geburtenrate kennen nur die einzelnen Landwirte, und diese ist sehr schwer zu kontrollieren. Sie können Rinder schwarz an die Schlachthöfe verkaufen, die weitgehend schwarz arbeiten, die dann das Fleisch schwarz an die Grossisten (“Matarifes”) liefern, die ihrerseits schwarz an die Metzger liefern, die es ebenfalls schwarz verkaufen. Eine private Kontrolle dieses Kreislaufs, die sehr wirksam gewesen wäre, die in den 90er Jahren bereitstand, kam auf Druck der Landwirte, der Schlachthöfe und der Grossisten nie zustande. Vor einigen Jahren hat die AFIP angekündigt, sie werde ein System dieser Art einführen, hat dies aber kaum vorangebracht. Der Staat ist eben schlampig und bestechlich, wobei hier viel Geld fließt. Man müsste zur Initiative der privaten Kontrolle zurückkehren. Doch das kommt für die gegenwärtige Regierung nicht in Frage, weil sie prinzipiell gegen private Mitwirkung eingestellt ist. Die Landwirtschaft steuerlich nicht benachteiligt und in ihrer Entwicklung gehemmt werden, aber Steuern bezahlen.


Der strukturelle Wandel der Landwirtschaft

Bei den vielen Menschen, die am Samstag auf die Straße gingen, kam allgemeine, bei Gesprächen mit Journalisten, eine Unterstützung der Landwirtschaft zum Ausdruck. Immer wieder wurde auf den hohen Anteil hingewiesen, den landwirtschaftliche Produkte am Export haben, wobei eine Exportzunahme als wesentlicher Teil der Überwindung der kritischen gegenwärtigen Lage angesehen wurde. Es wurde anerkannt, dass die meisten Landwirte hart arbeiten, und es weder gerecht sei, noch Sinn habe, sie mit einer so hohen Steuerlast zu belasten. Land und Stadt sind hier als Einheit aufgetreten, und das hat eine besondere politische Bedeutung.

In früheren Zeiten bestand ein Gegensatz zwischen den Interessen der Landwirtschaft und denen der städtischen Bevölkerung. Perón hat, vor allem in seinen ersten Jahren ab 1946 (und schon vorher, ab 1943) das Einkommen der Landwirte stark gedrückt, durch einen künstlich niedrigen Wechselkurs für diesen Bereich, und durch einen staatlich regulierten Export, der über das IAPI-Institut verwaltet wurde. Das war Teil einer globalen Einkommensumverteilung zu Gunsten der Industriearbeiter. Perón sprach von Oligarchen, und meinte damit die Großgrundbesitzer. In der Tat war der Landbesitz damals noch relativ konzentriert, mit Personen oder Familien, die Landgüter von über 10.000 und auch über 50.000 ha in der feuchten Pampa hatten.

Das hat sich grundlegend geändert. Der Landbesitz ist durch Erbschaft und Verkauf stark aufgeteilt worden, und der Großgrundbesitz, der noch verbleibt, gehört Aktiengesellschaften mit sehr vielen Aktionären. Dabei sind auch völlig neue Namen unter den Großgrundbesitzern aufgetaucht, wie Grobocopatel und Elzstein, und die Namen der früheren Großgrundbesitzer (Anchorena, Santamarina, Ocampo, Ortiz Basualdo u.s.w.) treten nur am Rande auf. Die Zahl der Landbesitzer, direkt oder über Beteiligung an Gesellschaften, ist exponentiell gestiegen, und auch wird in Argentinien kontinuierlich Land verkauft, wie in keinem anderen Land.

Die Landwirtschaft hat sich auch in ihrer Produktionsform verändert, mit Unternehmen, die mit eigenen Maschinen Dienste für Saat und Ernte bieten, und es somit auch Kleinbetrieben möglich machen, mit Großbetrieben zu konkurrieren. Früher konnten eben nur die großen Landunternehmen Maschinen kaufen, und es gab den Dienst unabhängiger Unternehmen nicht, der heute die Szene beherrscht. Nebenbei bemerkt: der gegenwärtige Präsident des landwirtschaftlichen Verbandes “Sociedad Rural Argentina”, der einst von Großgrundbesitzern kontrolliert wurde, Nicolás del Pino, besitzt selber kein Land, und macht es wie viele, die Land pachten, dann die Saat- und Erntearbeiten mit spezialisierten Unternehmen verpflichten, und sich dann um den Verkauf der Ernten kümmern. Ebenfalls besteht kein Problem, um Rinderzucht auf gepachtetem Boden zu betreiben, umso mehr als jetzt die Mästung weitgehend in Feed-lots stattfindet, die von unabhängigen Unternehmen betrieben werden. Landwirt zu sein bedeutet heute Unternehmer und nicht Rentner zu sein. Argentinien hat eine neue Generation von landwirtschaftlichen Unternehmern hervorgebracht, mit einem Anteil an Akademikern, der höher als in den Vereinigten Staaten ist.

