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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Der Angriff auf die Landwirtschaft

Von Juan E. Alemann

In den letzten Wochen setzte ein systematischer Angriff auf Landwirte und Landwirtschaft ein. In vielen Fällen (es wurden schon 71 gezählt) wurden die großen Kunststoffschläuche (genannt “silobolsas”), in denen Getreide und Ölsaat gelagert wird, aufgeschnitten, so dass die Sojabohne oder was es sei, sich auf dem Boden verstreute und vom Landwirt dann wieder mühsam gesammelt werden musste, wobei auch viel davon einfach verloren geht, vor allem wenn es geregnet hat. Einen Vorteil hat dabei niemand, und einen Schaden erleidet nicht nur der Landwirt, sondern die argentinische Wirtschaft, weil dann weniger exportiert wird. Es geht einfach darum, Schaden zu verursachen. Hinzu kommt noch der Mord von drei Landwirten, zwei davon, als sie diejenigen verscheuchen wollten, die ihre Kunststoffschläuche aufschnitten. Und dann wurde auch Getreide und Ölsaat, sowie auch Rinder, gestohlen. Erst als all dies eine bestimmte Dimension annahm, hat die Regierung eingegriffen, mit mehr Polizeischutz und (schwacher) offizieller Verurteilung dieser Verbrechen.

Diese Angriffe erfolgten nicht per Zufall. Vorher waren die Landwirte von Regierungssprechern und Politikern der Regierungspartei beschuldigt worden, ihre Ware einzubehalten, um das Angebot absichtlich zu verringern und eine Abwertung zu erzwingen. Das ist grober Unfug. Die Landwirte verkaufen in der Regel nach der Ernte zunächst mehr und dann nach und nach den Rest. Sie könnten gar nicht alles sofort verkaufen, weil dies die Kapazität der Lastwagen, der der Häfen und der Verschiffungsmöglichkeiten bei weitem übersteigt. Auch würde ein plötzliches hohes Angebot auf die Preise drücken, auch die internationalen, und dem Land schaden. Auf alle Fälle muss die Ware vor der kommenden Ernte verkauft werden, einmal, weil der Landwirt das Geld für die Finanzierung der nächste Aussaat braucht, und dann, weil die gefüllten Plastikschläuche auf dem Land stören. Mit dem geordneten Verkauf seiner Ernte erhält der Landwirt auch die Mittel, um seine Ausgaben zu decken, und zwar stets zu einem Preis, der auf den internationalen Dollarpreis bezogen wird, was ihn vor der Inflation schützt. Das erlaubt ihm auch in Inflationszeiten die nächste Aussaat und Ernte zu finanzieren.

In früheren Zeiten wurde Getreide und Ölsaat in Jutesäcken gelagert. Danach wurde auf direkte Lagerung in großen Silos übergegangen, die die Landwirte errichteten, und auch die Käufer der Ware (“acopiadores”). Und schließlich kamen vor nicht langer Zeit die Kunststoffschläuche hinzu, ohne die es heute, bei Ernten von fast 150 Mio. Tonnen (drei Mal so viel wie in den 90er-Jahren und zehn Mal so viel wie in den 50er-Jahren!) keine Lagerungsmöglichkeit geben würde. Die Lagerung in diesen Schläuchen, die direkt von der Erntemaschine aus gefüllt werden, ist viel wirtschaftlicher als in einem Silo, weil die Transportkosten vom Ernteort bis zum Lager entfallen. Auch in der Landwirtschaft müssen Kosten gespart werden, damit die Rechnung aufgeht.

Der Kirchnerismus hat den Konflikt mit den Landwirten vom Jahr 2008 nicht vergessen. Damals wurde ein beweglicher Exportzoll auf Sojabohne angekündigt, der im Verhältnis zum internationalen Preis gesetzt wurde. Der Preis war damals von unter u$s 300 auf über u$ 500 pro Dollar gestiegen, und der Exportzoll hätte dabei sogar über 40% erreicht, was rein objektiv grober Unfug ist. Denn wenn der Weltmarktpreis so hoch ist, muss man die Produktion anspornen, um mehr Devisen für das Land zu erhalten. Die These, dass ein zu großer Übergang auf Sojabohne schädlich sei, ist absurd. Für die argentinische Wirtschaft ist es stets das Beste, dass die Landwirte das säen und ernten, was den höchsten Devisenbetrag pro Hektar ergibt, und in diesem Sinn müssten die Exportzölle, sofern sie bestehen, für alle Kulturen gleich und niedrig sein. Der Konflikt mit den Landwirten führte für die Regierung von Cristina Kirchner auch zu einer politischen Schlappe, weil sie die Abstimmung über den Sojabeschluss im Parlament verlor, mit der Stimme des Vizepräsidenten und Senatsvorsitzenden Julio Cobos, den Cristina daraufhin ignorierte und nicht einmal grüßte. Doch schlimmer als dies war der Verlust von Stimmen, die aus dem landwirtschaftlichen Bereich im weiteren Sinn stammten. Das hat mit zur Wahlschlappe von 2015 beigetragen und Macri zum Präsidenten gemacht.

