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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Der akute Dollarmangel

Von Juan E. Alemann

Die Lage auf dem Devisenmarkt wird kritisch. Die hohen Exporteinnahmen aus der Sojabohne hören in diesem Monat auf, und danach kommt eine Periode mit niedrigen Exporten von Getreide und Ölsaat, bis im Dezember der Weizenexport einsetzt. Die Importanträge verbleiben hoch, und werden vom Wirtschaftsministerium und der Zentralbank begrenzt, was zunehmende Probleme bei der Industrie schafft. Zum Glück bestehen jetzt gute Beziehungen zur Industrie. Wirtschaftsminister Sergio Massa hatte schon vorher diese Beziehungen gepflegt, und José Ignacio de Mendiguren, Staatssekretär für Industrie, ist selber Industrieunternehmer und war vor einigen Jahren sogar Vorsitzender des Spitzenverbandes der Industrie, die “Unión Industrial Argentina” (UIA).

Ohne die Politik der fallweisen Importzulassungen, die sich auf besonders kritische Fälle beziehen, würden viele Industriebetriebe schon stillstehen, weil ihnen Teile für einen Produktionsprozess fehlen, die importiert werden. In einigen Fällen, besonders der Textilindustrie und der Sportschuhindustrie, hat die Importbeschränkung schon dazu geführt, dass lokale Fabriken auf vollen Touren arbeiten, in zusätzlichen Maschinen investiert haben und auch mehrere neue Fabriken entstanden sind. In der Krise der 30er Jahre, als auch ein akutes Zahlungsbilanzproblem aufgekommen war, hat sich auch die Textilindustrie stark entwickelt. Der Rohstoff, die Baumwolle und die Schafwolle, wird im Land erzeugt (und auch exportiert), und Kunstfasern werden auch in größerem Umfang hergestellt.

De Mendiguren sagte gegenüber der Leitung der UIA, die Regierung sei wegen der Dollarknappheit verzweifelt. Das merkt man immer mehr. Das Wirtschaftsteam von Massa arbeitet intensiv am Thema, um eine Lösung zu finden. Dabei ist auch die Initiative der Kursspaltung aufgekommen, mit einem verwalteten Devisenmarkt für den Außenhandel und einem freien für den Rest. Einer der Massa-Berater gab bekannt, dass sie dies schon mit dem Internationalen Währungsfonds besprochen hätten, und dessen Fachleute davon abgeraten hätten. Gewiss ist ein gespaltener Devisenmarkt keine Dauerlösung, aber doch eine effektive Lösung für die akute Krise, die Argentinien erlebt. Der Fall sollte somit nicht nebenbei mit einem unteren Fondsbeamten besprochen werden, sondern dem IWF formell vorgelegt werden.

Normalerweise tritt der Fonds in diesen Fällen für eine Abwertung ein, mit Abschaffung der quantitativen Beschränkungen. Doch die Ökonomen der Regierung haben berechnet, dass es dabei zu einem bedeutenden Inflationssprung kommt, der dann die internen Preise in einem Monat auf um über 15% erhöht. Und das könne man nicht verkraften, weil dies die Preis-Lohnspirale sofort in Schwung setzt und auch starke rezessive Folgen hat, mit Verschärfung der sozialen Problematik. Als im April 1976 José A. Martínez de Hoz als Wirtschaftsminister antrat, stellte sich ein ähnliches Problem wie jetzt. Es wurde mit einem gespaltenen Markt gelöst, wobei es dann einen schrittweisen Übergang auf einen einheitlichen Devisenmarkt gab, der 1977 vollendet wurde.

Für 2023 sind die Exportaussichten besonders schlecht. Die Dürre hört nicht auf, die Ernte von Getreide und Ölsaaten wird stark zurückgehen, und beim Export mindestens u$s 10 Mrd. weniger als 2022 ergeben. Beim Weizen, bei dem die Aussaat schon vollendet ist, wird mit einer Ernte von knapp über 17 Mio. Tonnen gerechnet, gegen 23 Mio. im Vorjahr. Auch bei Gerste wird die Ernte viel niedriger ausfallen. Und bei Mais, Sonnenblume u.a. Arten hängt das Ergebnis noch davon ab, ob es unmittelbar überall regnet, was zunächst nicht in Aussicht steht. Auch der Rindfleischexport ist von der Dürre betroffen. Höhere Exporte von Bergbauprodukten, zu denen Lithium zunehmend hinzukommt, gleichen den Rückgang der Landwirtschaft nicht aus. Daher kommt auch die Initiative auf, für bestimmte Produkte einen Sonderkurs einzuführen, wie bei Sojabohne. Massa neigt, als Pragmatiker der er ist, zu Lösungen dieser Art. Die Weinproduzenten könnten zu einem Kurs von $ 200 pro Dollar viel mehr exportieren, auch die von Oliven, Zitronen und Zitronensaft. Obstkonserven u.a. Allein, diese Sonderkurse sind im Wesen irrational. Argentinien hat schon 8 verschiedene Wechselkurse. Mit zwei sollte es genügen.

De Mendiguren erwähnte gegenüber Unternehmern auch die Möglichkeit einer Weißwaschung, jedoch nur für Importe von kleinen und mittleren Unternehmen (Pymes). Das ist wenig sinnvoll, da diese Importe dann etwa doppelt so viel kosten würden wie die normalen, die zum offiziellen Kurs verrechnet werden. Eine Weißwaschung hat einen anderen Sinn. In der Tat kann bei einer Legalisierung schwarzer Dollarvermögen eine beträchtliche Summe angezogen werden, eventuell bis zu u$s 300 Mio. Das hilft bei der Zahlungsbilanz, löst aber das Problem nicht. Eine Weißwaschung würde gleichzeitig lokalen Unternehmen zu mehr Arbeitskapital verhelfen und Investitionen anspornen. Die Steuerfachleute sind prinzipiell gegen Weißwaschungen eingestellt. Sie haben noch nicht begriffen, dass Argentinien eine anormal hohe Schwarzwirtschaft hat, die zum System gehört und periodische Vermögenslegalisierungen notwendig macht.

Abgesehen davon ist es für die Erhaltung des Gleichgewichtes der Zahlungsbilanz wichtig, dass die Weltbank, die BID u.a. Förderungsbanken kurzfristig höhere Kreditbeträge effektiv auszahlen. Darüber hat Massa in den USA mit der Leitung der zwei großen internationalen Finanzinstituten gesprochen. Jetzt muss er sich darum kümmern, dass die lokalen Beamten, die für die Projekte zuständig sind, mit denen diese Kredite finanziert werden, sich bemühen, um die Abhebung der Kredite zu beschleunigen. Das ist bei der normalen Schlamperei der Regierung, die bei dieser noch stark zugenommen hat, nicht einfach. Er sollte den zuständigen Beamten zunächst befehlen ein PERT-Programm aufzustellen, das genau bestimmt, wann und in welcher Reihenfolge die einzelnen Maßnahmen getroffen werden müssen.

Das Zahlungsbilanzproblem wird in den kommenden Monaten voraussichtlich durch die Rezession erleichtert, die schon erste Zeichen aufweist, aber in den kommenden Wochen viel tiefer sein wird. Dabei verkauft die Industrie weniger, produziert dann auch weniger und hat einen niedrigeren Importbedarf. Wenn man diese Entwicklung verhindern, oder zumindest in ihrer Intensität verringern will, dann ist ein gespaltener Devisenmarkt die Lösung, weil dadurch auch die gesamte Devisennachfrage auf dem offiziellen Markt verringert wird, so dass mehr Devisen für der Importbedarf der Industrie verbleiben.



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