Dieser tiefe Wandel hat auch dazu geführt, dass es nicht nur mehr Landwirte gibt, sondern auch viel mehr Menschen an der landwirtschaftlichen Tätigkeit beteiligt sind. Die Unternehmer, die mit ihren Maschinen für die Landwirte tätig sind, sind besonders an Fortschritt der Landwirtschaft interessiert. Ebenso sind es die Fachleute, die die Landwirte über Düngemittel, sowie Insekten- und Unkrautvertilgungsmittel u.a. Dinge beraten, auch die, die Bodenanalysen durchführen, die Betreiber von Werkstätten, die die Maschinen instand halten, und auch die Fabrikanten und Verkäufer von Traktoren, Landmaschinen, Automobilen, Pick-ups und Lastwagen. Die Zahl der Menschen, die direkt und indirekt mit der Landwirtschaft verbunden ist, ist so groß geworden, dass diejenigen, die noch für den Gegensatz zwischen Landwirtschaft und Industrie einstehen, wie es bei Kirchneristen der Fall ist, zur Minderheit geworden sind. Wobei auch Kirchneristen zu Landbesitzern aufgestiegen sind, angefangen mit dem Kirchner-Strohmann Lázaro Báez, dessen Landbesitz in Santa Cruz landesweit die größte Landfläche in Händen einer Person, einer Familie oder eines Unternehmens darstellt. Amigokapitalismus gib es auch in der Landwirtschaft.

Allein, bei der großen Zahl von Menschen, die am Samstag auf die Straße gingen, kam auch die allgemein miese Stimmung zum Ausdruck, und der Eindruck, dass diese Regierung keine Lösung bietet und vom inneren Streit der Gruppe, die sie politisch bildet, zerrissen wird. In Schildern, die einzelne Menschen hoch hielten, wurde auch Cristina direkt beschimpft und ihre Verurteilung gefordert. Der Kampf von Cristina, um die Justiz zu beherrschen oder zumindest stark zu beeinflussen, wurde auch erwähnt. Die Zahl der Personen, die Cristina weg von der politischen Szene haben wollen und sie verantwortlich für ihre Misere machen, hat stark zugenommen.


Die politische Wirkung

Logischerweise haben Oppositionspolitiker die Gelegenheit genutzt, um sich auf der Straße zu zeigen und dabei zum Ausdruck zu bringen, dass sie für die Forderungen der Landwirte einstehen. Vom Pro waren Patricia Bullich, Diego Santilli, María Eugenia Vidal u.a. anwesend. Von den Radikalen sah man keinen der Prominenten. Haben sie die Bedeutung des Ereignisses nicht begriffen? Oder waren sie von den Menschenmasse überrascht, die auf die Straße ging? Von der Coalición Civica hat man auch niemand gesehen. Das Ganze war eben nicht nur spontan, sondern unerwartet. Umso mehr zeigt dies, dass sich grundsätzlich etwas in der Gesellschaft geändert hat.

Die Politik hat sich weitgehend auf die Straße verlegt. Der Mittelstand hat jetzt begriffen, dass er somit die Straße nicht den sogenannten “Piqueteros” überlassen kann, die Leute aus Armenvierteln ins Stadtzentrum bringen, um Druck auf die Regierung auszuüben. Doch dabei besteht eine straffe Organisation, mit bezahlten Omnibussen, Drohung des Verlustes von sozialen Subventionen und eventuellen Geldgeschenken, während am Samstag die Beteiligten spontan kamen, mit eigenen Autos oder öffentlichem Transport. Das hat politisch ein anderes Gewicht als die Veranstaltungen von linken Gruppen, bei denen auch der harte Kern des Kirchnerismus mitmacht.


Die gesamtwirtschaftliche Problematik

Zurück zur Landwirtschaft. Wenn die Regierung den Forderungen der Landwirte nachgibt, also Exportzölle abschafft oder zumindest auf ein vernünftiges Niveau für alle Produkte senkt, so dass sie in keinem Fall über10%, oder höchstens 15% liegen, und die Steuerlast auch sonst senkt, dann steht sie vor einem Problem. Zunächst muss sie sich dann an die Arbeit heranmachen, die Staatsausgaben effektiv zu senken. Der erste Teil der Arbeit kommt unmittelbar auf die Regierung zu: die Erhöhung der Tarife für Strom und Gas. Doch was vorgesehen ist, gleicht kaum den Inflationsverlust aus, der als Differenz zwischen der Inflation, die unter dieser Regierung stattgefunden hat, und den bisherigen Tariferhöhungen auftritt. Die Erhöhung müsste allgemein viel höher sein als vorgesehen ist. Darüber hinaus müsste sich die Regierung ernsthaft mit den Staatsausgaben befassen, die vielen überflüssigen oder nicht notwendigen Ausgaben aufdecken, und Kürzungen einführen. Doch gerade das scheut Guzmán. Und sein Schatzsekretär ist offensichtlich auch nicht aktiv auf diesem Gebiet. Und schließlich muss sich die AFIP darum kümmern, die Hinterziehung wirksam zu bekämpfen, was bedeutet, dass gelernt werden muss, außerhalb des Zoos zu jagen, was den Steuerbeamten fremd ist.

Doch abgesehen von all diesem, entsteht bei einer Politik zu Gunsten der Landwirtschaft ein makroökonomisches Problem. Es findet dabei zunächst eine globale Einkommensumverteilung statt, bei der die Landwirte mehr und am anderen Ende die Arbeiter, die Industrieunternehmer u.a. weniger erhalten. Diese Entwicklung ist mit der These der Aufholung des verlorenen Reallohnes und seiner Erhaltung auf einem bestimmten Niveau, nicht vereinbar. Erst in einer zweite Phase, wenn das Bruttoinlandsprodukt stark zunimmt und die Staatsquote am BIP stark sinkt, kann die Gleichung aufgehen. Die Problematik, auf die wir hier hinweisen, die in Wirklichkeit noch komplexer, ist, wird von der Regierung unter den Teppich gefegt, Doch gerade das sollte nicht geschehen. Die Stunde der Wahrheit ist gekommen, und auch die Regierung muss die Konsequenzen daraus ziehen.


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