Abgesehen von diesem Konflikt hat der Peronismus eine landwirtschaftsfeindliche Geschichte. In der unmittelbaren Nachkriegszeit drückte Perón als Präsident den Preis für Getreide, Ölsaat und Rindfleisch künstlich (mit einer strengen Devisenbewirtschaftung, bei unterschiedlichen Wechselkursen und einem niedrigen für Exporte von Getreide, Ölsaaten und Rindfleisch), um auf diese Weise die Nahrungsmittel für die Arbeiter zu senken, die ihn mit ihren Stimmen zum Präsidenten gemacht hatten. Es fand eine Einkommensumverteilung vom Land auf die Stadt statt. Das führte damals zu niedrigen Ernten, in einer Zeit, in der eine hohe internationale Nachfrage bestand, mit hohen Preisen. Diese argentinische Politik hat dann zum übertriebenen Schutz der Landwirtschaft in Europa beigetragen, der sich u.a. auf das Argument der Unzuverlässigkeit der Lieferanten (wie Argentinien) und der Notwendigkeit stützte, eine sichere Ernährungsgrundlage zu schaffen. Das hat Argentinien viel geschadet, und wurde erst durch das Aufkommen von China u.a. Ländern der Gegend als große Kunden überwunden.

Perón machte in seinen ersten Regierung aus dem Konflikt mit der Landwirtschaft auch einen mit den Reichen, was politisch gut ankam. Damals gab es noch echte Großgrundbesitzer, die er Oligarchen benannte. Inzwischen hat sich der Landbesitz durch Erbschaft und Verkauf stark aufgeteilt, und die Landwirtschaftsbetriebe mit großen Flächen haben viele Besitzer. Die Großgrundbesitzer von heute sind andere als in den 40er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Sie heissen Elsztain, Grobocopatel, usw., und nicht mehr Anchorena, Santamarina usw. Bein Konflikt mit der Landwirtschaft, der 2008 aufkam, traten kleine und mittlere Landwirte in großen Mengen auf. Der historische Feind des Peronismus war nicht mehr da. Und auch jetzt, beim Konflikt wegen der Absicht, die Firma Vicentin zu intervenieren und zu enteignen, kam der Protest von vielen kleinen und mittleren Landwirten, die politisches Gewicht haben.

Eine Schlussbemerkung. Argentinien lebt von der Landwirtschaft, doch die Politik wird vorwiegend von der städtischen Bevölkerung entschieden, und die von Groß-Buenos Aires u.a. größeren Städten ignoriert die Landwirtschaft. Über zwei Drittel der Exporte bestehen aus landwirtschaftlichen Produkten und deren Industrieprodukte (wie Speiseöl, Sojamehl u.a.). Mit den Devisen, die die Landwirtschaft erzeugt, wird der Import von Rohstoffen, Zubehörteilen, Maschinen und Anlagen für die Industrie finanziert. Wirtschaftliches Wachstum erfordert in Argentinien eine überproportionale Exportzunahme, und diese beruht im Wesen auf landwirtschaftlichen Gütern, die Argentinien in großen Mengen und billig produziert, und noch mehr produzieren kann.

Ebenfalls sei bemerkt, dass Argentiniens Landwirtschaft zu den technologisch fortgeschrittensten der Welt gehört, auch mit eigenen Beiträgen zur Landwirtschaftstechnologie. Landwirte als reine Rentner, die zuschauen wie Sonne und Regen für gute Weiden und Ernten sorgen, gibt es seit langem nicht mehr. Und diejenigen, die sich dieser Illusion hingegeben haben, mussten schließlich das Land verkaufen. Um bei der Landwirtschaft Geld zu verdienen, muss eine intensive unternehmerische Leistung vorhanden sein, die sich um Erhöhung der Erträge pro Hektar, um hohe Geburtenraten und Gewichtszunahme bei Rindern, Kostensenkungen und Effizienz, und eine gute Vermarktung kümmert.

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